Statement vom 29. August 2024
Erstmals seit rund dreieinhalb Jahren ist die Inflationsrate in Deutschland unter die Zwei-Prozent-Marke gefallen. Es folgt eine Einordnung von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Der deutliche Rückgang der Inflation auf 1,9 Prozent ist eine gute Nachricht für Konsumentinnen und Konsumenten. Dies unterstreicht den Erfolg der Europäischen Zentralbank und ihrer Geldpolitik, die Inflation wieder schnell in den Griff zu bekommen und eine baldige Rückkehr zur Preisstabilität zu gewährleisten. Die EZB hat dies schneller geschafft als die meisten anderen Zentralbanken.
Trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn der Rückgang der Inflation ist nicht überall in der Eurozone so stark wie in Deutschland. Zudem dürfte vor allem die enttäuschende wirtschaftliche Erholung eine wichtige Erklärung für den deutlichen Rückgang der Inflation sein. Vor allem die schwache Konsumnachfrage in Deutschland ist eine der Kehrseiten des deutlichen Rückgangs der Inflation. Viele Menschen mit mittleren und geringen Einkommen haben trotz steigender Reallöhne noch immer weniger Kaufkraft als vor zwei oder drei Jahren. Eine Rückkehr zur Preisstabilität bedeutet nicht, dass Preise fallen, sondern dass sie lediglich nicht mehr weiter steigen. Ein positiver Aspekt ist der deutliche Rückgang der Energiekosten. Lebensmittelpreise bleiben jedoch nach wie vor sehr hoch und bedeuten eine erhebliche Belastung für Menschen mit geringen Einkommen.
Ich erwarte, dass die EZB im September die Zinsen erneut senken und ihren Pfad der Zinssenkung beschleunigen wird. Dies ist richtig, auch wenn wir uns noch ein oder zwei Jahre auf eine volatile Inflationsrate einstellen müssen. Auch die US-Notenbank wird nachziehen, wie auch andere Zentralbanken der Industrieländer. Die Bundesregierung sollte die wirtschaftliche Schwäche und den Rückgang der Inflation als Warnsignal verstehen und die Risiken einer zu restriktiven Finanzpolitik nicht unterschätzen.
Themen: Geldpolitik , Öffentliche Finanzen