DIW Wochenbericht 26 / 2024, S. 413
Lukas Menkhoff, Erich Wittenberg
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Herr Menkhoff, Sie haben die Entwicklung der internationalen Finanzarchitektur und den Umgang mit Devisenmarktinterventionen untersucht. Was stand dabei im Fokus Ihrer Studie? Im Fokus der Studie stehen Vorbereitungen auf Devisenmarktinterventionen, die wir als die Bereitschaft für Devisenmarktinterventionen interpretieren. Also nicht die Tatsache, ob interveniert wird oder ob nicht interveniert wird, auch nicht die Frage, ob die Interventionen erfolgreich sind, sondern, ob Staaten Vorkehrungen treffen, um intervenieren zu können.
Wie groß ist die Bereitschaft für Devisenmarktinterventionen? Diese Bereitschaft ist in den vergangenen 20 Jahren gestiegen. Die Globalisierung ist eher auf einem leichten Rückzug, mindestens stagniert sie. Das heißt, der Handel relativ zum Bruttoinlandsprodukt sinkt leicht im Trend seit der großen Finanzkrise. Dagegen haben die Indikatoren, die uns interessieren, tendenziell zugenommen in dieser Phase und das ist einigermaßen überraschend.
Welche Staaten sind es, bei denen die Bereitschaft zur Devisenmarktinterventionen gestiegen ist? Das ist im Prinzip über die Welt verteilt, aber besonders auffällig natürlich bei großen Schwellenländern, die relativ aktiv in internationalen Wirtschaftsbeziehungen eingebunden sind.
Welcher Grund könnte dahinter stehen? Diese Bereitschaft ist mit Kosten verbunden und schränkt eigentlich auch den Handlungsspielraum der Staaten ein. Daher ist die plausibelste Interpretation, dass die Staaten sich nicht sicher sind, ob die Entwicklung der Wechselkurse ihren Vorstellungen entspricht und dass sie bereit sind, einzugreifen und sich das etwas kosten zu lassen. Diese Bereitschaft spiegelt in gewisser Weise die Desintegration, die wir auch im Außenhandel finden.
Welche Kosten sind das und ab wann würde es sich für diese Staaten lohnen, einzugreifen? Die Kosten entstehen im Wesentlichen aus der Reservehaltung, denn Devisenreserven werden typischerweise in sehr sicheren Währungen gehalten und die sind schlecht verzinst. Im Vergleich zu einer heimischen Anlage verliert man tendenziell. Der andere Punkt ist, dass das Vermögen sehr liquide angelegt wird, um intervenieren zu können. Damit aber nutzt man nicht die Möglichkeit einer Liquiditätsprämie. Ein Staatsfonds würde anders anlegen, als wir das bei Devisenreserven sehen. Von daher müssen die Staaten gute Gründe haben so zu handeln, sonst macht es eigentlich keinen Sinn.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Rolle Europas in der Weltwirtschaft? Im Grunde bedeutet es, dass Europa zusammen mit wenigen anderen Staaten zu einer Ausnahme wird. Europa hält natürlich auch große Währungsreserven, aber hat sie nicht mehr aufgebaut. Das heißt, wir machen bei dieser Entwicklung nicht mit. Bei uns ist es sozusagen genau umgekehrt. Das reflektiert, dass Europa, bislang jedenfalls, auch eine andere Haltung hat gegenüber weltwirtschaftlichen Ordnungen und Entwicklungen. Wir setzen auf eine multilaterale Ordnung, auf verbindliche Regeln und auf relativ freie Märkte. In solch einer Welt braucht man nicht so große Devisenreserven und muss die auch nicht in liquider Form halten. Aber andere Staaten handeln eben anders als wir.
Sollte Europa seine Reserven aufstocken? Ich denke eher nein. Europa und der europäische Währungsraum sind selber einer der großen Pole in der Weltwirtschaft und solange wir nicht in eine Währungskonkurrenz mit dem Dollar und der chinesischen Währung geraten, denke ich, wäre das teuer, was man nicht unbedingt braucht, zumal Europa ja bereits über erhebliche Devisenreserven verfügt.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Geldpolitik, Finanzmärkte