DIW Wochenbericht 29 / 2019, S. 499-506
Peter Gründling, Markus M. Grabka
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Wohnraum wird in weiten Teilen Deutschlands, in erster Linie in Städten und Ballungsräumen, immer teurer. Die günstigen Zinsen lassen den Immobilienerwerb zwar auf den ersten Blick erschwinglich erscheinen. Viele Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen konnten allerdings der Immobilienmarktentwicklung nicht hinterher sparen und in ausreichendem Maße Eigenkapital aufbauen. Gleichzeitig ist der Anteil der Haushalte, die in selbstgenutztem Wohneigentum leben, in Deutschland schon heute der geringste in der Europäischen Union. In diesem Bericht wird daher ein Mietkaufmodell vorgeschlagen, das mit staatlicher Unterstützung mehr Haushalten als bisher den Erwerb von Wohneigentum ermöglichen soll. Die potentiellen Vorteile sind vielfältig: Nicht nur würden Haushalte durch stabile Rückzahlungsraten vor steigenden Wohnkosten infolge höherer Mieten geschützt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre durch eine höhere Eigentümerquote beispielsweise auch ein Rückgang der in Deutschland relativ hohen Vermögensungleichheit zu erwarten. Da die im Modell vorgesehenen staatlichen Investitionen mittelfristig in Form von Rückzahlungen der MietkäuferInnen an den Staat zurückfließen, würde es sich zudem nicht nur um ein sehr effektives, sondern auch kostengünstiges Instrument handeln, um die Bildung von Wohneigentum zu fördern.
Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Vermögensungleichheit im Euroraum.Vgl. Carlotta Balestra und Richard Tonkin (2018): Inequalities in household wealth across OECD countries: Evidence from the OECD Wealth Distribution Database. OECD Statistics Working Paper 88 (online verfügbar; abgerufen am 26. Juni 2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Gleichzeitig ist das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland mit am geringsten. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank lag das mittlereDas mittlere Nettovermögen ist der Wert, der die ärmere Hälfte der Bevölkerung von der reicheren Hälfte trennt. Haushaltsnettovermögen in Deutschland im Jahr 2014 bei rund 61000 Euro und damit nur geringfügig höher als in Polen (57000 Euro) oder in der Slowakei (50000 Euro).Europäische Zentralbank (2016): The Household Finance and Consumption Survey: results from the second wave. Statistics Paper Series No. 18 / December (online verfügbar). Ein weitaus höheres Nettovermögen haben zum Beispiel Haushalte in Belgien mit rund 218000 Euro. Viele sehen zumindest einen der Gründe, warum das Nettovermögen in Deutschland so gering ausfällt, in der niedrigen Eigentümerquote. So wohnen in Deutschland nur etwa 51 Prozent der Bevölkerung in selbstgenutztem Wohneigentum – innerhalb der Europäischen Union ist das der niedrigste Wert.Vgl. Eurostat (2018): Housing statistics (online verfügbar). Der Anteil selbst nutzender EigentümerInnen variiert zudem in Deutschland stark zwischen ländlichen Regionen mit bis zu 70 Prozent EigentümerInnen und Großstädten mit weniger als 20 Prozent EigentümerInnen. Zudem gibt es ein starkes Ost-West-Gefälle mit den niedrigsten Eigentümerquoten in ostdeutschen Städten wie Leipzig (elf Prozent), Dresden (knapp 14 Prozent) oder Berlin (knapp 15 Prozent), vgl. Volker Bode und Karin Wiest (2017): Selbstgenutztes Wohneigentum: regionale Unterschiede in Deutschland und Europa. Leibniz-Institut für Länderkunde (online verfügbar). Der Anteil von WohneigentümerInnen und die Höhe der Vermögensungleichheit stehen dabei in einer engen Beziehung. Länder mit einer geringen Wohneigentümerquote weisen in der Regel eine relativ hohe Vermögensungleichheit auf, so wie Deutschland (Abbildung 1).Vgl. Leo Kaas, Georgi Kocharkov und Edgar Preugschat (2015): Wealth Inequality and Homeownership in Europe. CESifo Working Paper Series 5498. Vgl. auch Barend Wind, Philipp Lersch und Caroline Dewilde (2016): The distribution of housing wealth in 16 European countries: accounting for institutional differences. Journal of housing and the built environment, 32(4), 625–647.
Zwar ist ein Immobilienerwerb mit nennenswerten Kosten verbunden, die Investition in eine (selbstgenutzte) Immobilie stellt aber einen wichtigen Weg dar, um nachhaltig Vermögen aufzubauen.Vgl. Òscar Jordà et al. (2019): The Rate of Return on Everything, 1870–2015. The Quarterly Journal of Economics, April 2019; Jordan Rappaport (2010): The effectiveness of homeownership in building household wealth. Economic Review, Federal Reserve Bank of Kansas City, issue Q IV, 35–65. Dies liegt vor allem daran, dass EigentümerInnen den Erwerb einer Immobilie in der Regel mit Hilfe einer Hypothek finanzieren und sich damit selbst langfristig vertraglich zur regelmäßigen Rückzahlung des Kapitals verpflichten. Dadurch steigt ihre Sparquote.Vgl. Zhu Xiao Di, Eric Belsky und Xiaodong, Liu (2007): Do homeowners achieve more household wealth in the long run? Journal of Housing Economics, 16(3–4), 274–290. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene kann eine steigende Eigentümerquote also einen Beitrag leisten, die Vermögensungleichheit zu reduzieren.
Doch auch aus anderen Gründen ist es in gesamtwirtschaftlicher Perspektive empfehlenswert, privates Vermögen aufzubauen. Vermögen erfüllt Funktionen, die weit über die reine Einkommenserzielung durch Vermögenserträge (Einkommensfunktion) hinausgehen. So stiftet die eigene Nutzung von Sachvermögen wie Immobilien unmittelbaren Nutzen und kann Freiheitsspielräume schaffen (Nutzungsfunktion). Das Aufbrauchen von Vermögen kann der Stabilisierung des Konsums bei Einkommensausfällen, etwa im Fall von Arbeitslosigkeit, dienen (Sicherungsfunktion). Größere Vermögen können wirtschaftliche und politische Macht verleihen (Machtfunktion), dienen der Erreichung oder Bewahrung eines hohen Status (soziale Mobilitäts- oder Statuserhaltungsfunktion) und spielen auch bei der Erziehung und Ausbildung von Kindern oft eine wichtige Rolle (Sozialisationsfunktion). Schließlich ist Vermögen wichtig für die eigene Alterssicherung und bietet die Möglichkeit, den folgenden Generationen eine Erbschaft zu hinterlassen (Vererbungsfunktion).
Die Förderung von Immobilienbesitz ist dabei ein möglicher Weg, Vermögen aufzubauen. Diese Vermögenskomponente ist auch mit Blick auf die Reduktion von AltersarmutVgl. Peter Haan et al. (2017): Entwicklung der Altersarmut bis 2036. Trends, Risikogruppen und Politikszenarien. Bertelsmann Stiftung (online verfügbar). wichtig: Ist das Haus oder die Wohnung im Alter vollständig abbezahlt, profitiert der Haushalt von fiktiven Einkommensvorteilen, indem Mietzahlungen eingespart werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als mit Blick auf die Gesetzliche Rentenversicherung ein künftig sinkendes Rentenniveau mittlerweile beschlossene Sache ist. Künftige RenterInnen werden also verstärkt privat vorsorgen müssen, um den erreichten Lebensstandard auch in der Rentenphase beibehalten zu können.Bereits heute ist aber erkennbar, dass das Problem der Altersarmut zunehmen dürfte, da neben dem sinkenden Rentenniveau auch ältere Menschen mit steigenden Wohnkosten konfrontiert sind. Vgl. Laura Romeu Gordo et al. (2019): Immer mehr ältere Haushalte sind von steigenden Wohnkosten schwer belastet. DIW Wochenbericht Nr. 27, 467–476 (online verfügbar).
Eine eigene Immobilie hat gegenüber einer gemieteten Wohnung zudem einen weiteren Vorteil: So hat die Zahl preiswerter Wohnungen in Deutschland deutlich abgenommen, da Wohnungen mit Sozialbindung sukzessive aus der Förderung herausfallen. Im sozialen Wohnungsbau in Deutschland gilt die Sozialbindung nicht dauerhaft, sondern nur für einen festgelegten Zeitraum.So sind beispielsweise allein in der Stadt Dortmund zum Ende des Jahres 2016 rund 2000 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen, vgl. Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. (2016): Auslaufende Mietpreisbindung bei Sozialwohnungen: Mieterverein gibt Tipps bei Mieterhöhungen (online verfügbar). Anschließend kann die Miete gemäß geltender Regelungen regelmäßig erhöht werden. Gleichzeitig werden in Deutschland aktuell nur noch in geringem Umfang neue Sozialwohnungen gebaut. Der Markt für preiswerte Wohnungen wird damit immer kleiner.
Ziel des vorliegenden Berichts ist es aufzuzeigen, wie die Eigentümerquote in Deutschland langfristig erhöht werden kann – insbesondere bei Familienhaushalten, die über kein nennenswertes Eigenkapital verfügen. Empirische Grundlage sind die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Kantar erhobenen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird, vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, Band 239, Heft 2.
Wohnraum wird in weiten Teilen Deutschlands immer teurer.Vgl. Konstantin Kholodilin und Claus Michelsen (2017): Keine Immobilienpreisblase in Deutschland – aber regional begrenzte Übertreibungen in Teilmärkten. DIW Wochenbericht Nr. 25, 502–513 (online verfügbar). Insbesondere in Ballungsregionen hat die Nachfrage nach Wohnraum in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, während das Angebot bisher nur in begrenztem Umfang auf die sich verändernden Marktanforderungen reagiert hat.
Neben einkommensschwachen Haushalten wird es auch für Familien mit Kindern immer schwieriger, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ein Kernproblem des Immobilienmarktes ist dabei, dass InvestorInnen kaum Interesse an der Schaffung von preiswertem Wohnraum haben, da sie mit Investitionen in höherpreisige Wohnungen größere Renditen erzielen können.Auch die angekündigte regelmäßige Erhöhung des Wohngeldes hat keinen direkten Effekt auf den Wohnungsbestand. Zudem ist zu befürchten, dass das Wohngeld preistreibend wirkt und in höheren Mieten verpufft.
Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit unterschiedliche Instrumente eingesetzt, um das Angebot an Immobilien zu erhöhen. Hierzu zählten vor allem in der Nachkriegszeit umfangreiche Programme des sozialen Wohnungsbaus, aber auch unterschiedliche Instrumente zur Wohneigentumsförderung wie die steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen bis ins Jahr 1995, die im Zeitraum 1995 bis 2006 gewährte Eigenheimzulage oder neuerdings das Baukindergeld.Beim Baukindergeld wird unter anderem kritisiert, dass dieses vorrangig einkommensstarken Haushalten zugute kommt und es zudem zu Mitnahmeeffekten und höheren Grundstückspreisen kommen kann. Vgl. Claus Michelsen, Stefan Bach und Michelle Harnisch (2018): Baukindergeld: Einkommensstarke Haushalte profitieren in besonderem Maße. DIW aktuell Nr. 14 (online verfügbar).
Die Barrieren für den Kauf einer Immobilie bestehen aktuell nicht in hohen Hypothekenzinsen, da am Markt ein effektiver Zinssatz von im Durchschnitt 1,5 Prozent bei einer 15-jährigen Zinsbindung verlangt wird. Die größte Herausforderung ist fehlendes Eigenkapital, um vor allem die hohen Nebenkosten des Immobilienerwerbs zu bestreiten. Zu den Nebenkosten zählen die Maklerprovision (in der Regel rund fünf Prozent des Kaufpreises), die Notargebühr (etwa ein Prozent des Kaufpreises), Grundbuchgebühr (0,5 Prozent des Kaufpreises), Grunderwerbsteuer (je nach Bundesland zwischen 3,5 bis 6,5 Prozent des Kaufpreises), Bankgebühren, Gutachterkosten, eventuell auch Kosten für eine Baugenehmigung, Erschließungskosten, Baustrom, Bauwasser, Bauherrenhaftpflicht- und Bauwesenversicherung, Bauberatung und anderes mehr. Insgesamt belaufen sich diese Nebenkosten beim Erwerb einer neuen Immobilie je nach Bundesland auf bis zu 13 Prozent des Kaufpreises. Bei einer Bestandsimmobilie fallen häufig auch umfangreiche Modernisierungskosten an.Vgl. Claus Michelsen (2017): Erwerb von Wohneigentum: Eigenkapitalschwelle für immer mehr Haushalte zu hoch. DIW aktuell Nr. 2 (online verfügbar).
Um sowohl die Nebenkosten als auch den Kaufpreis der Immobilie selbst zu finanzieren, bedarf es daher eines nennenswerten Eigenkapitals. Üblicherweise wird eine Eigenkapitalquote von mindestens 20 Prozent (häufig auch 30 Prozent) empfohlen. Bei einer Immobilie mit einem Preis von beispielsweise 400000 Euro entspricht dies einem Eigenkapital von 80000 Euro (120000 Euro). Vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus ist es in den vergangenen Jahren jedoch bedeutend schwieriger geworden, solche Summen anzusparen.Dies liegt auch daran, dass immer mehr junge Menschen studieren und deshalb später auf den Arbeitsmarkt kommen, wo sie häufig zunächst nur zeitlich befristete Jobs erhalten. Hinzu kommt schließlich, dass es die steigenden Mieten kaum ermöglichen, Vermögen anzusparen.
Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zufolge hatten im Jahr 2012 90 Prozent der Mieterhaushalte mit einem Haushaltsvorstand im Alter von bis zu 40 Jahren ein Nettovermögen von weniger als 50000 Euro. Entsprechend ist die Zahl der ErsterwerberInnen von Immobilien auch zuletzt weiter gesunken. Nur rund 600000 Haushalte wagten im Jahr 2016 den Schritt von der Miete ins Eigenheim.Vgl. Pekka Sagner und Michael Voigtländer (2018): Die Zahl der Ersterwerber sinkt weiter. IW-Kurzbericht 34/2018 (online verfügbar). Der Anteil der Eigentümerhaushalte, die angeben, dass sie ihre Immobilie aufgrund einer Erbschaft oder Schenkung erworben haben, lag nach Angaben des SOEP im Jahr 2012 bei 22 Prozent. Zudem sind sechs von zehn ImmobilienkäuferInnen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren, vgl. AssCompact (2019): Immobilienerwerb: Diese Altersgruppe kauft (online verfügbar). Dabei würde sich der Immobilienerwerb trotz der finanziellen Hürden in vielen Regionen und Metropolen Deutschlands im Vergleich zum Wohnen zur Miete lohnenVgl. Michael Vogtländer und Björn Seipelt (2018): Accentro-IW-Wohnkostenreport 2018 (online verfügbar). – ein Dilemma, das noch eine weitere Dimension hat: Je später eine Immobilie erworben wird, desto größer ist die Gefahr, dass für die Immobilie auch nach dem Eintritt in den Ruhestand weiter Hypothekenrückzahlungen geleistet werden müssen. Dies würde einen der großen Vorteile des Besitzes einer selbstgenutzten Immobilie konterkarieren.
80 Prozent der Haushalte mit einem Haushaltsvorstand im Alter bis zu 40 Jahren wohnen zur Miete (Abbildung 2). Lebt im Haushalt ein Kind, beträgt die Mieterquote rund drei Viertel. Da es insbesondere für junge Familien mit Kindern ohne ausreichendes Eigenkapital zunehmend schwieriger wird, eine Immobilie selbst – also durch eigenes Sparen, ohne Erbschaften oder Schenkungen – zu erwerben, wird im Folgenden ein Modell präsentiert, das verstärkt dieser Bevölkerungsgruppe den Kauf einer Immobilie ermöglichen könnte. Die Idee ist, zu Beginn des Berufslebens eine Eigentumswohnung zu erwerben und diese über die Jahre der Erwerbstätigkeit bis spätestens zum Rentenbeginn abzuzahlen. Die monatlich zu erwartenden Tilgungsraten sollten in etwa der Miete für eine vergleichbare Wohnung entsprechen.
Die Kernidee des Modells ist, dass der Staat als Bauherr in Vorleistung tritt und eine europaweite Ausschreibung zum Bau von Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern mit qualitativ guter Ausstattung vornimmt.Hierbei ist an das Vorbild Skandinaviens zu denken und an serielles beziehungsweise modulares Bauen. Potentielle ImmobilienerwerberInnen sollten dann per Mietkauf – also über laufende Zahlungen (Tilgungen) an den Staat – sukzessive EigentümerInnen der Immobilie werden.Das hier vorgeschlagene Modell hat nur geringe Überlappungen zu der Wohnungspolitik in Singapur, da dort Immobilien nur per Erbpacht erworben werden können. Der wesentliche Unterschied hierzu besteht darin, die ErwerberInnen dauerhaft zu ImmobilienbesitzerInnen werden zu lassen. Aktuell kann der Staat phasenweise immer wieder Anleihen am Markt platzieren, für die er keine Zinsen zahlen muss oder sogar Geld bekommt, die Zinsen also negativ sind. Dieser Zinsvorteil könnte direkt an die ErwerberInnen weitergegeben werden. Um die Baukosten niedrig zu halten, sollten sich die für die Immobilien notwendigen Grundstücke idealerweise im Eigentum der öffentlichen Hand befinden und in Form von Erbpacht zur Verfügung gestellt werden. Dann wären die Kosten des Immobilienerwerbs auf die anfallenden Bau- und Baunebenkosten beschränkt.Die Grunderwerbsteuer fällt auch bei einer Erbpacht an. Notarkosten könnten entfallen, wenn sich beide Parteien einig sind und die Grundstücksübertragung direkt beim Grundbuchamt beantragen. Auch Maklerkosten fallen nicht an, wenngleich Kosten der Organisation und Abwicklung des Mietkaufs zu unterstellen sind.
Wie das Modell im Fall einer 100 Quadratmeter großen Eigentumswohnung bei zwei verschiedenen Laufzeiten konkret aussieht, veranschaulicht eine Beispielrechnung (Kasten).
Die Beispielrechnung beinhaltet den Mietkauf einer Eigentumswohnung in einer Größe von 100 Quadratmetern. Der Quadratmeterpreis liegt bei 2000 EuroDie Herstellungskosten (Kostengruppen 200–700) von abgerechneten und vergebenen Projekten der Degewo – einem landeseigenen Wohnungsunternehmen Berlins – beliefen sich im ersten Quartal 2018 auf 2051 Euro pro Quadratmeter für Wohn- und Gewerbeflächen. Bei einer internen Projektplanung wurde mit Herstellungskosten von weniger als 2000 Euro kalkuliert. Vgl. Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (2018): Endbericht zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Vergleichsstudie von Neubaukosten der landeseigenen Wohnungsunternehmen Berlins (LWU) sowie weiterer Wohnungsunternehmen (online verfügbar). Die Kostengruppen 200-700 umfassen: Herrichten und Erschließen, Bauwerk und Baukonstruktionen, Technische Anlagen, Außenanlagen, Ausstattung und Kunstwerke, Baunebenkosten. zuzüglich Nebenkosten. Diese setzen sich unter anderem zusammen aus der Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland bei 3,5 bis 6,5 Prozent liegt, und einer unterstellten Abwicklungspauschale in Höhe von einem Prozent. Unter dem Strich liegen die Nebenkosten also bei 4,5 bis 7,5 Prozent des Kaufpreises, was in diesem Fall 9000 bis 15000 Euro entspricht. Im Folgenden wird der Mittelwert von 12000 Euro angenommen.Das juristische Eigentum geht beim Mietkauf erst mit der Zahlung der letzten Rate auf den/die KäuferIn über. Somit würde auch erst dann die Zahlung der Grunderwerbsteuer anfallen. Um den Mietkauf planbarer zu gestalten, ist die Zahlung der Grunderwerbsteuer auf den gesamten Rückzahlungszeitraum umgelegt worden. Die beiden Varianten unterscheiden sich in der Anzahl der Jahre, in denen die MietkäuferInnen die Rückzahlungen leisten, also in der Höhe der monatlichen Tilgung.
Variante 1 | Variante 2 | |
---|---|---|
Darlehensbetrag | 212000 Euro | 212000 Euro |
Auszahlungsdatum | 01.08.2019 | 01.08.2019 |
Häufigkeit der Ratenzahlung | monatlich | monatlich |
Dauer der Sollzinsbindung | 24,4 Jahre | 33,3 Jahre |
Gebundener Sollzinssatz | 0 Prozent | 0 Prozent |
Anfängliche Tilgung | 4 Prozent | 3 Prozent |
Höhe der Rate | 706,67 Euro | 530,00 Euro |
Getilgter Betrag zum Ende der Sollzinsbindung | 212000 Euro | 212000 Euro |
Restschuld zum Ende der Sollzinsbindung | 0,00 Euro | 0,00 Euro |
Summe der geleisteten Zinszahlungen | 0,00 Euro | 0,00 Euro |
Auf die potentiellen MietkäuferInnen würden zudem Kosten für die Erbpacht zukommen. Bei einer langfristigen Laufzeit von beispielsweise 100 Jahren und einem Erbpachtzins von einem Prozent hängt die Höhe vom Grundstückswert ab, der je nach Lage stark variieren kann. Bei einem angenommenen Grundstückswert von 200000 Euro läge der Erbpachtzins bei 166,67 Euro pro Monat. Dieser könnte aber je nach tatsächlichem Grundstückswert sowohl deutlich darüber als auch darunter liegen.
Für eventuell anfallende Instandhaltungsmaßnahmen ist eine Rücklage zu bilden. Nach der Verordnung über wohnungswirtschaftliche BerechnungenGemäß zweiter Berechnungsverordnung – II. BV, § 28 II. BV – Instandhaltungskosten. dürfen für Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr für Wohnungen, deren Bezugsfertigkeit am Ende des Kalenderjahres weniger als 22 Jahre zurückliegt, höchstens 7,10 Euro veranschlagt werden. Setzt man diesen Wert an, so ergibt dies eine monatliche Rücklage in Höhe von 59,17 Euro.
Die gesamte monatliche Belastung beliefe sich in der ersten Variante mit kürzerer Rückzahlungszeit also auf insgesamt 932,51 Euro, bei der zweiten Variante mit einer entsprechend längeren Rückzahlungszeit wären es 755,84 Euro.
Die faktisch gezahlte Kaltmiete von Haushalten mit einem Haushaltsvorstand im Alter von bis zu 40 Jahren lag in Deutschland im Jahr 2017 bei 540 Euro pro Monat (Abbildung). Sind Kinder in diesen Haushalten vorhanden, erhöht sich der Betrag auf rund 640 Euro, bei drei und mehr Kindern auf knapp 700 Euro. Leben diese Familienhaushalte in einer Großstadt, betrug die Miethöhe im Jahr 2017 durchschnittlich rund 750 Euro. Dieser Betrag entspricht in etwa der monatlichen Mietkaufsumme in der zweiten Variante. Auch bei einer etwas kürzeren Rückzahlungszeit (Variante 1) käme es im Vergleich zur Miethöhe zu keiner finanziellen Überforderung dieser Haushalte. Berücksichtigt man zudem, dass die Mieten in den vergangenen Jahren regelmäßig angehoben wurden, der Rückzahlungsbetrag beim hier vorgestellten Mietkaufmodell jedoch über die Laufzeit konstant bleibt, wird die Bilanz über die Jahre noch positiver.
Das Mietkaufmodell ist mit vielen potentiellen Vorteilen verbunden. Dazu zählen insbesondere:
Das Mietkaufmodell ist jedoch auch mit möglichen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden. Dazu zählen:
Im Rahmen des Baukindergeldes dürften insgesamt schätzungsweise zehn Milliarden Euro in die Förderung von Familien fließen.Vgl. Michelsen, Bach und Harnisch (2018), a.a.O. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Wirkungen des Baukindergeldes wohl gering sein werden: Zum einen sind Mitnahmeeffekte zu erwarten, wenn Familien auch ohne die Förderung eine Immobilie erworben beziehungsweise gebaut hätten. Zum anderen dürfte das Baukindergeld preistreibend wirken, vor allem weil die Förderung nicht dauerhafter Natur ist und deshalb kaum mit einer entsprechenden Angebotsausweitung einhergehen wird, etwa auf Seiten der Baufirmen.Vgl. Michelsen, Bach und Harnisch (2018), a.a.O.
Setzt man die Fördersumme des Baukindergeldes an, so ließen sich bei durchschnittlichen Kosten einer Eigentumswohnung von 212000 Euro (Kasten) pro Jahr bis zu 50000 Immobilieneinheiten fördern. Würde man die notwendige Anschubfinanzierung, bis sich das Modell durch die regelmäßigen Rückzahlungen nahezu selbst trägt, deutlich erhöhen, könnten entsprechend weitaus mehr Immobilieneinheiten gefördert werden.
Da das vorgeschlagene Mietkaufmodell langfristig angelegt ist und da durch die regelmäßigen Rückzahlungen der jeweiligen ErwerberInnen die Mittel an den Staat zurückfließen, ließen sich Bau und Mietkauf weiterer Objekte dauerhaft finanzieren. Im Gegensatz zum Baukindergeld würde mit dem Mietkaufmodell also eine dauerhaftere Fördermöglichkeit entstehen. Staatlicherseits finanziert werden müsste die Anschubfinanzierung, zudem wären im Laufe der Jahre Preissteigerungen – also die Inflation – auszugleichen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren könnten bei Zugrundelegung der Kosten des Baukindergeldes somit rund 500000 Haushalte zusätzlich ImmobilienbesitzerInnen werden.
Darüber hinaus könnten mittelfristig die Ausgaben für Wohngeld sinken, da potentielle MietkäuferInnen zumindest teilweise zur Gruppe der WohngeldempfängerInnen zählen dürften. Ähnliches gilt mit Blick auf die Grundsicherung im Alter, deren Bedarf ebenfalls sinken dürfte, da die per Mietkauf erworbene Immobilie durch Umwandlung in eine Leibrente auch zur Reduzierung des Altersarmutsrisikos beitragen kann.
Eine Wohnung gehört wie Nahrung und Kleidung zu den unverzichtbaren Grundbedürfnissen aller Menschen. Vor dem Hintergrund stark steigender Miet- und Immobilienpreise in weiten Teilen Deutschlands stellt sich die Frage, wie der Erwerb einer selbstgenutzten Immobilie künftig auch für Personen – und insbesondere für junge Familien – mit kleinen und mittleren Einkommen, die über kein oder kaum angespartes oder geerbtes Eigenkapital verfügen, möglich sein kann. Denn derzeit vor allem in Berlin diskutierte rigide Instrumente wie ein Mietendeckel schaffen noch keinen zusätzlichen Wohnraum.
Das in diesem Bericht vorgeschlagene Modell eines Mietkaufs, in dem der Staat per Erbpacht neu gebaute Eigentumswohnungen an solche Haushalte vergibt, ist geeignet, bezahlbares Wohneigentum zu schaffen. Davon würden vielfältige positive Wirkungen ausgehen, unter anderem wäre eine sinkende Vermögensungleichheit zu erwarten. Ein wesentlicher Vorteil des vorgeschlagenen Mietkaufmodells besteht vor allem auch darin, dass sich dieses nach einer staatlichen Anschubfinanzierung durch die regelmäßigen Rückzahlungen der MietkäuferInnen selbst tragen kann. Das Modell wäre also nicht nur eine potentiell sehr effektive Möglichkeit, mehr Menschen den Weg in die eigenen vier Wände zu ebnen, sondern angesichts manch anderer Förderinstrumente aus staatlicher Sicht auch eine besonders kostengünstige.
Klar ist jedoch, dass das staatliche Mietkaufmodell nur ein Baustein sein kann, um auf dem Immobilienmarkt für Entlastung zu sorgen. Darüber hinaus sollten weitere Instrumente der Immobilienförderung in Betracht gezogen werden, beispielsweise eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb einer Immobilie. Der entstehende Steuerverlust könnte dann durch höhere Grunderwerbsteuern beim Erwerb von Zweit- oder Drittimmobilien, die häufig der Spekulation dienen, kompensiert werden.Darüber hinaus ist an eine Reform der sogenannten Share-Deals zu denken, mit denen die Zahlung von Grunderwerbsteuern umgangen wird.
Themen: Ungleichheit, Märkte, Immobilien und Wohnen, Familie
JEL-Classification: R21;D31
Keywords: installment purchase, wealth inequality, promotion of home ownership
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-29-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/201823