Direkt zum Inhalt

Immobilienmarkt im Krisenmodus: Die Kaufpreise fallen, aber die Mieten steigen

DIW Wochenbericht 51/52 / 2023, S. 753-762

Konstantin A. Kholodilin, Malte Rieth

get_appDownload (PDF  5.82 MB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  13.47 MB - barrierefrei / universal access)

  • Baugrundstücke, Eigenheime und Eigentumswohnungen waren im Jahr 2023 in über 150 deutschen Städten durchschnittlich um nominal zwei Prozent günstiger als im Vorjahr
  • Verschlechterte Finanzierungsbedingungen durch die Zinserhöhungen führten zu Preiskorrekturen
  • Mieten stiegen allerdings weiter, um nominal drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr
  • Mietanstieg lässt sich durch hohes Bevölkerungswachstum und eine Verlangsamung der Bauaktivität erklären
  • Politik sollte alles tun, um das Angebot an Wohnraum zu erhöhen, etwa Verfahren beschleunigen oder direkte öffentliche Investitionen tätigen

„Der Staat kann dazu beitragen, die Lage auf dem Immobilienmarkt ein wenig zu entspannen. Es geht darum, die Baukosten zu reduzieren und den Wohnungsbau zu beschleunigen. Eine Lockerung der Vorschriften und eine schnellere Vergabe von Baugenehmigungen könnten die Baukosten reduzieren.“ Konstantin A. Kholodilin

Auf dem deutschen Immobilienmarkt hat sich das Blatt gewendet. Die Finanzierungskonditionen haben sich deutlich verschlechtert. Die spekulative Preisblase des letzten Jahrzehnts ist geplatzt. Die Immobilienpreise fallen: Baugrundstücke, Eigenheime und Eigentumswohnungen waren in über 150 deutschen Städten im Jahr 2023 durchschnittlich um zwei Prozent günstiger als vor einem Jahr. Besonders betroffen waren Baugrundstücke und Eigenheime in großen Städten, wo die Preise um bis zu sieben Prozent zurückgegangen sind. Hingegen stiegen die Mieten weiter, um drei Prozent. Ein hohes Bevölkerungswachstum trifft auf eine geringe Bautätigkeit. Die Politik ist daher dringend gefordert, durch öffentliche Bautätigkeit sowie einer Vereinfachung der Verfahren und Vorschriften der Wohnungsknappheit entgegenzuwirken.

Im Jahr 2022 änderten sich die Rahmenbedingungen für Bauherren, Käufer*innen und Mieter*innen. Das Ende der großangelegten Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank und die erste Anhebung der Leitzinsen seit elf Jahren haben die Finanzierung von Bau- oder Kaufvorhaben deutlich verteuert. Hinzu gekommen ist die massiv gestiegene Inflationsrate, die die Kaufkraft vieler Haushalte geschmälert und den Spielraum für Kredittilgungen reduziert hat. Auch Banken verhalten sich zunehmend restriktiver in ihrer Kreditvergabe. Das Volumen der Wohnungsbaukredite hat sich seit seinem Maximum im März 2021 bis zum September 2023 mehr als halbiert. Ferner ging der Anteil der Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als fünf Jahren stark zurück.

Die Kauf- und Mietmärkte entwickeln sich auseinander. Während die Kaufpreise angefangen haben zu fallen, steigen die Mieten weiter. So sind die Preise für Baugrundstücke, Eigenheime und Eigentumswohnungen im laufenden Jahr in den über 150 untersuchten Städten Deutschlands um rund zwei Prozent gefallen. Trotz der jüngsten Preisrückgänge bleiben die Immobilienpreise deutlich höher als unmittelbar vor dem Anfang des Marktaufschwungs. Die Preise für Bauland sind in diesem Jahr im Vergleich zum Jahr 2010 um 116 Prozent höher, während die Preise für Einfamilien- und Reihenhäuser doppelt so hoch wie 2010 sind (Abbildung 1). Die Preise für Eigentumswohnungen übersteigen ihr Niveau im Jahr 2010 noch um 133 Prozent. Der Mietanstieg schreitet hingegen unaufhörlich voran. Innerhalb der letzten 13 Jahre nahmen die Mieten um insgesamt 53 Prozent zu. In diesem Jahr lag ihr Anstieg bei rund drei Prozent. Zudem liegen die Leerstandsquoten aktuell auf dem historisch niedrigsten Niveau, was auf einen sehr angespannten Wohnungsmarkt hindeutet.infoVgl. CBRE-empirica-Leerstandsindex 2023 (online verfügbar, abgerufen am 11.11.2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).

Der Rückgang der Kaufpreise ist vor allem auf eine Korrektur der spekulativen Preisübertreibungen zurückzuführen. Schon vor dem jüngsten Zinsanstieg wurden Zweifel laut, ob die Preisentwicklungen bei den Transaktionen durch die fundamentalen Marktfaktoren gedeckt sind. Auch die Europäische Zentralbank und die Bundesbank warnten vor spekulativen Übertreibungen bei der Preisbildung, die sich nicht allein auf die urbanen Räume beschränkten.infoEuropäische Zentralbank (2022): Financial Stability Review, May 2022 (online verfügbar); Deutsche Bundesbank (2021): Finanzstabilitätsbericht 2021 (online verfügbar).

Diese Sorgen wurden auch durch die Entwicklung der Kaufpreise in Relation zu den Mieten gestützt. Die Preise entsprechen im Durchschnitt der untersuchten deutschen Großstädte dem 27-fachen Jahresmietertrag. Zuletzt zeigte sich Mitte der 1990er Jahre, auf dem Höhepunkt des letzten Wohnungsmarktzyklus, eine vergleichbare Relation. Damals war es vor allem die Wiedervereinigung, gepaart mit steuerlichen Anreizen und staatlichen Zuschüssen, die zunächst zu Überbewertungen und anschließend zu einem Jahrzehnt sinkender beziehungsweise stagnierender Immobilienpreise führte.infoVgl. Claus Michelsen und Dominik Weiß (2010): What happened to the East German housing market? A historical perspective on the role of public funding. Post-Communist Economies, 22 (3), 387–409 (online verfügbar).

Aktuell kühlt sich der überhitzte Markt ab und die auf dem Markt zu beobachtenden Preise nähern sich allmählich ihren fundamentalen Werten. Dies wird durch die steigende Dynamik der Mieten bestätigt. Dem sehr starken Bevölkerungsanstieg steht keine entsprechende Ausweitung des Angebots gegenüber.

Die Immobilienpreisentwicklungen spielen für die Wirtschaft und die Gesellschaft eine wichtige Rolle. Deshalb widmet sich eine umfangreiche Forschung der Immobilienpreisdynamik.infoNach wie vor ist die Zahl wissenschaftlicher Beiträge zu der Frage einer möglichen Blasenbildung im Immobilienmarkt überschaubar. Die Ergebnisse bisheriger Studien sind kontrovers und bieten kein einheitliches Bild. Für aggregierte Reihen lässt sich eine Preisblase für Deutschland nicht finden. Vgl. Xi Chen und Michael Funke (2013): Renewed Momentum in the German Housing Market: Boom or Bubble? CESifo Working Paper No. 4287 (online verfügbar); Philipp an de Meulen und Martin Micheli (2013): Droht eine Immobilienpreisblase in Deutschland? Wirtschaftsdienst 93(8), 539–544 (online verfügbar). In dieser Studie werden aggregierte Reihen für die sieben größten Städte in Deutschland analysiert. Die Analyse legt den Schluss nahe, dass spekulative Motive nur in sehr begrenztem Umfang Eingang in die Immobilienpreisbildung finden. Eine andere Untersuchung kommt hingegen zu dem Schluss, dass die Preise teilweise erheblich, um bis zu 25 Prozent, über dem fundamental gerechtfertigten Niveau lägen. Vgl. Florian Kajuth, Thomas A. Knetsch und Nicolas Pinkwart (2013): Assessing house prices in Germany: Evidence from an estimated stock-flow model using regional data. Discussion Paper der Deutschen Bundesbank 46/2013 (online verfügbar). Seit dem Jahr 2014 wird am DIW Berlin regelmäßig die Preisentwicklung in Städten Deutschlands analysiert und auf Grundlage statistischer Verfahren untersucht, ob es zu Preisübertreibungen kommt.infoVgl. Konstantin A. Kholodilin und Claus Michelsen (2017): Keine Immobilienpreisblase in Deutschland — aber regional begrenzte Übertreibungen in Teilmärkten. DIW Wochenbericht Nr. 25, 503–513 (online verfügbar).

Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen werden mit der vorliegenden Studie aktualisiert. Grundlage dafür ist ein Datensatz des Immobilienverbandes IVD über Miet- und Kaufpreise für Wohnimmobilien (Kasten 1).

Daten über die Preisentwicklung von Immobilien sind in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nur in spärlichem Umfang verfügbar. Insbesondere auf lokaler Ebene gibt es kaum Quellen, die Analysen über einen längeren Zeitraum erlauben. Typischerweise sind die Zeitreihen sehr kurz, decken nur einige wenige Orte ab oder beinhalten lediglich Angebotspreise.

Für die vorliegende Studie werden Miet- und Kaufpreisdaten des „Immobilienverbandes Deutschland IVD Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e. V.“ genutzt. Das Unternehmen bietet seit 1975 Immobiliendaten und Indizes zu einzelnen Immobilienmarktsegmenten an. Die Datensammlung enthält durchschnittliche Kaufpreise und Mieten für Wohnungen und Grundstücke in 685 deutschen Gemeinden von 1975 bis 2023. Für diesen Wochenbericht werden die Daten für über 150 Städte in den Jahren 1996 bis 2023 verwendet. Das macht sie zu einer einzigartigen Informationsquelle hinsichtlich der geografischen und zeitlichen Abdeckung des Marktes.

In die vorliegende Analyse werden die folgenden sechs Variablen einbezogen:

  • Kaufpreise für Baugrundstücke für Einfamilienhäuser in mittlerer Lage und mit mittlerem Wohnwert,
  • Kaufpreise für Eigenheime in mittlerer Lage und mit mittlerem Wohnwert,
  • Kaufpreise für Reihenhäuser in mittlerer Lage und mit mittlerem Wohnwert,
  • Kaufpreise für bestehende Eigentümerwohnungen in guter Lage und mit mittlerem Wohnwert,
  • Nettokaltmieten für Bestandswohnungen in mittlerer Lage und mit mittlerem Wohnwert,
  • Nettokaltmieten für Neubauwohnungen in mittlerer Lage und mit mittlerem Wohnwert.

Zudem werden die genannten Variablen verwendet, um das Verhältnis von Kaufpreisen zu Jahresmieten für Bestandswohnungen (mittlere und gute Lage) zu berechnen.

Finanzierungsbedingungen haben sich deutlich verschlechtert

Die oben beschriebenen Preisreihen reichen allein nicht aus, um zu bewerten, ob es gesamtwirtschaftlich relevante Entwicklungen an den Immobilienmärkten gibt. Ein wichtiger Indikator ist die Erschwinglichkeit von Immobilien, gemessen am Verhältnis der Wohnimmobilienpreise zu den verfügbaren Einkommen. Langfristig sollten sich die Preise von Immobilien im Einklang mit dem verfügbaren Einkommen entwickeln. Bis vor etwa 15 Jahren waren Immobilien gemessen an diesem Indikator in Deutschland günstig – im Vergleich zur Situation in Deutschland in den 1980er und 1990er Jahre (Abbildung 2).

Die Entkopplung von Immobilienpreisen und Einkommen zwischen 2011 und 2021 hatte verschiedene Ursachen: zum einen die starke Nachfrage aufgrund des langanhaltenden und starken Bevölkerungswachstums, zum anderen eine ultralockere Geldpolitik. Seit dem Jahr 2022 hat sich jedoch eine Trendumkehr vollzogen. Der wesentliche Grund dafür ist das Auslaufen der großangelegten Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank und ihre Zinsanhebungen. In der Folge ist das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Einkommen in vielen Ländern wegen fallender Immobilienpreisen zurückgegangen. In mindestens 15 OECD-Ländern war im zweiten Quartal 2023 ein Preisrückgang zu beobachten, so stark wie in Deutschland jedoch nur noch in der Slowakei und Luxemburg.

Entscheidend war dies durch die steigenden Zinsen getrieben. Die Zinsen für Wohnungsbaukredite in Deutschland sind in den letzten anderthalb Jahren um drei Prozentpunkte gestiegen; von etwas über ein Prozent auf mehr als vier Prozent (Abbildung 3). Der Zinssprung macht sich bei der Neukreditvergabe dramatisch bemerkbar. Das Volumen hat sich fast gedrittelt. Zwar gehen die Futures-Märkte mittlerweile davon aus, dass die Leitzinsen im Euroraum ihren Höhepunkt erreicht haben. Sie rechnen aber weiterhin mit einem deutlich höheren Zinsniveau für die kommenden zwei Jahre als vor den Zinsanstiegen. Von der Finanzierungsseite ist daher in näherer Zukunft keine Unterstützung für Hausbauer*innen zu rechnen.

Aber nicht nur die Neukreditvergabe sinkt. Der Anteil der Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als fünf Jahren ist ebenfalls stark zurückgegangen – um fast acht Prozentpunkte (Abbildung 4). Solche Kredite werden vor allem in Zeiten niedriger Zinsen abgeschlossen. Derzeit sichern sie noch die finanzielle Stabilität. Allerdings führt der relative Rückgang der Darlehen mit einer langfristigen Zinsbindung gekoppelt mit steigenden Zinsen zu mehr Risiken für die privaten Haushalte in der Zukunft. Der aktuelle Rückgang der zinsgebundenen Kredite lässt zudem darauf schließen, dass die Banken mit weiter hohen Zinsen und einer erhöhten Unsicherheit über die Zinsentwicklung rechnen. Allerdings zeichnet sich seit dem dritten Quartal 2023 eine Stabilisierung ab.

Von 2017 bis Ende 2021 war eine starke Ausweitung des Neugeschäfts bei Wohnungsbaukrediten zu beobachten. In Relation zur Wirtschaftsleistung stieg das Kreditvolumen von sechs Prozent im Jahr 2018 auf etwa neun Prozent im Jahr 2021. Seit Anfang 2022 hat sich der Verlauf jedoch umgekehrt und es wurden merklich weniger Wohnungsbaukredite vergeben. Das Kreditvolumen beträgt mittlerweile nur noch vier Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt und hat sich damit mehr als halbiert. Angesichts dieser Beobachtungen scheint das Risiko einer Korrektur von spekulativen Preisentwicklungen weiter hoch.

Neben Kreditgeschäften ist auch das reale Volumen der Immobilientransaktionen merklich zurückgegangen: Zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem zweiten Quartal 2023 ist es um mehr als ein Drittel geschrumpft (Abbildung 5).infoDas nominale Transaktionsvolumen wurde aus den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer und nach Bevölkerung gewichteten durchschnittlichen Grunderwerbsteuerrate berechnet, da die Steuerrate in Deutschland nach Land und Jahr variiert. Das reale Transaktionsvolumen resultiert aus dem Verhältnis zwischen dem nominalen Transaktionsvolumen und dem Hauspreisindex für Deutschland von OECD. Einen vergleichbaren Rückgang gab es nur nach der globalen Finanzkrise. Aktuell befindet sich das Volumen auf dem niedrigsten Niveau seit mindestens 24 Jahren und es zeichnet sich noch keine Bodenbildung ab.

Hohes Bevölkerungswachstum trifft auf geringeres Angebot

Seit 2010 steigt besonders in Großstädten die Nachfrage nach Wohnraum durch das Bevölkerungswachstum in Deutschland. Dieses speist sich maßgeblich durch Zuwanderung. Zwischen 2011 und 2019 lag der durchschnittliche Wanderungssaldo bei 490 000 Personen (Abbildung 6). Dadurch ergibt sich ein durchschnittliches Bevölkerungswachstum von etwa 315 000. Im laufenden Jahr ist mit einer etwas geringeren Nettozuwanderung zu rechnen als im letzten Jahr. Sie wird aber deutlich höher sein als im langjährigen Durchschnitt: Allein in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres lag der Wanderungssaldo bei über 400.000 Personen.infoVgl. Daten des Statistisches Bundesamtes in der Datenbank GENESIS-Online.

Die zurückliegenden und absehbaren Entwicklungen führen zu einer dauerhaft hohen Nachfrage nach Wohnraum. Das Angebot steigt jedoch zu langsam. Zwar erhöhte sich von 2010 bis 2020 die Zahl an fertiggestellten Wohnungen. Dies reichte aber nicht aus, um den stark gestiegenen Bedarf zu decken. Seit 2021 ist die Bautätigkeit zudem eingebrochen. Seitdem verharrt der Wohnungsbau auf einem Niveau von rund 300 000 Wohnungen pro Jahr, was deutlich unter der Nachfrage liegt. Die Prognosen der Bauproduktion für das Jahr 2023 sehen ebenfalls trübe aus: Die realen Wohnungsbauinvestitionen sollen um 2,3 Prozent zurückgehen. Im Jahr 2024 sollen sie um weitere 3,4 Prozent fallen.infoTimm Bönke et al. (2023): DIW-Konjunkturprognose: Aussichten reichen von wolkig bis heiter. DIW Wochenbericht Nr. 50, 703–742 (online verfügbar). Diese schwache Dynamik ist unter anderem auf die hohen Zinsen und die seit anderthalb Jahren stark gestiegenen Baukosten zurückzuführen. Auch die jüngste Entwicklung bei der Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren im Baugewerbe sind ein schlechtes Zeichen: Nach einer fast 20-jährigen Phase des Rückgangs steigen sie seit 2021 deutlich an (Abbildung 6). Eine Trendwende zeichnet sich hier noch nicht ab. Teilweise dürften die insolventen Baufirmen durch erfolgreichere Rivalen übernommen werden. Doch ein Teil der Baukapazitäten wird wohl verloren gehen, was sich negativ auf die künftigen Fertigstellungen an Wohnungen auswirken wird.

Regionale Märkte erfordern regionale Analysen

Die Betrachtung einzelner Indikatoren und des aggregierten nationalen Marktes kann indes nur ein erster Schritt sein, um die Preisentwicklung auf dem Markt für Wohnimmobilien zu analysieren. Immobilienmärkte sind regionale Märkte – dementsprechend entstehen Fehlentwicklungen zuerst in einzelnen Städten, bevor sie sich im Gesamtmarkt ausbreiten.infoVgl. Allen C. Goodman und Thomas G. Thibodeau (2008): Where are the speculative bubbles in US housing markets? Journal of Housing Economics 17 (2), 117–137 (online verfügbar); Min Hwang und John M. Quigley (2006): Economic Fundamentals In Local Housing Markets: Evidence From U.S. Metropolitan Regions. Journal of Regional Science 46 (3), 425–453 (online verfügbar); Jesse M. Abraham und Patric H. Hendershott (1996): Bubbles in metropolitan housing market. Journal of Housing Research 7 (2), 191–207 (online verfügbar). Deshalb wird nachfolgend ein differenzierterer Untersuchungsansatz verfolgt, der nach Neubau- und Bestandspreisen unterscheidet, Grundstückspreise separat betrachtet und einzelne Städte, Städtegruppen sowie den Gesamtmarkt in den Blick nimmt (Kasten 1).

Zwischen 2010 und 2022 stiegen die Immobilienpreise und Mieten in den meisten Regionen, wobei die Kaufpreise deutlich stärker zulegten. Heute ist das Bild qualitativ anders: Die Kaufpreise fallen in vielen Kreisen, während die Mieten weiter steigen. Das Risiko spekulativer Preisübertreibungen geht dadurch zurück.infoVgl. Konstantin A. Kholodilin und Malte Rieth (2022): Immobilienmarkt bisher stabil – aber Risiko für Preiskorrekturen hat zugenommen. DIW Wochenbericht Nr. 47, 611–620 (online verfügbar). Gleichwohl sind die Preise in vielen Städten und Kreisen nach wie vor sehr hoch.

Langfristig sind die Kaufpreise an die Mietpreise gekoppelt. Da die Mieten an die allgemeine Einkommensentwicklung gebunden sind, dürfte der Spielraum für Mietsteigerungen begrenzt sein, unter anderem angesichts der starken Reallohnverluste der Bevölkerung durch die gestiegene Inflation seit 2022. Insgesamt liegt das Preis-Miet-Verhältnis immer noch deutlich über seinem Niveau aus dem Jahr 2010, so dass kurzfristig eher mit weiteren Preisrückgängen zu rechnen ist.

Preisentwicklungen sind nach Regionen und Marktsegmenten heterogen

Um der räumlichen Dimension des Immobilienmarktes Rechnung zu tragen, wird ein differenzierter Ansatz für die Beurteilung der Preisentwicklungen verfolgt: Betrachtet werden die Preisentwicklungen in sogenannten A-, B-, C- und D-Standorten. Dies folgt einer gängigen Standortklassifikation, die sich an der Einwohnerzahl und der Höhe der Umsätze aus Immobilienverkäufen in den jeweiligen Märkten orientiert.infoA-Städte: Wichtigste deutsche Zentren mit nationaler und zum Teil internationaler Bedeutung. In allen Segmenten große, funktionsfähige Märkte. B-Städte: Großstädte mit nationaler und regionaler Bedeutung. C-Städte: Wichtige deutsche Städte mit regionaler und eingeschränkt nationaler Bedeutung, mit wichtiger Ausstrahlung auf die umgebende Region. D-Städte: kleine, regional fokussierte Standorte mit zentraler Funktion für ihr direktes Umland; geringeres Marktvolumen und Umsatz. Vgl. Definitionen auf der Webseite von RIWIS Online. Schließlich werden die Preisentwicklungen in den einzelnen Städten betrachtet, um lokale Fehlentwicklungen zu identifizieren. Unterschieden werden dabei die Segmente der Bestands- und Neubauwohnungen sowie Eigenheime und die Werte für Baugrundstücke.

Besonders stark sind die Preise im Vergleich zu 2022 für Baugrundstücke und Einfamilienhäuser gefallen (mehr als zwei Prozent), gefolgt von den Preisen der Eigentumswohnungen (zwischen minus eins und minus zwei Prozent). In den Großstädten waren die Preisrückgänge für Wohnimmobilien und Bauland in Deutschland am kräftigsten (Tabelle 1). In den sogenannten A-Städten sind die Kaufpreise einheitlich um fünf Prozent, bei den Einfamilienhäuser in mittlerer Lage sogar um sieben Prozent gefallen. Die Preiskorrekturen in kleineren Städten sind geringer. In den D-Standorten war der Preisrückgang von Einfamilienhäusern weniger als ein Prozent, die Preise für Bauland und für Eigentumswohnungen sind sogar geringfügig gestiegen.

Tabelle 1: Preis- und Mietentwicklung nach Städtetypen in den Jahren 2022 bis 2023

Veränderungen gegenüber dem Jahr 2022 in Prozent

Segment Deutschland Standorte
A B C D
Baugrundstück für Einfamilienhaus, mittlere Lage und Wohnwert –2,0 –5,8 –5,4 –3,9 1,1
Baugrundstück für Einfamilienhaus, gute Lage und Wohnwert –2,3 –6,4 –5,9 –2,2 1,1
Einfamilienhaus, mittlere Lage und Wohnwert –2,2 –7,0 –5,4 –4,3 –0,3
Einfamilienhaus, gute Lage und Wohnwert –2,0 –5,2 –5,1 –4,3 –0,2
Reihenhaus, mittlere Lage und Wohnwert –2,1 –5,8 –4,3 –4,0 –0,5
Eigentumswohnung im Bestand, mittlere Lage und Wohnwert –1,7 –5,9 –3,3 –3,6 0,2
Eigentumswohnung im Bestand, gute Lage und Wohnwert –1,2 –6,3 –2,1 –3,1 0,5
Miete für Bestandswohnung, mittlere Lage und Wohnwert 3,2 2,6 3,1 4,9 3,1
Miete für Neubauwohnung, mittlere Lage und Wohnwert 2,9 2,4 2,8 2,9 3,0
Preis-Miet-Verhältnis, Eigentumswohnung, mittlere Lage und Wohnwert –5,6 –7,8 –6,1 –8,9 –3,7
Preis-Miet-Verhältnis, Eigentumswohnung, gute Lage und Wohnwert –5,2 –8,2 –4,6 –8,3 –3,7

Anmerkung: A-Städte: Wichtigste deutsche Zentren mit nationaler und zum Teil internationaler Bedeutung. In allen Segmenten große, funktionsfähige Märkte. B-Städte: Großstädte mit nationaler und regionaler Bedeutung. C-Städte: Wichtige deutsche Städte mit regionaler und eingeschränkt nationaler Bedeutung, mit wichtiger Ausstrahlung auf die umgebende Region. D-Städte: kleine, regional fokussierte Standorte mit zentraler Funktion für ihr direktes Umland; geringeres Marktvolumen und Umsatz.

Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten des Immobilienverbandes IVD.

Die Mieten steigen in allen Standorttypen weiter. Hier gibt es weniger regionale Unterschiede. Am stärksten sind die Mieten im Bestand in den C-Städten mit fünf Prozent gestiegen. Am schwächsten haben die Mieten in den A-Standorten mit rund drei Prozent zugelegt. Zusammen mit der regionalen Preisanpassung sind die Preis-Miet-Verhältnisse besonders stark in A- und C-Städten zurückgegangen. In A-Standorten war der spekulative Preisdruck am stärksten. Trotz der jüngsten Preisrückgänge sind die Überbewertungen dort nach wie vor erheblich. Nicht nur dort sind die Preis-Mietverhältnisse immer noch auf einem deutlich höheren Niveau als in der Vergangenheit (Abbildung 7).

Die aktuelle Preisentwicklung unterscheidet sich nicht nur nach der Größe des Immobilienmarktes, die sich in dem Standorttyp widerspiegelt, sondern auch nach der geografischen Lage. Im Westen und teilweise an der Ostseeküste steigen die Preise für Baugrundstücke und Eigenheime besonders in den kleineren Städten weiter (Abbildung 8). In Ostdeutschland ist eine gemischte Entwicklung zu beobachten: Teilweise steigen die Kaufpreise noch, teilweise stagnieren sie.infoDiese Heterogenität könnte zum Teil auf den unterschiedlichen Zeitpunkt der Datenerhebung zurückgeführt werden. Die Daten wurden für Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Jahreswechsel, für Länder im Norden im Sommer erhoben. Im Fall von Mieten ist das Bild homogener: In den meisten Städten steigen sie. Es gibt nur eine Handvoll Orte mit stagnierenden Mietpreisen, die sich zumeist in Nordrhein-Westfalen und Ostdeutschland befinden.

Fazit: Verschlechterte Finanzierungskonditionen führen zu Preiskorrekturen

Das Ende der großen Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank und der folgende starke Zinsanstieg hat zu einer Verschlechterung der Finanzierungskonditionen geführt. Dadurch ist das Volumen der Neubaukredite geschrumpft und die Baugenehmigungen sind dramatisch zurückgegangen. Die Preisübertreibungen der vergangenen zwölf Jahre (2011–2022) Jahre bauen sich allmählich ab. Besonders stark sind davon die großen Städte betroffen, wo die Immobilien am stärksten überbewertet waren. Dies gilt für Baugrundstücke, Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen.

Die Mieten dagegen stiegen weiter. Während das Angebot an Wohnraum stagniert, wächst die Bevölkerung weiter. Hinzu kommt der Abschied vieler Haushalte vom Traum eines Eigenheims, da die bisherigen Preisrückgänge die gestiegenen Finanzierungskosten nicht kompensieren. Sie sind gezwungen, weiterhin zu mieten.

Alles in allem fehlt dringend benötigter Wohnraum. Um die sich dadurch aufbauenden sozialen Spannungen zu reduzieren, muss die Politik dringend handeln. Denn die Zuwanderung ist weiterhin sehr hoch. Auch die Zinsen dürften nur allmählich zurückgehen und die nächsten Jahre über dem Niveau von 2021 liegen. Da die Insolvenzwelle im privaten Bausektor ihren Scheitelpunkt noch nicht erreicht hat, sollten die staatlichen Bauinvestitionen merklich ausgeweitet werden. Sie dürfen den aktuellen Sparzwängen nicht zum Opfer fallen. Auch international werden die Rufe nach einer höheren öffentlichen Investitionsquote in Deutschland lauter. Die Bauvorschriften sollten entschlackt und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Zum Beispiel könnte man über die Abschaffung kostentreibender, aber nicht relevanter Vorschriften nachdenken.

Malte Rieth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: C32;E27;E32
Keywords: speculative house price bubbles; explosive roots tests; German cities and towns
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-51-1

keyboard_arrow_up