Statement vom 7. April 2025
Die Handelsminister*innen der Europäischen Union kommen heute zusammen, um über Reaktionen auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle zu beraten. Es folgt eine Einschätzung von Tomaso Duso, Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte im DIW Berlin:
Eine Reaktion auf US-Zölle mit Gegensanktionen gegen US-Technologiekonzerne wie Google, Amazon oder Apple ist mit Vorsicht zu bewerten. Der gezielte Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente - etwa in Form einer Digital Services Tax (DST) - kann zwar ein ergänzender strategischer Hebel sein, sollte aber nicht als handelspolitisches Druckmittel missbraucht werden. Eine DST dient primär dazu, eine gerechtere Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu gewährleisten und bestehende Besteuerungslücken zu schließen - sie sollte daher nach sachlichen und nicht nach geopolitischen Kriterien ausgestaltet werden. Eine Instrumentalisierung solcher Maßnahmen im Rahmen eines Zollstreits birgt die Gefahr, wirtschaftliche Vergeltungsspiralen in Gang zu setzen, unter denen auch europäische Unternehmen leiden könnten.
Auch bei regulatorischen und wettbewerbspolitischen Maßnahmen ist größte Vorsicht geboten: Der Digital Markets Act (DMA), der Digital Services Act (DSA) und das europäische Wettbewerbsrecht wurden geschaffen, um faire Wettbewerbsbedingungen im digitalen Binnenmarkt zu gewährleisten. Diese Instrumente dürfen nicht zur handelspolitischen Verhandlungsmasse degradiert werden - ihre unabhängige und strikte Anwendung ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch zentral für die digitale Souveränität Europas.
Statt auf kurzfristige Druckmechanismen zu setzen sollte die EU langfristig in ihre digitale Wettbewerbsfähigkeit investieren. Der Aufbau strategischer Alternativen zu marktbeherrschenden US-Konzernen - etwa durch einen europäischen KI-Stack oder Cloud-Infrastrukturen - ist ein sinnvoller und notwendiger Weg, um technologische Abhängigkeiten zu reduzieren. Ein „deutsches Google“ im engeren Sinne erscheint zwar aufgrund bestehender Netzwerkeffekte und Marktkonzentrationen wenig realistisch. Europa kann aber gezielt eigene digitale Angebote in ausgewählten Schlüsseltechnologien vorantreiben - etwa in den Bereichen KI, Cloud oder Cybersicherheit.
Bürokratische Hürden, mangelnde Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und unzureichende Risikokapitalfinanzierung stellen jedoch nach wie vor strukturelle Hindernisse dar. Um hier Fortschritte zu erzielen, bedarf es vor allem der Vollendung des Binnenmarktes und der Kapitalmarktunion. Darüber hinaus wäre eine europaweit abgestimmte, wettbewerbsfreundliche, effiziente und transparente Förderstrategie hilfreich. Dem Protektionismus kann Europa am besten begegnen, indem es seine wirtschaftliche Resilienz stärkt - nicht durch Eskalation, sondern durch strategische Unabhängigkeit.