Immobilienpreise in Deutschland: nur moderater Rückgang zu erwarten: Kommentar

DIW Wochenbericht 42 / 2022, S. 548

Konstantin A. Kholodilin

get_appDownload (PDF  87 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  3.04 MB - barrierefrei / universal access)

Höhere Zinsen, Rezession, Unsicherheit: Nach zehn Jahren verdichten sich die Anzeichen für ein Auslaufen des Immobilienbooms in Deutschland. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die Preise für Wohnimmobilien zwar bis Ende Juni insgesamt noch gestiegen, aber nicht mehr so schnell wie zuvor. Die Preise entwickeln sich regional unterschiedlich: Laut einer Ende August veröffentlichten Untersuchung von Immobilienscout24 sind von Januar bis Juli in mehr als der Hälfte der Städte und Landkreise die Angebotspreise für Eigentumswohnungen gesunken. Bei Häusern sei ein ähnlicher Trend zu beobachten, allerdings in abgeschwächter Form: In rund einem Drittel der Städte und Landkreise sanken demnach die Angebotspreise für Häuser zum Kauf. Insgesamt verschiebe sich die Nachfrage von einem Kauf- in Richtung Mietmarkt.

Wovon wird die weitere Entwicklung abhängen? Die Immobilienpreise werden durch verschiedene Faktoren bestimmt. Die drei wichtigsten sind der Zinssatz, das Haushaltseinkommen und die demographische Lage. Steigende Zinsen führen in der Regel zu sinkenden Hauspreisen. Zwischen 2007 und 2021 sank der Zinssatz für Wohnungsbaukredite mit der anfänglichen Zinsbindung über zehn Jahre von über fünf Prozent auf knapp über ein Prozent. Über denselben Zeitraum sind die Immobilienpreise in Deutschland um rund 63 Prozent gestiegen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Zins für einen Käufer nun auf drei Prozent steigt, müssten die Hauspreise um mehr als elf Prozent zurückgehen, damit die monatlichen Zahlungen der Kreditnehmer (Zinsen und Tilgung) im Vergleich zum Jahr 2021 unverändert bleiben. Wenn die Preise langsamer sinken oder der Zinssatz weiter steigt, wird die Belastung der Kreditnehmer zunehmen.

Steigende Einkommen erhöhen die Nachfrage nach Wohnraum und führen tendenziell zu steigenden Immobilienpreisen. In den nächsten zwei Jahren ist allerdings mit einem deutlich schwächeren Wirtschaftswachstum zu rechnen. Kurzfristig dürften daher von Einkommensseite keine starken Nachfrageimpulse kommen, die die dämpfende Wirkung steigender Zinsen kompensieren.

Auch die Demographie spielt für die Immobilienpreise eine wichtige Rolle. Wächst die Bevölkerung, werden auch mehr Wohnungen gebraucht. Weil das Immobilienangebot träge ist und nur langsam auf steigende Bevölkerungszahlen reagiert, steigen die Immobilienpreise. Seit 1972 ist in Deutschland die Zahl der Geborenen ständig kleiner als die Zahl der Gestorbenen. Ohne Einwanderung würde die Bevölkerung also schrumpfen. Die jüngsten amtlichen Bevölkerungsvorausberechnungen zeigen, dass unter der Annahme eines moderaten Wanderungssaldos die Bevölkerung bis 2035 um fast zwei Millionen Personen sinken könnte, bei einem hohen Wanderungssaldo dagegen könnte sie um eine Million wachsen. Auf Basis dieser Projektionen ist eine schwach positive Wirkung der Demographie auf die Immobilienpreise zu erwarten.

Ein anderer Faktor, der die Wohnungsnachfrage unterstützen könnte, ist die abnehmende Haushaltsgröße. Bei den immer kleiner werdenden Haushalten kann die Nachfrage auch im Falle der schrumpfenden Bevölkerung zunehmen. Der gesellschaftliche Wandel führt dazu, dass der Anteil der Einpersonenhaushalte wächst. Diese Tendenz ist vor allem in den Großstädten zu beobachten. In Berlin und München bestehen mehr als die Hälfte aller Haushalte aus einer Person. Laut amtlichen Prognosen soll die Zahl der privaten Haushalte bis 2035 um 1,6 Prozent steigen. Es werden also mehr Wohnungen gebraucht.

Unter Einbeziehung all dieser Faktoren dürfte der Rückgang der Preise für Wohnimmobilien eher moderat und kurzfristig sein. Er dürfte zehn Prozent nicht übersteigen und nicht länger als zwei Jahre dauern, solange nichts Unerwartetes auf uns zukommt. Dass es zum größeren Platzen einer Blase kommt, wie es in den Jahren nach 2008 in einigen europäischen Ländern zu beobachten war, ist unwahrscheinlich.

Der Beitrag ist in einer längeren Fassung am 10. Oktober 2022 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

keyboard_arrow_up