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„Ende des Burgfriedens schadet vor allem Italien“

Statement vom 5. Juni 2019

Die EU-Kommission hat entschieden, erneut ein Defizitverfahren gegen Italien anzustreben. Dazu ein Statement von Stefan Gebauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Konjunkturpolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Experte für die italienische Wirtschaft:

BlockquoteNachdem sich die EU-Kommission Ende des vergangenen Jahres noch zu einem Kompromiss mit der italienischen Regierung durchgerungen hatte, stellt sie dieser nun ein schlechtes Zeugnis aus und strebt erneut die Eröffnung eines Defizitverfahrens an. Die im vergangenen Jahr ergriffenen Maßnahmen zur Haushaltsstabilisierung reichen nach Einschätzung der Brüsseler Behörde nicht aus, die Schuldenlast wird relativ zur Wirtschaftsleistung wohl auch in diesem Jahr steigen. Zwar hat der italienische Innenminister unmittelbar angekündigt, in einem erneut aufflammenden Haushaltsstreit mit Brüssel hart bleiben und die im Winter ausgehandelten Ziele zur Neuverschuldung deutlich überschreiten zu wollen. Allerdings steckt die Regierungskoalition selbst in der Krise, auch mit Blick auf neuen Ärger mit der EU tritt sie bei weitem nicht geschlossen auf. Möglich, dass die lauten Töne aus Rom wie schon im vergangenen Winter verstummen, sobald die ökonomischen Kosten einer Konfrontation mit Brüssel aus dem Ruder zu laufen drohen. Zwar stehen mögliche Sanktionen erst am Ende eines langwierigen Verfahrens, jedoch könnten ein weiterer Vertrauensverlust und damit einhergehend höhere Refinanzierungskosten an den Finanzmärkten diese Kosten schnell steigen lassen. Letztlich schadet das Ende des Burgfriedens mit der EU-Kommission also vor allem Italien. Statt eine erneute Eskalation des Konflikts mit der EU zu provozieren und ökonomische Nebelkerzen wie eine potenzielle Parallelwährung in Form bargeldähnlicher Schuldscheine zu werfen, sollte sich die italienische Regierung zügig um eine nachhaltige Verbesserung der weiterhin schwachen wirtschaftlichen Entwicklung bemühen. Für diese wäre ein neuerlicher Anstieg der politischen Unsicherheit ohnehin Gift.

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