„Fehlende Zuversicht bleibt größte konjunkturelle Bremse für deutsche Wirtschaft“

Statement vom 9. Oktober 2024

Zur Herbstprojektion 2024 der Bundesregierung äußert sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

BlockquoteDie Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose deutlich nach unten korrigiert. Wiederholt verzögert sich nun der wirtschaftliche Aufschwung und die Hoffnung auf eine rasche Kehrtwende wird enttäuscht. Die Prognose der Bundesregierung unterscheidet sich stark und sieht ein um 0,3 Prozentpunkte größeres Wachstum für das Jahr 2025 im Vergleich zu der Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung dürfte sich positiv auswirken, aber vermutlich nicht so stark wie von der Bundesregierung erhofft. Und auch die Unsicherheit bleibt weiterhin hoch und dürfte die Erholung von Investitionen und Konsum bremsen. 

Die größte Sorge ist, dass die wirtschaftliche Erholung sich auch in Zukunft weiter verzögern könnte und die deutsche Wirtschaft empfindliche Rückschläge einstecken muss. Die Kriege in der Ukraine und im Mittleren Osten könnten Energiekosten und Rohstoffpreise deutlich erhöhen und somit vor allem die deutsche Industrie weiter schwächen. Das zweite unterschätzte Risiko sind die Konsequenzen einer Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, was die globalen Handelskonflikte intensivieren und die deutschen Exporte empfindlich treffen dürfte. 

Die größte konjunkturelle Bremse für die deutsche Wirtschaft bleibt der große Pessimismus und die fehlende Zuversicht, sowohl der Unternehmen als auch der Bürgerinnen und Bürger. Vor allem die Industrie leidet unter einer großen Unsicherheit bei der Regulierung, fehlenden Fachkräften und hohen Energiekosten. Und Bürgern fehlt das Vertrauen, so dass viele ihre deutlich gewachsenen realen Einkommen eher auf die hohe Kante legen. 

Die neue Konjunkturprognose macht einen starken wirtschaftlichen Impuls der Finanzpolitik dringender denn je. Unternehmen wie Bürgerinnen und Bürger brauchen finanzielle Entlastungen und der Staat muss deutlich mehr Geld für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Innovation in die Hand nehmen. Die Schuldenbremse wird immer mehr zum größten Hemmnis für eine schnellere und dauerhafte wirtschaftliche Erholung. Die neue Konjunkturprognose vergrößert das Dilemma für die Bundesregierung: Sie muss einerseits eine expansivere Finanzpolitik umsetzen, andererseits entwickeln sich die Steuereinnahmen schwächer als erwartet. Daher könnte die Bundesregierung perverserweise gezwungen sein, noch stärkere Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 zu tätigen und somit die Wirtschaft weiter zu schwächen.

Themen: Konjunktur

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