Statement vom 8. März 2024
Zu den Ergebnissen der jüngsten Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) äußert sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:
Die EZB hätte ein klares Signal für eine Kehrtwende ihrer Geldpolitik und eine baldige Zinssenkung geben sollen. Die Entscheidung der EZB und ihre Kommunikation sind eine verpasste Chance, mehr Klarheit zu schaffen und die Finanzierungsbedingungen zu verbessern. Damit bleibt die Geldpolitik eine der wichtigsten Bremsen für die Konjunktur und für die schwachen Investitionen in der Eurozone und in Deutschland.
Die EZB läuft Gefahr, ihren Fehler von vor zwei Jahren zu wiederholen und zu spät zu handeln, denn Geldpolitik entfaltet ihre volle Wirkung erst nach anderthalb bis zwei Jahren. Die Inflation in der Eurozone ist deutlich gesunken und die Inflationserwartungen sind schon jetzt konsistent mit der Preisstabilität. Die von der EZB immer wieder betonte Sorge vor sogenannten Zweitrundeneffekten – vor allem, dass die Inflation zu höheren Löhnen und einer stärkeren Nachfrage führt – hat sich bisher nicht bewahrheitet. Es ist richtig, dass Löhne steigen und auch die Lohnstückkosten zulegen. Aber dies sind notwendige temporäre Aufholeffekte. Es gibt keinerlei Anzeichen für permanente Effekte, beispielsweise durch eine Lohn-Preis-Spirale, durch die sich eine höhere Inflation verfestigen könnte.
Die Wahrscheinlichkeit ist heute höher, dass die EZB ihr Ziel der Preisstabilität über die nächsten drei Jahre unterschießen wird, als dass die Inflation zu hoch bleiben wird. Dies würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der EZB erodieren, sondern könnte auch der Wirtschaft einen empfindlichen Schaden zufügen.
Themen: Geldpolitik