Der Solidaritätszuschlag ist dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nicht mehr mit den Kosten der deutschen Einheit zu rechtfertigen. Soweit er Unternehmensgewinne belastet, sollte er ersatzlos abgeschafft werden. Bei der persönlichen Einkommensteuer und den Kapitalertragsteuern sollten dagegen Entlastungen für Besser- und Hochverdienende vermieden werden. Der Solidaritätszuschlag könnte als „Wehrbeitrag“ zur Finanzierung der hohen Verteidigungsausgaben umgestaltet werden. Die Freigrenze könnte in einen echten Freibetrag umgewandelt und der Zuschlagssatz auf zum Beispiel acht Prozent erhöht werden. Dies würde Steuerpflichtige bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 178 000 Euro entlasten, Spitzenverdienende aber stärker belasten. Mit diesem erneuerten Solidaritätszuschlag ließe sich ein Aufkommen von knapp zehn Milliarden Euro im Jahr erzielen. Befristet auf zehn Jahre könnten damit knapp 100 Milliarden Euro Rüstungskosten finanziert werden.
Das Bundesverfassungsgericht verkündet am 26. März 2025 sein Urteil zum Solidaritätszuschlag.Verfahren 2 BvR 1505/20. Vgl. Pressemitteilung Nr. 81/2024 des Bundesverfassungsgerichts vom 26. September 2024 (online verfügbar, abgerufen am 24. März 2025. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Der Solidaritätszuschlag wurde 1991/1992 als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeführt. Seit 1995 wird er dauerhaft erhoben, um die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren. Dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist diese Begründung obsolet geworden.
Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 ist die finanzpolitische Bewältigung der Wiedervereinigung weitestgehend abgeschlossen. Zwar bestehen weiterhin moderate mittelbare vereinigungsbedingte Belastungen des Bundes.Kristina van Deuverden et al. (2023): Zeitlicher Rahmen für die weitere Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995. Politikberatung kompakt 193 (online verfügbar); Stefan Bach (2024): Solidaritätszuschlag abschaffen, Spitzensteuersätze erhöhen. DIW aktuell 98 (online verfügbar). Diese unterscheiden sich aber nicht mehr systematisch von regionalen Ungleichgewichten, wie sie in den alten Ländern oder zwischen den neuen Ländern anzutreffen sind. Die Belastungen können im bestehenden Steuer- und Finanzausgleich sowie den regionalpolitischen Förderinstrumenten reduziert werden. Gegen die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlags haben sechs bisherige Bundestagsabgeordnete der FDP Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Nach der aktuellen Steuerschätzung dürfte der Solidaritätszuschlag im Jahr 2025 ein Aufkommen von 12,5 Milliarden Euro erzielen (Tabelle).Vgl. die Ergebnisse der 167. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom Oktober 2024 (online verfügbar). Davon entfallen schätzungsweise 7,5 Milliarden Euro auf die persönliche Einkommensteuer (festgesetzte Einkommensteuer und nicht veranlagte Lohnsteuer) – also auf Arbeitseinkommen, Gewinneinkommen der Einzelunternehmen und Personengesellschaften, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Alterseinkünfte wie Renten und Pensionen. Seit 2021 wird der Solidaritätszuschlag auf die persönliche Einkommensteuer nur noch bei Steuerpflichtigen mit hohen Einkommen erhoben. Derzeit gilt eine Freigrenze von 73 500 Euro zu versteuerndem Einkommen. Dies entspricht bei einem Alleinstehenden mit den üblichen Abzügen einem Bruttoeinkommen von 89 000 Euro im Jahr, bei Ehepaaren oder Lebenspartnerschaften dem doppelten Betrag. Damit belastet der Solidaritätszuschlag auf die persönliche Einkommensteuer nur noch die einkommensstärksten fünf Prozent der Bevölkerung. Allein auf das einkommensstärkste Prozent entfallen 61 Prozent des Aufkommens.
Darüber hinaus wird der Solidaritätszuschlag auf nicht veranlagte Kapitalertragsteuern erhoben, also auf Zinserträge, Dividenden und ähnliche Gewinnausschüttungen. Von diesem Aufkommen entfallen im Jahr 2025 schätzungsweise 1,1 Milliarden Euro auf inländische private Haushalte, einschließlich privater Organisationen wie Kirchen und Vereine. Diese Belastungen betreffen auch Steuerpflichtige mit mittleren und höheren Einkommen, soweit sie abgeltungsteuerpflichtige Kapitalerträge erzielen und diese nicht in die Einkommensteuerveranlagung einbeziehen.
Körperschaftsteuerpflichtige – also Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (wie GmbH oder AG) oder Vereine und Stiftungen – zahlen schätzungsweise 3,6 Milliarden Euro Solidaritätszuschlag. Davon entfallen etwa drei Milliarden Euro auf inländische Anteilseigner von Kapitalgesellschaften und andere inländische Körperschaftsteuerpflichtige wie Vereine oder Stiftungen (Tabelle). Ausländische Steuerpflichtige zahlen schätzungsweise 0,9 Milliarden Euro des Solidaritätszuschlags – dies betrifft ausländische Anteilseigner inländischer Kapitalgesellschaften sowie ausländische Investoren, die der inländischen Kapitalertragsteuer unterliegen.Angenommen wird, dass 25 Prozent des Solidaritätszuschlagsaufkommens auf die Körperschaftsteuer auf ausländische Teilhabende der inländischen Kapitalgesellschaften entfällt, sowie zehn Prozent des Solidaritätszuschlagaufkommens auf die Kapitalertragsteuern.
Es besteht ein weitgehender Konsens unter den politischen Parteien, Unternehmen steuerlich zu entlasten, um Investitionen zu erleichtern und die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Mit einem tariflichen Gewinnsteuersatz von rund 30 Prozent liegt Deutschland im internationalen Vergleich relativ hoch. Das spricht dafür, den Solidaritätszuschlag für die Körperschaftsteuerpflichtigen ersatzlos zu streichen. Dies würde den tariflichen Gewinnsteuersatz um knapp einen Prozentpunkt senken. Darüber hinaus sollte der Solidaritätszuschlag auf Kapitalerträge beziehungsweise die Kapitalertragsteuer von Körperschaftsteuerpflichtigen nicht mehr erhoben beziehungsweise erstattet werden. Um auch Einzelunternehmen und Personengesellschaften analog zu entlasten, sollte die ermäßigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne im Rahmen der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG nicht mehr dem Solidaritätszuschlag unterliegen. Da von den Entlastungen bei der Unternehmensbesteuerung hohe positive Zweitrundeneffekte auf Investitionen und Wachstum zu erwarten sind, könnten sich die Steuerentlastungen zu einem größeren Teil selbst finanzieren (Tabelle).
Aufkommen und Verteilung des Solidaritätszuschlags 2025, geltendes Recht und Reformen
Langfristige Aufkommens- und Verteilungswirkungen, geschätzt für 2025
Reformen |
Erstrunden-Effekte |
Potenzielle Zweitrunden-effekte |
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Aufkommenswirkung je Jahr |
Verteilung nach Perzentilen Bruttoäquivalenzeinkommen |
||||||
untere 50 % |
50–90 % |
90–99 % |
Top 1 % |
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Milliarden Euro |
Prozent des BIP |
in Prozent |
Prozent Aufkommen |
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Komponenten Solidaritätszuschlag 2025 |
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Persönliche Lohn- und Einkommensteuer1 |
7,5 |
0,17 |
0 |
0 |
39 |
61 |
–30 |
Abgeltungsteuer inländische privater Haushalte und private Organisationen |
1,1 |
0,03 |
8 |
25 |
24 |
43 |
–20 |
Körperschaftsteuer2 inländische Teilhaber3 |
3,0 |
0,07 |
3 |
10 |
15 |
72 |
–40 |
Solidaritätszuschlag Inländer insgesamt |
11,6 |
0,26 |
2 |
5 |
31 |
62 |
–32 |
Körperschaftsteuer2 ausländische Teilhaber3 und Kapitalertragsteuern Ausländer |
0,9 |
0,02 |
|
|
|
|
–35 |
Solidaritätszuschlag insgesamt |
12,5 |
0,28 |
|
|
|
|
–32 |
Wirkungen Reform Solidaritätszuschlag |
|
|
|
|
|
|
|
Umwandlung Freigrenze in einen Freibetrag1 |
–2,1 |
–0,05 |
0 |
0 |
68 |
32 |
–25 |
Erhöhung Zuschlagssatz auf acht Prozent |
2,9 |
0,07 |
0 |
3 |
26 |
71 |
–35 |
Abschaffung Zuschlagssatz auf die Körperschaftsteuer2 inländischer Teilhaber3 |
–3,0 |
–0,07 |
3 |
10 |
15 |
72 |
–40 |
Solidaritätszuschlag Inländer insgesamt |
–2,2 |
–0,05 |
4 |
10 |
51 |
35 |
–32 |
Abschaffung Zuschlagssatz auf die Körperschaftsteuer2 ausländischer Teilhaber3 |
–0,6 |
–0,01 |
|
|
|
|
–40 |
Solidaritätszuschlag insgesamt |
–2,8 |
–0,06 |
|
|
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–34 |
Nachrichtlich: Aufkommen neuer Solidaritätszuschlag |
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|
|
|
|
|
|
Persönliche Lohn- und Einkommensteuer1 und Abgeltungsteuer Inländer |
9,4 |
0,21 |
1 |
4 |
27 |
68 |
–31 |
Kapitalertragsteuern Ausländer |
0,3 |
0,01 |
–30 |
||||
Solidaritätszuschlag insgesamt |
9,7 |
0,22 |
–31 |
1 Festgesetzte Einkommensteuer und nicht veranlagte Lohnsteuer.
2 Festgesetzte Körperschaftsteuer, vor Anrechnung von Kapitalertragsteuern und Ähnlichem.
3 Teilhaber inländischer Kapitalgesellschaften.
Quellen: Simulationen mit fortgeschriebenen Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2018/2019, der Körperschaftsteuerstatistik 2018/2019, des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 2022 (v39) sowie der Finanzstatistik und des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“.
© DIW Berlin 2025
Über Entlastungen bei der Unternehmensbesteuerung hinaus sollten angesichts der finanz- und steuerpolitischen Herausforderungen weitere Entlastungen von Besserverdienenden vermieden werden. Vielmehr sollten die knappen Mittel für Entlastungen der Erwerbseinkommen von Geringverdienenden und arbeitender Mitte konzentriert werden. Hierfür sprechen neben der Verteilungsdimension auch Wachstums- und Effizienzaspekte, da mit Blick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel die Arbeitsanreize in der Breite gestärkt werden. Bei hohen Arbeits- und Vermögenseinkommen sind die realwirtschaftlichen Anpassungsreaktionen der Steuerpflichtigen zumeist nicht sehr hoch – vorbehaltlich von Steuergestaltungen.Philipp Dörrenberg, Andreas Peichl und Sebastian Siegloch (2014): Sufficient Statistic or Not? The Elasticity of Taxable Income in the Presence of Deduction Possibilities. ZEW Discussion Paper No. 14-078 (online verfügbar); Clive Werdt (2015): The elasticity of taxable income for Germany and its sensitivity to the appropriate model. FU Berlin, Discussion Paper Economics 5 (online verfügbar).
Spitzenverdienende und Hochvermögende wurden in den letzten drei Jahrzehnten steuerlich entlastet. Für hohe Einkommen wurde der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer seit 1998 faktisch viermal abgeschafft, für Fälle mit Reichensteuersatz knapp dreimal.Im Jahr 1998 wurde der Solidaritätszuschlagssatz von 7,5 auf 5,5 Prozent gesenkt, dieser Satz gilt seitdem. Der Einkommensteuerspitzensatz lag 1998 noch bei 53 Prozent, einschließlich Solidaritätszuschlag waren es 55,9 Prozent.
Somit gilt: (0,53 – 0,42) * 1,055 / (0,53*0,055) = 3,98; beziehungsweise (0,53 – 0,45) * 1,055 / (0,53*0,055) = 2,9. Zugleich sind die hohen Einkommen in diesem Zeitraum deutlich stärker gestiegen als die Durchschnittseinkommen.Markus M. Grabka (2025): Einkommensverteilung: Anzeichen für Trendbruch beim Armutsrisiko – Alleinerziehende seltener von Armut bedroht. DIW Wochenbericht Nr. 8, 103–113 (online verfügbar). Geringverdienende und die arbeitende Mitte wurden durch höhere indirekte Steuern und steigende Sozialbeiträge belastet.
© DIW Berlin
Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sollte daher durch eine Anhebung des Spitzen- und Reichensteuersatzes im Einkommensteuertarif kompensiert werden, zum Beispiel auf 44,3 Prozent und 47,5 Prozent. Durch die Abschaffung der Freigrenzen-Milderungszone würden die Steuerpflichtigen mit Solidaritätszuschlag um schätzungsweise 2,1 Milliarden Euro entlastet (Tabelle, Abbildung).In der Milderungszone wird die Grenzbelastung des Solidaritätszuschlags auf 11,9 Prozent des Grenzsteuersatzes der Einkommensteuer begrenzt. Damit soll der „Fallbeileffekt“ der Freigrenze reduziert werden. Bei geringfügig die Freigrenze übersteigenden Bemessungsgrundlagen wird der Zuschlag auf die gesamte Bemessungsgrundlage auch unterhalb der Freigrenze erhoben. Ohne Milderung würde die (Grenz-)Belastung auf die zusätzliche Bemessungsgrundlage extrem hoch ausfallen. Der „Besserverdienenden-Prellbock“ durch den vorübergehenden Anstieg der Grenzbelastung um knapp drei Prozentpunkte in der Milderungszone würde damit vermieden.Im Einzelfall kann es bei einer Integration des Solidaritätszuschlags in den Einkommensteuertarif zu weiteren Belastungsverschiebungen kommen, da sich der wegfallende Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte Einkommensteuer bezieht und nicht auf die tarifliche Einkommensteuer, die durch die Integration in den Einkommensteuertarif erhöht würde. Vgl. dazu Sven Stöwhase und Martin Teuber (2014): Ist eine Integration des Solidaritätszuschlags in den Einkommensteuertarif möglich? Wirtschaftsdienst 12 (online verfügbar); Clemens Fuest et al. (2015): Integration des Solidaritätszuschlags in die Einkommensteuer. Verteilungs- und Aufkommenswirkungen. Wirtschaftsdienst 5 (online verfügbar). Für Personenunternehmen sollte der Sondersteuersatz die Thesaurierungsbegünstigung nicht erhöht werden, dass sie bei der Investition von Gewinnen nicht von der Spitzensteuersatzerhöhung betroffen wären.
Dies würde zu einer dauerhaften Erhöhung der Spitzensteuersätze führen. Zudem würde sich die föderale Verteilung des Steueraufkommens verschieben, da am Aufkommen der Einkommensteuer die Länder zu 42,5 Prozent und die Gemeinden zu 15 Prozent beteiligt sind. Insofern müsste gegebenenfalls die Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Gebietskörperschaften angepasst werden.
Aus der finanz- und wirtschaftspolitischen Perspektive erscheint es naheliegender, den Solidaritätszuschlag als „Wehrbeitrag“ zur Finanzierung der hohen Verteidigungsausgaben zu erneuern. Steuerhistorische Reminiszenz ist zum einen der Wehrbeitrag 1913.Damit refinanzierte das Reich die hohen Ausgaben für Flottenrüstung und Heeresverstärkung im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Die einmalige Abgabe belastete neben hohen Vermögen auch hohe Einkommen progressiv mit bis zu acht Prozent. Marc Buggeln (2022): Das Versprechen der Gleichheit. Steuern und soziale Ungleichheit in Deutschland von 1871 bis heute. Berlin, Suhrkamp, 172 ff. (online verfügbar); Fritz Karl Mann (1928): Wehrbeitrag. Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 4. Auflage, 8. Band. Jena, Fischer, 951–960. Zum anderen wurde die Einführung des Solidaritätszuschlags 1991/1992 mit den Unterstützungsleistungen für den Irakkrieg begründet.
Das Steueraufkommen würde dann weiterhin dem Bund zufließen. Politisch und verfassungsrechtlich lässt sich dies gut begründen. Es ist weitgehend unbestritten, dass aufgrund der finanziellen Herausforderungen zur Stärkung der Landesverteidigung ein Sonderbedarf des Bundes besteht. Auch unter dem Gesichtspunkt der fiskalischen Nachhaltigkeit spricht vieles dafür, die anstehenden Rüstungsanstrengungen mittelfristig durch Steuererhöhungen zu refinanzieren, sofern Einsparungen im Bundeshaushalt nicht darstellbar sind. Anders als Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Forschung führen erhöhte Verteidigungsausgaben nicht oder nur in deutlich geringerem Umfang zu einem höheren Potenzialwachstum – sie finanzieren sich also nur zu einem geringen Teil selbst.
Insofern könnte der Gesetzgeber eine neue Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG beschließen, die nur auf die Einkommensteuer, nicht aber auf die Körperschaftsteuer erhoben wird. Sie sollte gesetzlich befristet werden, zum Beispiel auf zehn Jahre, um wirtschaftspolitische Bedenken gegen eine dauerhafte Erhebung von vornherein zu begrenzen.
Die Steuertechnik des Solidaritätszuschlags kann beibehalten werden. Die Bemessungsgrundlagen könnten jedoch den steuer- und finanzpolitischen Herausforderungen angepasst werden. So sollte die Freigrenze in einen echten Freibetrag umgewandelt werden. Damit würde der „Besserverdienenden-Prellbock“ mit einer Grenzbelastung von 47 Prozent in der Milderungszone vermieden und die Steuerpflichtigen in der derzeitigen Milderungszone entlastet.
Im Gegenzug könnte der Zuschlagssatz auf acht Prozent angehoben werden, so dass der erneuerte Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer ein Aufkommen von 9,7 Milliarden Euro im Jahr erzielen könnte. Über einen Zeitraum von zehn Jahren könnten damit knapp 100 Milliarden Euro an Rüstungskosten finanziert werden.
Im Vergleich zum heutigen Solidaritätszuschlag auf die persönliche Einkommensteuer würde damit innerhalb der oberen fünf Prozent der Einkommensverteilung umverteilt. Die „armen Reichen" würden bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 178 000 Euro entlastet. Innerhalb der Milderungszone würde der Grenzsteuersatz von derzeit knapp 47 Prozent auf 45,4 Prozent reduziert, jenseits der Milderungszone stiege der Grenzsteuersatz allerdings von derzeit 44,3 Prozent auf ebenfalls 45,4 Prozent. Bei den Fällen mit Reichensteuersatz (ab einem zu versteuernden Einkommen von 278 000 Euro) stiege die Grenzbelastung von 47,5 auf 48,6 Prozent. Negative Zweitrundeneffekte könnten die Aufkommenswirkungen um bis zu 30 Prozent verringern. Dem stehen jedoch stimulierende Effekte aus der Senkung der Unternehmensbesteuerung gegenüber.
Auch Kapitalanlegende würden durch den höheren Zuschlagssatz der Abgeltungsteuer stärker belastet, soweit diese nicht in die Veranlagung einbezogen wird. Dies betrifft Steuerpflichtige mit mittleren und höheren Einkommen, die ihre Kapitaleinkünfte nicht in die Einkommensteuerveranlagung einbeziehen. Dies sind aber in der Regel keine Armen. Mittelfristig könnte man bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften zum Status quo ante zurückkehren und Kapitaleinkünfte zusammen mit dem übrigen Einkommen dem progressiven Einkommensteuertarif unterwerfen. Der hohe Freibetrag des Solidaritätszuschlags würde dann auch für Kapitaleinkünfte gelten.Stefan Bach und Hermann Buslei (2017): Abschaffung der Abgeltungsteuer und Rückkehr zur persönlichen Besteuerung führt zu Steuerausfällen und belastet hohe Einkommen kaum. DIW Wochenbericht Nr. 45, 1016–1025 (online verfügbar).
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