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2019 wird ein gutes Jahr

Blog Marcel Fratzscher vom 3. Januar 2019

Was sind die wirtschaftlichen Aussichten für 2019? Ökonomen tun sich schwer mit Prognosen, selbst wenn sie die nahe Zukunft betreffen. Für 2018 hatten viele hohe, wie sich nun herausstellt, viel zu hohe Erwartungen. Aber auch auf dieser Enttäuschung fußt mein Optimismus für 2019. Denn viele Reformen, viele Entwicklungen bleiben unvollendet. Die Erwartungen an das abgelaufene Jahr 2018 waren hoch. Ökonomen hatten mit dem stärksten Wirtschaftswachstum in Deutschland seit Jahrzehnten gerechnet. Selten zuvor mussten diese Prognosen jedoch so massiv nach unten korrigiert werden. Ein unberechenbarer US-Präsident Trump, zunehmende geopolitische Konflikte und eine immer mehr die Kontrolle verlierende deutsche Automobilbranche haben das Vertrauen von Menschen und Unternehmen nachhaltig beschädigt. Diese politische Paralyse war wohl der gemeinsame Nenner der Weltpolitik – von einer auf Konflikt ausgerichteten US-Politik über die Unfähigkeit der britischen Regierung, sich auf ein Brexit-Modell zu einigen, bis hin zur Machterlangung einer populistischen und unerfahrenen Regierung in Italien.

Trotzdem, und vielleicht gerade wegen der Enttäuschungen im Jahr 2018, gibt es gute Gründe für Optimismus. Europa hat mit vielen jungen, arbeitslosen Menschen und ungenutztem Kapital ein riesiges, ungehobenes  wirtschaftliches Potenzial. Die Europawahl im Mai wird die Karten für die europäischen Reformen neu mischen und dürften eine neue EU-Kommission ins Amt bringen, die die Mitgliedsländer stärker in die Verantwortung nimmt. Auch Deutschland profitiert vom Aufschwung in Europa, sodass das Wirtschaftswachstum ähnlich gut wie in diesem Jahr sein sollte. Das Beschäftigungswunder wird sich fortsetzen, die Anzahl der Arbeitslosen wird wohl weiter sinken, und vor allem dürfte Deutschland weiterhin von der starken Zuwanderung aus anderen europäischen Ländern profitieren.

Das größte wirtschaftspolitische Risiko wird wohl weiterhin ein auf Krawall gebürsteter US-Präsident sein, der sich Europa und vor allem Deutschland als nächste Gegner in seinem Handelskonflikt aussuchen könnte. Das zweite große Risiko sind italienische Politiker, die gezeigt haben, dass sie gewillt sind, die Zukunft ihres Landes durch fehlende Reformen und ein Hinterfragen des Euro aufs Spiel zu setzen. Die Hoffnung ist, dass sie am Beispiel Griechenlands erkennen, dass eine solche Strategie nur Verlierer kennt, vor allem die Schwächsten im eigenen
Land.

Das dritte große wirtschaftspolitische Risiko für 2019 könnte die Stabilität der Finanzmärkte sein. Davon haben wir in den vergangenen Wochen einen Vorgeschmack bekommen. Die Zentralbanken haben angefangen, den Investoren ihre Liquiditätsdroge zu entziehen. Der Finanzmarktboom der vergangenen Jahre hat zum Teil zu massiv überhöhten Vermögenspreisen geführt, sodass eine deutliche Korrektur unausweichlich erscheint.

Trotz dieser Risiken stehen die Chancen gut, dass 2019 zumindest wirtschaftspolitisch ein gutes Jahr wird, gerade für Deutschland. Denn bei allen Risiken gibt es auch große Chancen. So könnten die Bundesregierung nach überstandenen Querelen und eine Bundeskanzlerin, die nun weniger zu verlieren und mehr zu gewinnen hat, den Mut entwickeln, die wirklich wichtigen Zukunftsreformen – bei der Digitalisierung, bei Investitionen, den Sozialsystemen und vor allem für Europa zusammen mit dem französischen Präsidenten Macron – nun endlich anzugehen. Mit diesem Mut zu Entscheidungen und zu mehr Verantwortung, und mit etwas Glück, könnte die Bundesregierung wichtige Reformen auf den Weg bringen, die Deutschlands gesellschaftliche Polarisierung reduzieren und Deutschland und Europa wieder mehr einen.

Themen: Konjunktur

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