Statement vom 16. März 2023
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat heute beschlossen, den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Dazu ein Statement von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die Europäische Zentralbank musste selten in den vergangenen zehn Jahren eine so schwierige Entscheidung treffen wie heute. Vorsichtig muss sie zwischen ihren Zielen der Preisstabilität und der Finanzstabilität abwägen. Zwar verpflichtet das Mandat die EZB primär, die Preisstabilität sicherzustellen. Eine Bankenkrise würde jedoch mittelfristig dieses Ziel unmöglich werden lassen. Daher kann die EZB mit ihrer Geldpolitik die Probleme vieler Finanzinstitute nicht ignorieren.
Aus dieser Perspektive hat die EZB klug gehandelt, indem sie an ihrer bereits versprochenen Zinserhöhung um 50 Basispunkte festgehalten und gleichzeitig Maßnahmen zur Unterstützung der Liquidität der Banken signalisiert hat. Eine geringere Zinserhöhung von 25 Basispunkten wäre zwar die bessere geldpolitische Entscheidung gewesen. Dies hätten jedoch Investoren als ein Signal der Sorge um die Resilienz europäischer Banken verstanden und eine starke Korrektur in den Kapitalmärkten auslösen können – was die EZB unbedingt vermeiden wollte, um nicht selbst als Ursache für Turbulenzen an den Kapitalmärkten zu werden.
Die EZB bleibt Antworten auf viele offene Fragen schuldig, zum Beispiel wie Finanzinstitutionen kurzfristig unterstützt und stabilisiert werden sollen. Die vage Kommunikation ist wahrscheinlich bewusst so gewählt worden, um keine Überreaktion an den Kapitalmärkten auszulösen. Die Bankenaufsicht und die EZB arbeiten sicherlich intensiv daran, verletzliche Finanzinstitutionen zu identifizieren und mögliche Probleme zu begrenzen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass auch im Euroraum und in Deutschland einige Banken durch den starken Zinsanstieg große Verluste realisieren werden, ähnlich wie in den USA und nun die Credit Suisse in der Schweiz. Ich erwarte weitere Maßnahmen der EZB in den kommenden Wochen.
Die Inflation ist noch immer deutlich zu hoch, auch wenn die EZB mit diesem Zinsschritt nun bald ans Ende ihrer Zinserhöhungen kommen sollte. Denn die Zinserhöhungen gefährden nicht nur die Finanzstabilität, sondern schwächen auch die Wirtschaft in Deutschland und Europa. Die EZB muss aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannt. Mit den Problemen im Bankensektor gehen nun höhere Risiken von zu starken Zinserhöhungen als von einem zu geringen Anstieg aus.
Themen: Geldpolitik