08. April 2014, Florian Szücs fszuecs@diw.de
Untersuchungen zu den Auswirkungen von Fusionen auf Firmen und Märkte stehen bereits seit langem im Brennpunkt wirtschaftspolitischen und akademischen Interesses. Aufgrund der engen Verknüpfung von Innovation, Wachstum und Konsumentenwohlfahrt ist für die Wettbewerbspolitik insbesondere die Frage nach dem Effekt auf das Innovationsverhalten der Firmen relevant.
Wettbewerbsbehörden im Allgemeinen und so auch die Generaldirektion „Wettbewerb" der Europäischen Kommission (EK) haben unter anderem die Aufgabe, von Firmen beabsichtigte Fusionsvorhaben zu prüfen. Ziel dieser Prüfung ist es festzustellen, ob die Fusion mit einem sogenannten Konsumentenwohlfahrtsstandard kompatibel, das heißt für die Konsumenten in den betroffenen Märkten vorteilhaft, ist. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Fusion die wettbewerbsschädigenden übersteigen und somit eine Reduktion des Marktpreises zu erwarten ist - das Fusionsvorhaben wird dann für „mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar" erklärt. Widrigenfalls kann die EK Auflagen verhängen oder die Fusion verbieten.
Die ex-ante Evaluierung von angemeldeten Fusionen und die Berechnung des Nettoeffekts ihrer zu erwartenden Auswirkungen auf die betroffenen Märkte ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Bei diesen Abwägungen nimmt die Kommission einen pragmatischen Standpunkt ein: Faktoren, welche nur schwer zu quantifizieren sind, werden nur berücksichtigt, wenn ihre Relevanz für den konkreten Fall nachgewiesen werden kann. So liegt beispielsweise die Beweislast für durch die Fusion zu erzielende Effizienzgewinne, welche eine prinzipiell wettbewerbsschädigende Fusion wieder „vereinbar" machen können, auf Seiten der Firmen.
Die Auswirkungen auf den Innovationswettbewerb im betroffenen Markt, sowohl kurz- als auch mittel- und langfristig betrachtet, sind noch wesentlich schwieriger vorherzusagen, geschweige denn zu beweisen, und fließen daher im Allgemeinen nicht in das Kalkül der Kommission ein. Dies führt dazu, dass einer der wohl entscheidendsten Faktoren für die Entwicklung der Konsumentenwohlfahrt von der Wettbewerbsbehörde nicht berücksichtigt wird: Die ökonomische Literatur, von Schumpeter bis Arrow, lässt wenig Zweifel daran, dass die Rolle des dynamischen Wettbewerbs - also des von Produktinnovation getragenen Selektionsprozesses unter den konkurrierenden Firmen - hierfür kaum zu übertreiben ist.
Die ökonomische Theorie liefert keine eindeutige Prognose zum Verhältnis von Fusion und Innovation. Zahlreiche gegenläufige Effekte sind am Werk und es ist nicht möglich theoretisch zu klären, ob positive (z.B. Komplementarität von Forschungsprojekten) oder negative Wirkungen (z.B. Reduktion des Forschungswettbewerbs durch Eliminierung eines innovativen Wettbewerbers) dominieren (siehe Veugelers (2006)). Auch die fundamentalere Frage nach dem Zusammenhang von Wettbewerb und Innovation bedarf noch weiterer Forschungsarbeit (Aghion et al., 2005).
Der Vielzahl theoretischer Vorhersagen entsprechend nehmen die meisten empirischen Studien einen agnostischen Standpunkt im Hinblick auf die zu erwartenden Ergebnisse ein. Verschiedene Ansätze kommen dabei zur Anwendung: Vorher/Nachher Vergleiche, quasiexperimentelle Studien, welche mittels Matching eine nicht-fusionierende Kontrollgruppe generieren und dann den Effekt relativ zu dieser messen, sowie mathematische Modelle, welche die Entscheidung der Firmen zu forschen und zu fusionieren abbilden. Im Folgenden werden einige Arbeiten besprochen, welche den Stand der Forschung widerspiegeln.
Ornaghi (2009) analysiert 27 Fusionen zwischen Pharmaunternehmen im Hinblick auf ihre Auswirkung auf Innovationsindikatoren. Seine Ergebnisse weisen darauf hin, dass in den Jahren nach der Fusion sowohl die Innovationsbemühungen (FuE Input) als auch die Innovationsleistungen (FuE Output) der Unternehmen sinken und er kommt zu dem Schluss, dass durch die Fusionen weder Synergien noch Skalenerträge realisiert werden konnten.
Stiebale und Reize (2011) und Stiebale (2013) untersuchen den Einfluss von grenzübergreifenden Fusionen auf kaufende bzw. gekaufte deutsche Unternehmen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Innovationstätigkeiten von gekauften Firmen nachlassen, während sich jene von Käufern nach der Fusion verstärken.
Ahuja und Katila (2001) unterscheiden technologisch-motivierte Fusionen von nichttechnologischen Fusionen. Sie untersuchen 534 Akquisitionen und beobachten, dass erstere die Innovationsleistung von Unternehmen verbessern, während das bei zweiteren nicht der Fall ist. Cloodt et al. (2006) verwenden einen ähnlichen Ansatz um vier Hochtechnologieindustrien zu untersuchen. Sie erhalten kompatible Ergebnisse für technologisch-motivierte Fusionen, finden jedoch negative Innovationseffekte für nichttechnologische Fusionen.
Desyllas und Hughes (2010) untersuchen 2624 akquirierende Firmen. Ihre Resultate zeigen, dass die Forschungsintensität dieser Firmen direkt nach den Fusionen fällt, jedoch nach drei Jahren wieder über das ursprüngliche Niveau hinaus steigt. Auch diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass technologisch verwandte Firmen eine bessere Entwicklung aufweisen. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Unternehmen mit verwandten Forschungsprogrammen höhere Komplementaritätseffekte erzielen können. Ähnlich argumentieren auch Cassiman et al. (2005), deren Ergebnisse zeigen, dass Firmen mit komplementären (substitutiven) Technologieportfolios ihre FuE Bemühungen erhöhen (verringern).
Szücs (PDF, 303.26 KB) (2014) unterscheidet zwischen Käufern und gekauften Unternehmen in großen Fusionen und untersucht die Entwicklung ihrer Forschungsintensität relativ zu einer Kontrollgruppe. Während beide Gruppen fusionierender Firmen ihre Forschungsbemühungen signifikant reduzieren ist der Effekt, wie Abbildung 1 zeigt, bei den Zielfirmen stärker als bei den Käufern.
FuE Intensität von Käufer und Ziel vor und nach der Fusion; Quelle: Szücs (PDF, 303.26 KB)(2014), Fig. 3.
Bertrand (2009) schließlich analysiert, ebenfalls unter Verwendung einer Kontrollgruppe, 123 französische Firmen, welche von ausländischen Investoren gekauft wurden und kommt zu dem Schluss, dass diese drei Jahre nach der Fusion mehr in Forschung investieren als zuvor.
Die empirische Literatur zur Frage nach dem Zusammenhang zwischen Fusionen und Akquisitionen und dem Innovationsverhalten der davon betroffenen Firmen hat - das zeigt der Überblick - bisher keine eindeutige Antwort auf diese politisch ausgesprochen relevante Frage liefern können. Dennoch scheint sich für gewisse Teilfragen ein Konsens herauszukristallisieren. So ist zum Beispiel der Grad technologischer Verwandtschaft von Käufer und Ziel eine aussagekräftige Determinante der Forschungsleistung nach der Fusion. Auch finden mehrere Studien sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Käufer und Ziel in einer Transaktion; diese Heterogenität muss sowohl von weiterer Forschung als auch von wettbewerbspolitischen Entscheidungsträgern berücksichtigt werden.
Methodologisch ist anzumerken, dass ältere Studien oft einfache Vorher/Nachher Vergleiche heranziehen, während modernere Beiträge tendenziell ein quasiexperimentelles Szenario, also eine Kombination von Matching-Methoden und einem Differenz-in-Differenz Ansatz bevorzugen.
Die konkreten strukturellen Faktoren eines Marktes und einer Konstellation von Käufer und Ziel, welche einer Erhöhung der Forschungstätigkeit zuträglich sind, stellen ein relevantes und vielversprechendes Feld für zukünftige Forschungstätigkeit dar.
Aghion, P., Bloom, N., Blundell, R., Griffith, R., Howitt, P., 2005. Competition and innovation: An inverted-u relationship. The Quarterly Journal of Economics 120 (2), 701-728.
Ahuja, G., Katila, R., 2001. Technological acquisitions and the innovation performance of acquiring firms: A longitudinal study. Strategic Management Journal 22 (3), 197-220.
Bertrand, O., 2009. Effects of foreign acquisitions on R&D activity: Evidence from firm-level data for France. Research Policy 38 (6), 1021-1031.
Cassiman, B., Colombo, M., Garrone, P., Veugelers, R., 2005. The impact of M&A on the R&D process: An empirical analysis of the role of technological-and market-relatedness. Research Policy 34 (2), 195 - 220.
Cloodt, M., Hagedoorn, J., Van Kranenburg, H., 2006. Mergers and acquisitions: Their effect on the innovative performance of companies in high-tech industries. Research Policy 35 (5), 642-654.
Desyllas, P., Hughes, A., 2010. Do high technology acquirers become more innovative? Research Policy 39 (8), 1105-1121.
Ornaghi, C., 2009. Mergers and innovation in big pharma. International Journal of Industrial Organization 27 (1), 70-79.
Stiebale, J., 2013. The impact of cross-border mergers and acquisitions on the acquirers' R&D Firmlevel evidence. International Journal of Industrial Organization 31 (4), 307 - 321.
Stiebale, J., Reize, F., 2011. The impact of FDI through mergers and acquisitions on innovation in target firms. International Journal of Industrial Organization 29 (2), 155-167.
Szücs, 2014, M&A and R&D: Asymmetric Effects on Acquirers and Targets? (PDF, 303.26 KB), Research Policy, im Erscheinen.
Veugelers, R., 2006. M&A and innovation: a literature review. in: Mergers and Acquisitions: The innovation impact, 37-62.
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111788