Pressemitteilung vom 6. Dezember 2017
DIW-Studie untersucht Effekte verschiedener Ausstiegsszenarien aus EZB-Anleihekaufprogramm auf europäische Wirtschaft – Frühzeitiger Abbau würde vor allem auf Inflationsrate drücken
Was wäre, wenn die EZB ihr Anleihekaufprogramm noch stärker als Ende Oktober angekündigt reduziert oder den Bestand schneller oder frühzeitiger abbaut? Welche Auswirkungen dies für das Wirtschaftswachstum und die Inflation im Euroraum hätte, haben die DIW-Ökonomen Marius Clemens, Stefan Gebauer und Malte Rieth untersucht.
Seit Januar 2015 kauft die Europäische Zentralbank vor dem Hintergrund sehr schwacher Preisdynamik Staatsanleihen von Eurostaaten auf. Der Bestand in den Händen der EZB ist inzwischen auf knapp zwei Billionen Euro angewachsen. Die Notenbank wird im Januar das monatliche Ankaufvolumen von 60 auf 30 Milliarden Euro reduzieren. „Nach und nach wird die EZB nicht nur den Ankauf noch weiter zurückfahren, sondern auch den Bestand abbauen müssen“, sagt Studienautor Marius Clemens. „Das kann sie tun, indem sie das Geld aus auslaufenden Anleihen nicht reinvestiert oder sogar die Anleihen vor Fälligkeit verkauft.“
Eindeutiger Befund der Simulationen
Um die Effekte aller drei Möglichkeiten zu berechnen, haben die Studienautoren ein dynamisch-stochastisches allgemeines Gleichgewichtsmodell speziell für den Euroraum entwickelt, das die Erwartungsbildung über die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik berücksichtigt. „Damit können wir simulieren, wie sich Änderungen im Ankaufprogramm der EZB auf die Wirtschaft im Euroraum auswirken“, erläutert Stefan Gebauer. Ausgegangen sind die DIW-Ökonomen dabei von einem Basisszenario, das der derzeitigen Situation ähnelt: Die EZB reduziert das Ankaufprogramm im Januar 2018 auf monatlich 30 Milliarden Euro und hält an der Niedrigzinspolitik fest.
Der Befund der Simulationen ist eindeutig: Alle drei simulierten Änderungen würden das Wirtschaftswachstum und die Inflation bremsen. Wenn die EZB ihr monatliches Ankaufvolumen 2019 noch mal von 30 auf 20 Milliarden Euro reduzierte, wäre der negative Effekt auf BIP-Wachstum und Inflation im ersten Jahr mit 0,01 Prozentpunkten im Vergleich zum Basisszenario allerdings kaum spürbar.
Deutlicher wären die Auswirkungen, wenn die Notenbank ihren Bestand abbaut. Simuliert wird zum einen, dass sie dies frühzeitiger als bisher erwartet macht, nämlich zwei statt vier Jahre nach Beendigung der Ankäufe, indem sie Geld aus auslaufenden Anleihen nicht reinvestiert. Dies könnte das BIP-Wachstum im ersten Jahr um 0,1 Prozentpunkte und die Inflationsrate um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Basisszenario verringern. Macht sie dies zum anderen schneller als erwartet, indem sie Anleihen vor Fälligkeit verkauft, dürften sowohl das BIP-Wachstum als auch die Inflationsrate im ersten Jahr um 0,1 Prozentpunkte im Vergleich zum jetzigen Basisszenario sinken.
Vor allem ein frühzeitiger Abbau des Anleihebestandes hätte demnach einen deutlichen negativen Effekt auf die Inflationsrate. „Dies sollte die Zentralbank mit berücksichtigen, wenn sie sich überlegt, wie sie ihren Bestand reduziert“, empfiehlt Studienautor Malte Rieth.
Themen: Europa , Geldpolitik , Konjunktur