DIW Wochenbericht 5 / 2025, S. 72
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Die Bauwirtschaft ist in den letzten Jahren stark gebeutelt worden. Begonnen hat die Talfahrt 2022: Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine explodierten zunächst die Energiepreise, wenig später erreichte die Inflation lange nicht mehr gesehene Ausmaße. Die Europäische Zentralbank erhöhte daraufhin zur Bekämpfung der Inflation die Leitzinsen.
Besonders hart traf die Zinserhöhung den Wohnungsbau. Aufgrund der langen Lebensdauer von Wohngebäuden sind die Fremdfinanzierungsanteile im Vergleich zu anderen Investitionen sehr hoch. Der sprunghafte Anstieg der Zinslast führte zu einer Schockstarre im Wohnungsbau. Die Antragszahlen für den Neubau brachen ein, genehmigte Bauvorhaben wurden verschoben, vereinzelt wurden sogar begonnene Bauarbeiten unterbrochen. Mit der Folge, dass das reale – also preisbereinigte – Neubauvolumen im Wohnungsbau 2022 und 2023 im Vergleich zum Vorjahr jeweils um fast zehn Prozent sank. 2024 dürfte der Rückgang sogar knapp über zehn Prozent gelegen haben.
Für das laufende Jahr zeichnet sich allerdings Besserung ab. So stiegen Ende 2024 die Auftragseingänge im Wohnungsbau deutlich. Private Haushalte wie institutionelle Investoren haben sich an das neue Zinsumfeld gewöhnt. Mehr noch: Die Kreditzinsen für Wohnbauten sind sehr stabil. Ein Warten auf geringere Zinsen ist kein Anreiz mehr. Auch die Erwartung, dass die Immobilienpreise weiter fallen, hat stark abgenommen. Gleichzeitig legen die Bestandsmieten insbesondere in den Städten weiter spürbar zu. Die Alternative Neubau wird also attraktiver. In den Werten des Wohnungsbauvolumens wird sich die im Jahresverlauf einsetzende Erholung allerdings nur allmählich niederschlagen. Im Jahresdurchschnitt 2025 dürfte das Neubauvolumen sogar real noch um knapp zwei Prozent sinken. Erst im kommenden Jahr werden wir wohl in der Summe ein Wachstum des realen Wohnungsneubauvolumens sehen, dann aber um kräftige knapp fünf Prozent.
Makroökonomisch war die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank – wenn man das so bezeichnen möchte – ein voller Erfolg. Nahezu lehrbuchmäßig führte die Leitzinserhöhung zu einer Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, was wiederum den Inflationsdruck verringerte. Nach Spitzenwerten von fast zehn Prozent liegt die Inflationsrate in Deutschland heute mehr oder weniger im Zielkorridor von rund zwei Prozent.
Doch die Rechnung für diesen Erfolg hat insbesondere der Wohnungsbau bezahlt. Selbst wenn 2026 wieder positive Wachstumsraten erzielt werden, liegt das reale Bauvolumen im Wohnungsneubau noch um rund 25 Prozent unter dem Spitzenwert von 2020. Und schon damals wurden mit gut 300000 Wohneinheiten weit weniger Wohnungen fertiggestellt als die von der Bundesregierung als notwendig erachteten 400000 Einheiten. Die Lücke zwischen Baubedarf und Bauleistung ist also in den letzten Jahren noch größer geworden. Insbesondere Wohnraum in den Städten ist so knapp und teuer wie seit Langem nicht mehr. Menschen, die in Berlin, Hamburg, München oder Köln eine neue Bleibe suchen, scheinen daran manchmal zu verzweifeln. Die Konkurrenz um Wohnraum wird zum sozialen Sprengstoff und macht das Zusammenleben zunehmend schwieriger.
Will man dem Problem zeitnah entgegentreten, ist ein Sofortprogramm für den sozialen Wohnungsbau unumgänglich. Aufgabe einer neuen Bundesregierung wäre es nicht nur, gezielt den Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten mehr Finanzmittel bereitzustellen, sondern auch für eine schnelle Umsetzbarkeit zu sorgen. Zum einen muss dazu der rechtliche Rahmen für eine beschleunigte Umsetzung geschaffen werden, beispielsweise über Sonderregelungen angelehnt an Generalklauseln im Baugesetzbuch, die beim Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte zur Anwendung kamen. Zum anderen muss mehr knappes Bauland verfügbar gemacht werden. Dabei gilt es, insbesondere die vielen im Eigentum des Staates befindlichen Grundstücke in den Ballungsräumen gezielt für den Wohnungsbau im bezahlbaren Segment einzusetzen.
Der Beitrag ist in kürzerer Fassung am 21. Januar 2025 in der Fuldaer Zeitung erschienen.
Themen: Immobilien und Wohnen