Statement vom 18. Juli 2024
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat heute beschlossen, die Leitzinssätze unverändert zu lassen. Dazu ein Statement von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die Entscheidung des EZB-Rats, die Zinsen unverändert zu lassen, ist nicht überraschend, auch wenn eine weitere Zinssenkung bereits jetzt angemessen gewesen wäre. Die EZB erfüllt ihr Mandat der Preisstabilität praktisch schon heute wieder. Eine Punktlandung bei genau zwei Prozent Inflation wäre überambitioniert und zum Scheitern verurteilt, denn auch in den kommenden Jahren werden neue Schocks und Krisen die Inflation immer wieder temporär von diesem Ziel wegbringen. Die EZB hat mit ihrem entschiedenen Handeln nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine gezeigt, dass sie mit ihrer Geldpolitik erfolgreich ist – das schützt ihre Glaubwürdigkeit.
Es bestehen nach wie vor drei Risiken, die ein weiteres Absenken der Inflationsrate bis Ende 2025 verhindern könnten. Die Inflation bei Dienstleistungen dürfte wegen des Anpassungsprozesses erhöht bleiben. Auch höhere Lohnabschlüsse könnten einen Beitrag zur Inflation leisten. Beide Entwicklungen sind jedoch normale Aufholprozesse, die temporär sein dürften und damit zu keiner dauerhaft höheren Inflation führen sollten. Ein drittes Risiko ist die Finanzpolitik in manchen Ländern des Euroraums, die zu expansiv ist. Die Bundesregierung gibt sich mit ihrem restriktiven Bundeshaushalt 2025 jedoch alle Mühe, einen Kontrapunkt zu setzen, sodass die Finanzpolitik im Euroraum keinen signifikanten Beitrag zur Inflation leisten dürfte.
Eine weitere Zinssenkung wäre bereits jetzt angemessen gewesen, denn über die nächsten zwei Jahre ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation unter das Ziel von zwei Prozent fällt, höher als dass die Inflation deutlich darüber bleiben wird. Die politischen Turbulenzen in Europa, wie jetzt in Frankreich, aber allen voran eine Eskalation des politischen Konflikts in den USA und eine Wahl Donald Trumps könnten die Wirtschaft im Euroraum 2025 empfindlich schwächen. Diese wirtschaftlichen Risiken sollten nicht unterschätzt werden. Die EZB muss ein kluges Risikomanagement betreiben, auch da ihre Geldpolitik erst nach längerer Verzögerung ihre volle Wirkung entfaltet.
Themen: Geldpolitik