Stop-and-Go-Politik bei der Energiewende vermeiden: Interview

DIW Wochenbericht 7 / 2025, S. 96

Wolf-Peter Schill, Erich Wittenberg

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Herr Schill, bei der Energiewende geht es um den Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Industrie, aber auch um die Wärmeversorgung. In welchem Bereich ist die Dynamik am größten? Das sind die Bereiche, auf die wir uns im Ampel-Monitor Energiewende fokussiert haben – die Energiewende insgesamt ist sogar noch etwas breiter angelegt. Unter den Technologien, die wir uns hier angeschaut haben, ist es beim Ausbau der Solarenergie eindeutig am besten gelaufen. Da liegt der Ausbau im Moment sogar über dem angepeilten Zielpfad.

Wo liegt der Ausbau unter dem angepeilten Zielpfad? Bei der Windkraft läuft es sowohl an Land als auch auf See noch nicht so gut. Allerdings hat sich da im Hintergrund unheimlich viel getan. Zwar liegt die Windkraft, was den Ausbau angeht, etwas hinter dem Ziel zurück, ist aber in Bezug auf einige Frühindikatoren, die den künftigen Ausbau anzeigen, ziemlich gut aufgestellt. Zum Beispiel gab es im letzten Jahr eine Rekordzahl an neuen Genehmigungen für Windkraftanlagen.

Bei der Elektromobilität läuft es auch nicht gut, oder? Bei der Elektromobilität wie auch bei anderen Sektorenkopplungsoptionen läuft es tatsächlich deutlich langsamer. Bei den E-Autos hat sich die Ampel ein recht ambitioniertes Ziel von 15 Millionen im Jahr 2030 gesetzt. Im Moment haben wir erst gut zehn Prozent davon. Das ursprüngliche Ziel ist eigentlich kaum mehr zu erreichen. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass es im Grunde keine wirklich kraftvollen Maßnahmen für den Markthochlauf von Elektroautos mehr gibt, seit die Kaufprämie aus Geldmangel eingestellt wurde.

Die gesetzlichen Vorgaben für den Einbau von Wärmepumpen und das Gebäudeenergiegesetz waren massiv in die Kritik geraten. Inwieweit hat das die Energiewende im Bereich Wärme zurückgeworfen? Ich denke, es hat die Wärmewende stark zurückgeworfen, denn wir haben leider im letzten und vorletzten Jahr deutlich mehr neue fossile Heizungen eingebaut als neue Wärmepumpen. Jede einzelne dieser fossilen Heizungen macht die Wärmewende langsamer und teurer. Zwar haben wir bei den Wärmepumpen deutlich mehr Zubau als zuvor während der GroKo, aber er liegt noch deutlich unter dem ambitionierten Ausbaupfad, den die Bundesregierung sich gesetzt hat.

Sind die Energiewende-Ziele der Ampel noch erreichbar? Die Ziele, die die Ampel sich gesetzt hat, passen zunächst einmal sehr gut zu aktuellen Klimaneutralitätsszenarien, die nicht nur bis 2030, sondern auch bis 2045 reichen. Das heißt, wenn man die Zielpfade verwirklichen würde, dann sollte man die Klimaneutralität im Jahr 2045 ungefähr erreichen können. Da wir aber teils deutlich hinter diesen Ausbauzielen zurückhängen, wird das schwierig, wenn wir nicht deutlich beschleunigen.

Aktuellen Umfragen zufolge wird es in Deutschland nach der Bundestagswahl einen Politikwechsel geben. Rechnen Sie mit einem Ausbremsen der Energiewende? Ich denke, dass die Gefahr eines Ausbremsens tatsächlich im Raum steht. Wir haben jetzt schon in Teilen der Öffentlichkeit und auch der Energiewirtschaft eine Diskussion, ob man diese ambitionierten Ziele nicht vielleicht doch wieder ein wenig abschwächen und ein wenig Tempo herausnehmen sollte. Ich hoffe, dass wir möglichst weitgehend den Kurs halten. Wir sollten auf jeden Fall vermeiden, dass es zu einer Art „Stop-and-Go-Politik“ bei der Energiewende kommt.

Die Ampel-Regierung gibt es ja nicht mehr. Was wird aus dem Ampel-Monitor Energiewende? Den Ampel-Monitor Energiewende in dieser Form frieren wir ein, sozusagen als historisches Dokument. Aber wir verfolgen die Energiewende weiter mit unserer noch viel größeren offenen Datenplattform, dem Open Energy Tracker, der auch dem Ampel-Monitor bereits zugrunde lag.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Wolf-Peter Schill
Stop-and-Go-Politik bei der Energiewende vermeiden - Interview mit Wolf-Peter Schill

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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