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Strompreiszonen sind auch keine Lösung – besser die Ökostromlücke im Süden schließen: Kommentar

DIW Wochenbericht 21 / 2023, S. 254

Claudia Kemfert

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Die norddeutschen Bundesländer sind sauer. Weil der Strompreis in den Küstenländern höher ist als im Süden. Obwohl und gerade, weil sie mehr erneuerbare Energien haben und der Strom eigentlich viel billiger sein müsste. Ihr Unmut ist daher verständlich. Aber die Lösung, die Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen vorschlagen, wird vermutlich kaum die gewünschte Wirkung bringen: Dass in den Bundesländern, in denen es weniger erneuerbare Energien, insbesondere Windstromausbau, gibt, die Preise höher sind und umgekehrt. Sie wollen aber genau das durch die Einführung von Strompreiszonen erreichen. Die Europäische Union fordert auch schon seit längerem eine getrennte Preisgestaltung beim Strom, die sich eher an den Gegebenheiten des Stromnetzes orientiert: Gebiete, in denen es nur wenige Leitungen gibt, sollen durch Preiszonen voneinander getrennt werden. Solche Strompreiszonen gibt es bereits in anderen Ländern. Beispielsweise hat Norwegen sechs, Italien sogar sieben und Dänemark zwei Preiszonen. In Deutschland wird quasi das ganze Land als eine einzige Kupferplatte gesehen, auf der Strom in beliebigen Mengen verschickt werden kann.

Wenn an der Nordsee der Wind kräftig weht, produzieren die dortigen Windparks massenhaft günstigen Strom. Wenn aber Netzengpässe auftreten, weil zum Beispiel konventionelle unflexible Kraftwerke nicht ausreichend abregeln und Netzkapazitäten nicht ausreichen, kann der erzeugte Strom nicht komplett transportiert werden. Der mögliche Stromüberschuss, generiert aus Erneuerbaren, kommt also nicht im Süden an. Sind im Süden keine ausreichenden Ökostrom-Transportkapazitäten verfügbar, regeln die Netzbetreiber Windparks im Norden herunter und konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke im Süden hoch. Weil deren Strom aber deutlich teurer ist als der aus Windkraft, wird die Preisdifferenz auf alle Kunden in Deutschland umgelegt. Diese „Redispatch“-Kosten stiegen jüngst stark an. Außerdem kommt hinzu, dass die Netzentgelte regional steigen, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien zu einer Ertüchtigung oder Erweiterung des Stromnetzes führt. Im Süden, vor allem in Bayern, gibt es aufgrund von unnötigen Abstandsregelungen so gut wie keinen Zubau von Windenergieanlagen. Es gibt eine Ökostrom-Lücke, die somit indirekt den Strompreis im Norden nach oben treibt. Deswegen ist der Strompreis im Norden höher als im Süden. Die Regionen in Deutschland, die eigentlich günstigen Windstrom beziehen könnten, müssen nun aber über den Redispatch den schleppenden Ausbau erneuerbarer Energien im Süden Deutschlands mitfinanzieren. Daher wollen die Nord-Bundesländer, dass Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt wird. Statt eines landesweit einheitlichen Börsenstrompreises wäre dann jede Zone für ihren eigenen Strompreis verantwortlich. Wenn Bayern und Baden-Württemberg eine eigene Strompreiszone hätten, so der Plan, sollte dort der Strompreis steigen und so einen Anreiz für den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Oder aber Preis-Anreize für die Industrie bieten, in den Norden zu ziehen.

Dies wird vermutlich so aber nicht geschehen. Studien des DIW Berlin zeigen, dass die Strompreiseffekte gering wären. Selbst aufgrund der durch den Atomausstieg noch etwas geringeren Stromkapazitäten im Süden wäre kaum zu erwarten, dass ausreichende Preiseffekte auftreten würden, um diese Anreize zu geben. Daher ist eine einheitliche und nicht regionale Verteilung der Netzkosten überfällig. Das wäre weniger ungerecht und würde die Strompreise im Norden sinken und die im Süden steigen lassen. Viel wichtiger ist aber die schnelle Schließung der Ökostrom-Lücke im Süden, also die Strom-Kapazitätserhöhung, damit weniger Netzengpässe auftreten und so die Netzkosten sinken können. Der Windenergie-Ausbau in Bayern muss schnell geschehen. Das würde auch die Industrie in Bayern freuen, die dies seit Jahren fordert. Eile ist geboten. Sonst heißen die Bayerischen Motorenwerke wohl bald Bremer Motorenwerke.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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