DIW Wochenbericht 40 / 2019, S. 735-745
Markus M. Grabka, Christoph Halbmeier
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„Um die Vermögensungleichheit zu reduzieren, wird es nicht reichen, große Vermögen ein wenig zu besteuern. Statt eine Vermögensteuer einzuführen, sollte besser die Vermögensbildungspolitik neu ausgerichtet werden.“ Markus M. Grabka
Das private Vermögen in Deutschland hat sich im Zeitraum von 2012 bis 2017 im Schnitt um nominal 22 Prozent erhöht. Das individuelle Nettovermögen in Deutschland betrug im Jahr 2017 im Durchschnitt rund 108500 Euro für Personen ab 17 Jahren. Der Medianwert, der die untere von der oberen Hälfte der Vermögensverteilung trennt, liegt dagegen nur bei 26000 Euro. Den Vermögensanstieg trieben vor allem Wertsteigerungen beim Betriebsvermögen und bei Immobilien. Die Vermögensungleichheit verharrt seit zehn Jahren auf einem auch im internationalen Vergleich hohen Niveau: Die reichsten zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Um die Ungleichheit zu reduzieren, müsste die Vermögensbildungspolitik neu aufgestellt werden, mit höheren Fördersummen und einer Neuausrichtung der privaten Altersvorsorge, die sich an Ländern wie Schweden orientiert, oder mit einem staatlichen Mietkaufmodell.
Die Themen Vermögensungleichheit und Vermögensteuer als Instrument zur Bekämpfung dieser Ungleichheit haben in diesem Sommer in Politik und Medien wieder mal für viel Diskussionsstoff gesorgt, was sicherlich auch den Landtagswahlen in einigen ostdeutschen Ländern geschuldet war. Für viele geht gefühlt die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Der Frage, ob die Vermögensungleichheit tatsächlich zunimmt, geht die vorliegende Studie nach, die bisherige Untersuchungen des DIW Berlin zur Vermögensungleichheit in Deutschland für den Zeitraum 2002 bis 2017 aktualisiert. [Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung des Forschungsvorhabens Vermögensverteilung in der Schweiz und Deutschland (Bewilligungsnummer GR 3239 / 5-1).] 2017 ist das Jahr mit den aktuellsten verfügbaren sowie aufbereiteten Vermögensdaten (Kasten).Vgl. Markus M. Grabka und Christian Westermeier (2014): Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland. DIW Wochenbericht Nr. 9, 151–165 (online verfügbar, abgerufen am 04.09.2019. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Unter die Lupe genommen werden in diesem Bericht sowohl die Entwicklung der Nettovermögen als auch die Verteilung über die VermögensdezileSortiert man die Bevölkerung nach der Höhe des Vermögens und teilt diese in zehn gleich große Gruppen auf, so erhält man Dezile. Das unterste (oberste) Dezil gibt die Vermögenssituation der ärmsten (reichsten) zehn Prozent der Bevölkerung an., Alterskohorten, Regionen (Ost/West) und Vermögenskomponenten sowie der Zusammenhang von Einkommen und Vermögen.
Analysen der Vermögensverteilung auf Basis von bevölkerungsrepräsentativen Mikrodaten sind mit einer Reihe von methodischen und statistischen Problemen konfrontiert. In Bevölkerungsbefragungen werden Vermögensbestände gewöhnlich auf der Haushaltsebene erfasst.Vgl. die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes (online verfügbar) oder die Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen (PHF)“ der Deutschen Bundesbank (online verfügbar). Das SOEP weist hier eine methodische Besonderheit auf, da das individuelle Vermögen von jeder Befragungsperson ab einem Alter von 17 Jahren erhoben wird.Das von Kindern (Personen unter 17 Jahren) gehaltene Vermögen wird vernachlässigt, wobei davon auszugehen ist, dass dieses nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtvermögen ausmacht. Damit lassen sich im Vergleich zu Haushaltsvermögen auch Unterschiede innerhalb von Haushalten oder Partnerschaften darstellen.
Ein Vergleich aggregierter Vermögensbestände auf Basis des SOEP mit den sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen des Statistischen Bundesamtes wird durch eine Reihe von Abgrenzungs- und Definitionsunterschieden erschwert. Erstens weist das Statistische Bundesamt die privaten Haushalte zusammen mit den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck aus. Zweitens werden neben dem Gebrauchsvermögen auch weitere Vermögensarten ausgewiesen, die im SOEP nicht erhoben werden. Hierzu zählen das Bargeld, der Wert von Nutztieren und Nutzpflanzen, Ausrüstungen, immaterielle Anlagegüter, Ansprüche gegenüber privaten Krankenversicherungen, gewerbliche Kredite und gewerbliche Anteile von Wohnbauten. Drittens wird im SOEP generell der aktuelle Marktwert erfragt, während beim Statistischen Bundesamt Immobilien nach dem Wiederbeschaffungswert angesetzt werden. Der Marktwert weicht aber bei Bestandsimmobilien signifikant vom Wiederbeschaffungswert ab.
Ein Vergleich mit der Vermögenserhebung der Deutschen Bundesbank von 2017 (PHF) zeigt ein im Durchschnitt etwas höheres Nettohaushaltsvermögen im PHF mit rund 233000 Euro im Vergleich zu rund 200000 Euro im SOEP. Bis zum 60. Perzentil unterscheiden sich die Nettohaushaltsvermögen der beiden Datenquellen aber nahezu kaum. Oberhalb dessen weist das PHF etwas höhere Nettovermögen aus, was sich durch ein spezielles Oversampling von wohlhabenden Haushalten im PHF erklärt. Zieht man alternativ die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes heran, so liegt das durchschnittliche Nettohaushaltsvermögen in der EVS aus der Erhebung 2018 mit rund 163000 Euro deutlich unter dem des SOEP mit rund 200000 Euro. Auch der Median fällt in der EVS mit rund 47000 Euro deutlich geringer aus als im SOEP mit knapp 67000 Euro.
Dem in Bevölkerungsumfragen verbreiteten Problem einer nicht aussagekräftigen Repräsentation hoher Einkommen und Vermögen wird im SOEP seit 2002 durch die Teilstichprobe „Einkommensstarke Haushalte“ verstärkt Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund der hohen Ungleichheit in der personellen Vermögensverteilung kommt dieser Teil-Stichprobe und der ausreichend großen Fallzahl reicher Haushalte im SOEP besondere Bedeutung zu.Vergleiche Jürgen Schupp et al. (2009): Zur verbesserten Erfassung von Haushaltsnettoeinkommen und Vermögen in Haushaltssurveys. In: Thomas Druyen, Wolfgang Lauterbach und Matthias Grundmann (Hrsg.): Reichtum und Vermögen – Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Reichtums- und Vermögensforschung. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 85–96. Insbesondere kann der Zusammenhang zwischen Einkommens- und Vermögensverteilung auch für die Gruppe der Hocheinkommensbeziehenden detaillierter dargestellt werden, da Vermögensbestände, Vermögenseinkommen und Ersparnis vom verfügbaren Einkommen abhängen. Dennoch bleibt das Problem bestehen, dass besonders wohlhabende Personen in einer Stichprobe wie dem SOEP faktisch nicht vorkommen. Dies gilt insbesondere für Milliardäre und für Millionäre mit einem Vermögen in dreistelliger Millionenhöhe. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das wahre Ausmaß an Vermögensungleichheit unterschätzt wird. Externe Statistiken zur Validierung dieser Unterschätzung, zum Beispiel eine Vermögensteuerstatistik, liegen in Deutschland aber nicht vor.
Die Schätzung des Verkehrswerts einer Immobilie im Rahmen einer Befragung ist schwierig, insbesondere wenn das Objekt ererbt oder bereits vor längerer Zeit gekauft wurde und die Befragten nicht über ausreichende aktuelle Marktkenntnis verfügen. Auch die Bewertung von Betriebsvermögen ist besonders schwierig. Vermögenswerte können im Gegensatz zu regelmäßigen Einkommen sehr volatil sein und damit die Bewertung zusätzlich erschweren. Dies führt wiederum, neben der generellen Sensitivität dieser Thematik, auch zu erhöhten Antwortverweigerungen oder zu fehlenden Angaben bei vermögensrelevanten Fragen.
Neben einer umfassenden Konsistenzprüfung der individuellen Angaben werden im SOEP alle fehlenden Vermögenswerte mittels multipler Imputation ersetzt.Markus M. Grabka und Christian Westermeier (2015): Editing and Multiple Imputation of Item-Non-Response in the Wealth Module of the German Socio-Economic Panel. SOEP Survey papers Series C., No. 272, Berlin: DIW Berlin. Die Qualität der Imputation fällt dabei aufgrund der Verwendung von Längsschnittdaten im Rahmen der wiederholten Messung der Vermögenserfassung in den Jahren 2002, 2007, 2012 und 2017 besser aus, als dies bei nur einmaliger Erhebung der Fall ist.
Die hier präsentierten Vermögensangaben für die Jahre 2002 bis 2012 weichen von denen früherer Veröffentlichungen leicht ab.Vgl. Markus M. Grabka und Christian Westermeier (2014): Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland. DIW Wochenbericht Nr. 9, 151–165. Dies erklärt sich zum einen durch notwendige Revisionen der Gewichtungsfaktoren im SOEP als auch durch das verwendete Imputationsverfahren, bei dem mit jeder neuen Erhebungswelle mit Vermögensinformationen sämtliche fehlenden Werte auch rückwirkend neu imputiert werden und damit gegenüber der vorhergehenden Datenversion abweichen können.
Empirische Grundlage sind die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Kantar erhobenen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird: vgl. Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(2), 345–360 (DOI: https://doi.org/10.1515/jbnst-2018-0022). Dem Bericht liegt die Version 10.5}684/soep.v34 der SOEP Daten zugrunde. Im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsbefragungen, in denen das Vermögen lediglich auf Haushaltsebene erfasst wird,Vgl. die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes (online verfügbar) oder die Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen (PHF)“ der Deutschen Bundesbank (online verfügbar). wird im SOEP das Vermögen von allen Personen ab 17 Jahren eines Privathaushalts separat erfragt.Ausgeschlossen werden Personen der IAB-BAMF-SOEP-Stichprobe von Geflüchteten (M3 bis M5), bei denen bislang keine Vermögensinformationen erhoben wurden.
Zehn verschiedene Vermögenskomponenten werden im SOEP erhoben: (1) selbstgenutztes Wohneigentum, (2) sonstiger Immobilienbesitz (unter anderem unbebaute Grundstücke, Ferien- und Wochenendwohnungen), (3) Geldvermögen (Sparguthaben, Spar- und Pfandbriefe, Aktien und Investmentanteile), (4) Vermögen aus privaten Versicherungen (Lebens- und private Rentenversicherungen einschließlich sogenannter Riester-Verträge), (5) Bausparguthaben, (6) Betriebsvermögen (Besitz von Einzelunternehmen und Beteiligung an Personen- oder Kapitalgesellschaften; nach Abzug von betrieblichen Verbindlichkeiten), (7) Sachvermögen in Form wertvoller Sammlungen wie Gold, Schmuck, Münzen oder Kunstgegenstände sowie Verbindlichkeiten in Form von (8) Hypothekenkrediten auf selbstgenutzte Immobilien, (9) Hypothekenkrediten auf sonstige Immobilien als auch (10) Konsumentenkrediten. Im Jahr 2017 wurden erstmals zwei weitere Vermögenskomponenten erfragt: der Wert von Kraftfahrzeugen und die Höhe der Restschuld aus Ausbildungs- beziehungsweise Studienkrediten.
Werden die Verbindlichkeiten vom Bruttovermögen abgezogen, ergibt sich das wohlfahrtsökonomisch relevante Nettogesamtvermögen, das üblicherweise für Analysen zur personellen Vermögensverteilung herangezogen wird. Folgende Vermögenskomponenten bleiben hingegen beim hier analysierten Nettovermögen ausgeblendet: das Bargeld, der Wert des Hausrats (ohne Kraftfahrzeuge), der Wert von Nutztieren und Nutzpflanzen, Ausrüstungen, immaterielle Anlagegüter, Ansprüche gegenüber privaten Krankenversicherungen, Verbindlichkeiten aufgrund gewerblicher Kredite und gewerbliche Anteile von Wohnbauten als auch Anwartschaften an Alterssicherungssysteme.Berücksichtigt man das Alterssicherungsvermögen, verdoppelt sich das Nettogeld- und -sachvermögen in Deutschland. Vgl. Timm Bönke et al. (2018): The joint distribution of net worth and pension wealth in Germany. Review of income and wealth, (online verfügbar, DOI: 10.1111/roiw.12371).
Das individuelle durchschnittliche Nettovermögen lag nominal im Jahr 2017 bei mehr als 108000 Euro (Tabelle 1 letzte Spalte).Das Nettogesamtvermögen des SOEP fällt im Vergleich zur Vermögensbilanz des Statistischen Bundesamtes geringer aus. Zu den Unterschieden der Abgrenzung als auch der Vermögensmessung siehe Kasten. Der Median der Vermögensverteilung, also der Wert, der die reichsten 50 Prozent der Bevölkerung von der ärmeren Hälfte trennt, lag mit rund 26000 Euro oder einem Viertel wesentlich niedriger als der Durchschnitt, was auf eine hohe ungleiche Verteilung hinweist. Rund 15 Prozent aller Erwachsenen verfügten über kein persönliches Vermögen – bei sechs Prozent waren die Verbindlichkeiten sogar höher als das Bruttovermögen. Wer zum reichsten Zehntel der Bevölkerung ab 17 Jahren gehört, besitzt ein nominales Nettovermögen von mehr als 275000 Euro, beim reichsten Prozent liegt der Schwellenwert bei etwas mehr als einer Million Euro.Hierbei ist zu beachten, dass das SOEP wie andere derartige Studien den oberen Rand der Vermögensverteilung nicht vollständig abdeckt und damit unterschätzt, da Milliardäre oder Multimillionäre nicht oder nur unzureichend in der Stichprobe enthalten sind.
Individuelle Nettovermögen | Inklusive dem Wert von Kraftfahrzeugen und nach Abzug von Studienkrediten | ||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
untere Grenze | 2002 | obere Grenze | untere Grenze | 2007 | obere Grenze | untere Grenze | 2012 | obere Grenze | untere Grenze | 2017 | obere Grenze | untere Grenze | 2017 | obere Grenze | |
Gini-Koeffizient | 0,768 | 0,776 | 0,784 | 0,790 | 0,799 | 0,809 | 0,769 | 0,779 | 0,790 | 0,769 | 0,779 | 0,789 | 0,749 | 0,759 | 0,769 |
Perzentilsverhältnisse | |||||||||||||||
p90/p50 | 13,4 | 14,1 | 14,6 | 13,3 | 14,5 | 15,9 | 11,4 | 12,8 | 14,2 | 12,0 | 13,2 | 14,0 | 9,8 | 10,5 | 11,2 |
p75/p50 | 6,4 | 6,6 | 6,9 | 5,8 | 6,4 | 6,9 | 5,2 | 5,9 | 6,5 | 5,8 | 6,1 | 6,5 | 4,8 | 5,0 | 5,2 |
Mittelwert in Euro | 77721 | 80469 | 83233 | 78417 | 82189 | 85948 | 81126 | 84530 | 87933 | 98745 | 102868 | 107026 | 104246 | 108449 | 112620 |
Perzentile in Euro | |||||||||||||||
p99 | 723280 | 767952 | 823932 | 740579 | 812943 | 888565 | 782080 | 839408 | 899442 | 928876 | 1035000 | 1153155 | 941178 | 1045680 | 1167932 |
p95 | 310922 | 323941 | 335968 | 308572 | 324148 | 340145 | 315676 | 331800 | 349719 | 389606 | 406365 | 427219 | 400576 | 419766 | 437215 |
p90 | 205187 | 211867 | 218737 | 201147 | 209789 | 218551 | 210813 | 219100 | 226544 | 254388 | 263500 | 273594 | 267511 | 275770 | 284490 |
p75 | 95346 | 99568 | 102000 | 88285 | 92482 | 96647 | 97616 | 100190 | 103558 | 118957 | 122792 | 126609 | 125396 | 130040 | 134269 |
Median | 14470 | 15000 | 15808 | 13133 | 14520 | 15654 | 15159 | 17120 | 19101 | 18671 | 20010 | 21967 | 24528 | 26260 | 28116 |
p25 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1259 | 1590 | 2131 |
p10 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
p5 | −2914 | −1920 | −887 | −4656 | −3960 | −3119 | −4504 | −3718 | −2791 | −3665 | −3000 | −2239 | −2688 | −2044 | −1577 |
p1 | −22698 | −20255 | −18293 | −33594 | −30000 | −24925 | −27551 | −24374 | −20953 | −26661 | −23107 | −19441 | −23246 | −20360 | −18140 |
Anteil der Personen mit einem Nettovermögen unter 0 Euro in Prozent | 5,3 | 5,7 | 6,2 | 7,1 | 7,7 | 8,3 | 7,1 | 7,6 | 8,0 | 6,4 | 6,9 | 7,3 | 5,9 | 6,4 | 6,9 |
Anteil der Personen mit einem Nettovermögen gleich 0 Euro in Prozent | 21,2 | 21,9 | 22,6 | 19,5 | 20,3 | 21,1 | 18,9 | 19,7 | 20,4 | 21,4 | 22,1 | 22,9 | 14,0 | 14,5 | 15,1 |
Nettovermögen2 insgesamt in Mrd. Euro | 5775 | 5918 | 5920 | 7390 | 7776 |
1 Individuelle Nettovermögen der Personen ab 17 Jahren in Privathaushalten, ohne Personen der Flüchtlingssamples M3 bis M5.
2 Ohne Top-Coding.
Anmerkungen: Statistisch signifikante Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Erhebungsjahr zuvor sind grün markiert. Untere bzw. obere Grenze geben die Schwellenwerte eines 95-Prozent-Konfidenzintervalls an.
Quelle: SOEPv34, mit 0,1 Prozent Top-Coding; eigene Berechnungen.
Für einen Vergleich des Nettovermögens über die Zeit wird der Wert von Kraftfahrzeugen und die Restschuld von Ausbildungskrediten aus den Angaben des Jahres 2017 herausgerechnet, da diese erstmals im Jahr 2017 erhoben wurden. Das individuelle Nettovermögen im Jahr 2017 fällt ohne diese beiden Vermögenskomponenten mit 103000 Euro um etwa 5000 Euro niedriger aus.
Von 2002 bis 2012 zeigen sich über die Verteilung hinweg nur leichte Veränderungen.Allerdings sind in diesem Zeitraum real, also nach Abzug der Inflation, die Nettovermögen in Deutschland sogar gesunken, vgl. hierzu Markus M. Grabka und Christian Westermeier (2015): Reale Nettovermögen der Privathaushalte in Deutschland sind von 2003 bis 2013 geschrumpft. DIW Wochenbericht Nr. 34, 727–738 (online verfügbar). Anders verhält es sich jedoch für den Zeitraum von 2012 bis 2017: Das durchschnittliche individuelle Nettovermögen legte nominal um knapp 22 Prozent signifikant zu. Diese relative Veränderung betraf nahezu die gesamte Verteilung mit Ausnahme derjenigen mit einem Vermögen von null, während die absolute Zunahme vor allem in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung stattfand.
Ein Standardmaß zur Messung von Vermögensungleichheit ist der Gini-Koeffizient. Je höher der Wert ist, desto ausgeprägter ist die gemessene Ungleichheit.Zum Gini-Koeffizienten vgl. auch DIW Glossar. Bei durchgängig positiven Vermögensbeständen liegt der Gini-Koeffizient zwischen 0 und 1. Ein Wert von 0 bedeutet, dass alle Personen genau das gleiche Vermögen haben. Ein Wert von 1 dagegen bedeutet, dass eine Person das gesamte Vermögen besitzt und alle anderen nichts haben. Tatsächlich kann indes das Nettovermögen auch negativ sein. Im Jahr 2017 traf dies bei gut sechs Prozent der Erwachsenen in Deutschland zu. Der Gini-Koeffizient könnte dann im Extremfall auch Werte oberhalb von 1 annehmen. Von 2002 bis 2007 stieg der Gini-Koeffizient von 0,776 auf 0,799 signifikant. Seitdem verharrt die Vermögensungleichheit auf einem hohen Niveau, vor allem im Vergleich zur Einkommensverteilung, wo der Gini-Koeffizient der bedarfsgewichteten verfügbaren Haushaltseinkommen bei knapp 0,3 liegt.Vgl. Markus M. Grabka, Jan Goebel und Stefan Liebig (2019): Wiederanstieg der Einkommensungleichheit – aber auch deutlich steigende Realeinkommen. DIW Wochenbericht Nr. 19, 343–353 (online verfügbar). Wird beim Vermögen der Wert von Kraftfahrzeugen berücksichtigt und die Restschulden von Ausbildungskrediten abgezogen, fällt der Gini-Koeffizient im Jahr 2017 mit 0,759 nur geringfügig kleiner aus als ohne diese Komponenten. Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der Länder im Euroraum mit der höchsten Vermögensungleichheit.Innerhalb des Euroraums weist Deutschland damit neben Lettland und Irland die höchste Vermögensungleichheit auf. So liegt der Gini-Koeffizient für Frankreich bei 0,68 und für Italien und Belgien bei 0,60. Vgl. European Central Bank (2017): The Household Finance and Consumption Survey. Wave 2. Statistical tables. April (online verfügbar). Die relativ geringe Vermögensungleichheit in südeuropäischen Ländern erklärt sich unter anderem durch einen höheren Anteil von BesitzerInnen einer selbstgenutzten Immobilie im Vergleich zu Deutschland. Höher als in Deutschland ist die Vermögensungleichheit in den USA (Gini-Koeffizient 0,877 für das Jahr 2016). Vgl. Edward N. Wolff (2017): Household Wealth Trends in the United States, 1962 to 2016: Has Middle Class Wealth Recovered? NBER Working Paper No. 24085 (online verfügbar).
Ein alternatives Verteilungsmaß ist das 90/50-Dezilverhältnis, das die untere Vermögensgrenze der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung auf den Median der Vermögensverteilung bezieht. Diese Kennziffer gibt also das Vielfache des Vermögens „reicher“ Personen im Verhältnis zum Mittelpunkt der Vermögensverteilung an. Im Jahr 2017 hatte die „ärmste“ Person innerhalb der Top-Zehn-Prozent-Gruppe mehr als zehnmal so viel Vermögen wie die Person in der Mitte der Verteilung. Gegenüber den Vorjahren hat sich dieser Wert nur geringfügig geändert.
Die Vermögenskonzentration kann auch durch den Anteil am deutschen Gesamtvermögen beschrieben werden (Abbildung 1). So hatte im Jahr 2017 die untere Hälfte der Bevölkerung ab 17 Jahren einen durchschnittlichen Anteil am Nettogesamtvermögen von 1,3 Prozent. Am oberen Ende der Verteilung halten die reichsten zehn Prozent einen Anteil von 56 Prozent des Gesamtvermögens. Zieht man nur das reichste Prozent heran, so beläuft sich deren Vermögensanteil auf schätzungsweise 18 Prozent. Dies ist ungefähr so viel, wie die ärmsten 75 Prozent der Bevölkerung zusammen an Vermögen halten.
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss beachtet werden, dass eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe wie das SOEP den Bereich sehr hoher Vermögen tendenziell untererfasst und somit das Ausmaß der tatsächlich in Deutschland vorhandenen Vermögensungleichheit unterschätzt. Vermutlich ist es in den vergangenen zehn Jahren zu einem Anstieg der Vermögensungleichheit gekommen, da die Zahl der Vermögensmillionäre seit 2008 um 69 Prozent oder gut 550000 Personen zugenommen hat.Vgl. Capgemini (2019): World Wealth Report 2019; und Capgemini und Merrill Lynch Wealth Management (2009): World Wealth Report 2009. Dem Problem einer Untererfassung von Top-Vermögenden wird aktuell im SOEP durch die Befragung von Personen aus dem obersten Vermögensbereich Rechnung getragen. Mit ersten Befragungsergebnissen ist im Jahr 2020 zu rechnen.
Ein Vergleich der Vermögensbestände nach Geburtskohorten zeigt ein deutliches Lebenszyklusmuster (Abbildung 2). Bis zu einem Alter von 25 Jahren verfügen junge Erwachsene über sehr geringes oder gar kein Vermögen. Mit Abschluss der Ausbildungsphase und dem Eintritt in das Erwerbsleben besteht die Möglichkeit, zu sparen und eigenes Vermögen aufzubauen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt das durchschnittliche Nettovermögen deutlich. Mit dem Übergang in die Rentenphase geht das Vermögen leicht zurück, weil Lebensversicherungen ausgezahlt und Vermögen verzehrt werden, um das wegfallende Erwerbseinkommen zu kompensieren. In der mittleren Ruhestandsphase steigt dann signifikant die Wahrscheinlichkeit von Erbschaften oder Schenkungen, sowohl durch die Elterngeneration als auch durch Ehe- und LebenspartnerInnen. Im höheren Rentenalter findet tendenziell ein Entsparen statt, weil sowohl private Ausgaben für Krankheit und Pflege steigen als auch vermehrt Schenkungen an Dritte getätigt werden.
Die Geburtskohorte der zwischen 1966 und 1970 Geborenen hat zwischen 2012 und 2017 mit 46000 Euro den größten Vermögenszuwachs erzielt (im Jahr 2017 waren diese Personen zwischen 47 und 51 Jahren alt).
Das individuelle Nettovermögen in Westdeutschland ist im Durchschnitt mit 121500 Euro mehr als doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 55000 Euro (Abbildung 3). Mit zunehmendem Lebensalter nimmt zudem auch der Vermögensabstand zwischen Ost- und Westdeutschland zu: Während im Jahr 2017 bei den 21- bis 25-Jährigen diese Differenz bei 5000 Euro liegt, beträgt sie bei den 51- bis 55-Jährigen 51000 Euro und erreicht seinen höchsten Unterschied bei den 76- bis 80-Jährigen mit 133000 Euro.
Die große Differenz insbesondere im höheren Lebensalter erklärt sich aus den wenigen Sparmöglichkeiten zu DDR-Zeiten, einem niedrigen Lohnniveau nach der Wiedervereinigung, durch geringe Marktwerte von Immobilien in weiten Teilen Ostdeutschlands sowie kleineren Anteilen an Haus- und Wohnungseigentum im Vergleich zu Westdeutschland.
Neben Wertsteigerungen, Erbschaften und Schenkungen zählt das Sparen zu den wichtigsten Quellen für den Vermögensaufbau. Die Höhe des Sparbetrags ist dabei im Wesentlichen abhängig von der Höhe des verfügbaren Einkommens. Im Folgenden wird das bedarfsgewichtete Haushaltsnettoeinkommen in Beziehung gesetzt zum Nettovermögen (Abbildung 4). Legt man bei der Einteilung der Dezile nicht das individuelle Nettovermögen, sondern das Haushaltsnettoeinkommen zugrunde, zeigt sich zunächst wenig überraschend, dass je höher das Einkommen ist, desto höher auch das Nettovermögen ausfällt. Vergleicht man die beiden Zeitpunkte 2012 und 2017 miteinander, so hat sich in den beiden untersten Einkommensdezilen das bereits vergleichsweise geringe Nettovermögen dieser Personen um nominal 3500 bis etwa 5000 Euro reduziert.Dabei werden in den Jahren 2012 und 2017 nicht die identischen Personen miteinander verglichen, sondern das Vermögen der Personen aus dem jeweiligen Einkommensdezil des Jahres 2012 verglichen mit den Personen des Einkommensdezils aus dem Jahr 2017. Für intrapersonelle Vermögensveränderungen über die Zeit vgl. Grabka und Westermeier (2015), a.a.O. Ab dem dritten Einkommensdezil zeigen sich nennenswerte Zuwächse, die aber je nach Position unterschiedlich stark ausfallen. So beläuft sich der Zuwachs in den Dezilen drei, acht und neun auf rund zehn Prozent, im siebten Dezil auf annähernd ein Viertel und in den Dezilen vier, fünf und zehn auf mehr als ein Drittel. Der absolute Zuwachs ist im obersten Dezil mit 90000 Euro am höchsten. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich bei einer gemeinsamen Betrachtung von Einkommen und Vermögen die Vermögenssituation in den beiden einkommensschwächsten Dezilen verschlechtert hat, während gleichzeitig im einkommensstärksten Dezil signifikante Zuwächse beim Vermögen stattfanden.
Der Anteil der Personen, die zur Miete wohnen, ist in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Gerade ImmobilienbesitzerInnen erzielten aber in den vergangenen Jahren deutliche Wertsteigerungen. Daher lohnt eine Analyse der Vermögen nach Eigentümerstatus (Abbildung 5).
Beide Gruppen unterscheiden sich signifikant in der Höhe der Nettovermögen. Zudem steigt die Höhe des Nettovermögens im Altersverlauf bei EigentümerInnen weitaus stärker als bei MieterInnen. Das individuelle Nettovermögen erreicht mit einem Wert von knapp 280000 Euro bei EigentümerInnen im Alter von 71 bis 75 Jahren seinen Höchststand. Bei MieterInnen wird im Durchschnitt der Maximalwert von 55000 Euro bereits im Alter von 51 bis 55 Jahren erreicht. Der Unterschied zwischen den beiden Statusgruppen erklärt sich vor allem daraus, dass ImmobilienbesitzerInnen, die eine Hypothek aufgenommen haben, sich durch regelmäßige Rückzahlungen vertraglich verpflichten, über einen langen Zeitraum Vermögen aufzubauen, während dieser Zwang bei Mieterhaushalten nicht vorliegt und ein nennenswerter Anteil des Einkommens für Miete verbraucht wird.Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Statusgruppen unter anderem in der Familienkonstellation und dem Haushaltseinkommen.
Wichtig ist es daher zu betrachten, inwiefern BesitzerInnen von selbstgenutzten Immobilien noch mit Hypothekenkrediten belastet sind. Der Anteil der BesitzerInnen einer selbstgenutzten Immobilie liegt im Jahr 2017 bei knapp 39 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen lebt in einer voll entschuldeten Immobilie (Abbildung 6). Ihr Nettovermögen liegt im Jahr 2017 bei knapp 280000 Euro. Liegen noch Hypotheken auf der Immobilie, so berichten diese EigentümerInnen über ein durchschnittliches Nettovermögen von 164000 Euro. Personen, die zwar in einer selbstgenutzten Immobilie leben, aber selbst kein Eigentum daran halten (elf Prozent der Bevölkerung, in der Regel Kinder im Haushalt oder ein/e Ehe-/PartnerIn), weisen ein individuelles Nettovermögen von rund 35000 Euro auf. Personen, die zur Miete wohnen – immerhin in Deutschland die Hälfte der gesamten erwachsenen Bevölkerung –, haben durchschnittlich ein Nettovermögen von etwa 24000 Euro. Stagnierte zwischen 2002 und 2012 noch das Nettovermögen beider Gruppen, wirken sich ab dem Jahr 2012 Wertsteigerungen von Immobilien positiv auf die Nettovermögen der EigentümerInnen aus (siehe Kasten).
Die Betrachtung reiner Nettogrößen verdeckt im Allgemeinen wichtige Strukturunterschiede, sowohl bezüglich der Zusammensetzung des Vermögens als auch im Hinblick auf eventuelle Verbindlichkeiten. So kann ein niedriges Nettovermögen das Ergebnis eines hohen Bruttovermögens bei gleichzeitig hohem Schuldenstand sein (zum Beispiel bei jungen Familien kurz nach dem Erwerb eines mit Hypotheken belasteten Eigenheims), oder es kann schlicht ein niedriges Geldvermögen ausdrücken.
Daher wird im Folgenden die Zusammensetzung des Vermögens nach Dezilen des Nettovermögens betrachtet (Abbildung 7). Im untersten Dezil ist das Nettovermögen negativ, da diese Personen insbesondere Restschulden aus Konsumentenkrediten in einer Höhe von im Schnitt 13000 Euro aufweisen; Bruttovermögen liegen dagegen in diesem Dezil häufig vor. Im zweiten und dritten Dezil liegen indes nahezu keine Bruttovermögen vor. Das vierte Dezil wird geprägt durch private Versicherungen und Geldvermögen, während gleichzeitig kaum Verbindlichkeiten vorhanden sind. Ab dem fünften Dezil gewinnt der selbstgenutzte Immobilienbesitz an Bedeutung. Parallel dazu nimmt die relative Bedeutung von Hypothekenrestschulden ab.
Das oberste Dezil unterscheidet sich nicht nur in der absoluten Vermögenshöhe von den anderen Dezilen. Das Vermögensportfolio hat auch eine andere Struktur. Bei dieser Personengruppen verliert die selbstgenutzte Immobilie an Relevanz und drei andere Komponenten gewinnen an Gewicht: der sonstige Immobilienbesitz, das Geldvermögen und das Betriebsvermögen. Auf der anderen Seite sind Hypothekenrestschulden auf eine eigene Immobilie von geringer Bedeutung, während Verbindlichkeiten aus Restschulden auf sonstige Immobilien überdurchschnittlich hoch ausfallen.
Betrachtet man statt der Höhe der verschiedenen Vermögenskomponenten das reine Vorhandensein (Inzidenz), oder mit anderen Worten den Anteil der Personen, die eine bestimmte Vermögensart halten, so wird ersichtlich, dass Kraftfahrzeuge mit einem Anteil von 60 Prozent am häufigsten verbreitet sind (Abbildung 8). Zudem wird diese Vermögensart auch in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung überdurchschnittlich häufig gehalten. Diese Struktur findet sich auch für andere Komponenten. Private Versicherungen, Bausparguthaben oder auch Geldvermögen sind ab dem fünften Vermögensdezil besonders verbreitet.
Mehr als 80 Prozent der Personen des achten bis zehnten Dezils halten Vermögen in Form von selbstgenutzten Immobilien. Das oberste Dezil unterscheidet sich zudem von den anderen Dezilen dadurch, dass diese Personen mit knapp der Hälfte auch sonstige Immobilien besitzen, zu rund einem Fünftel über Betriebsvermögen und Wertsachen verfügen und auch bei den Hypotheken auf sonstige Immobilien mit 16 Prozent hervorstechen.
Am unteren Ende der Vermögensverteilung sind zwei Verbindlichkeiten besonders häufig anzutreffen. Dies sind Konsumentenkredite, die von rund der Hälfte der Personen aufgenommen wurden, und Ausbildungskredite, die 17 Prozent der Personen aus dem ersten Dezil aufweisen.
Zuletzt wird analysiert, wie sich die einzelnen Vermögenskomponenten im Zeitraum 2012 bis 2017 je VermögensbesitzerIn nominal im Wert verändert haben (Tabelle 2). Den absolut stärksten Wertzuwachs mit 45000 Euro erfuhr das Betriebsvermögen für diejenigen, die angaben, diese Vermögensart zu halten. Der selbstgenutzte Immobilienbesitz stieg um 30500 Euro an Wert, während der sonstige Immobilienbesitz um knapp 27700 Euro an Wert gewann. Alle andere Bruttovermögenskomponenten veränderten sich in der absoluten Höhe deutlich geringer.
Mittelwert in Euro nur derjenigen, die die jeweilige Vermögenskompente haben
2002 | 2007 | 2012 | 2017 | 2017 inklusive dem Wert von Kraftfahrzeugen und nach Abzug von Studienkrediten | Absolute Veränderung 2012/2017 | |
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Je erwachsener/m VermögensbesitzerIn Mittelwert in Euro |
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Bruttovermögen | 133161 | 133613 | 134379 | 168012 | 156616 | 33633 |
selbstgenutztes Wohneigentum | 139277 | 138981 | 139910 | 170437 | 170437 | 30527 |
sonstige Immobilien | 174275 | 184439 | 167929 | 195581 | 195581 | 27652 |
Geldvermögen | 22758 | 27241 | 29445 | 36560 | 36560 | 7115 |
Betriebsvermögen | 219652 | 217160 | 198735 | 244076 | 244076 | 45341 |
Wertsachen | 18462 | 23728 | 15231 | 15014 | 15014 | −217 |
Versicherungen & Bausparvermögen | 20037 | 20093 | 18857 | 21779 | 21779 | 2922 |
Versicherungen1 | 18871 | 16978 | 21401 | 21401 | 4423 | |
Bausparvermögen1 | 9895 | 9904 | 10491 | 10491 | 587 | |
Fahrzeuge | 9770 | |||||
Schulden | 53325 | 51744 | 50069 | 57415 | 54400 | 7346 |
Hypotheken auf selbstgenutzte Immobilien | 47127 | 53764 | 53464 | 60191 | 60191 | 6727 |
Hypotheken auf sonstige Immobilien | 105964 | 106551 | 92548 | 112957 | 112957 | 20409 |
Konsumentenkredite | 21493 | 14890 | 15560 | 18754 | 18754 | 3194 |
Studienkredite | 8047 |
1 In 2002 nicht getrennt erhoben.
Anmerkungen: Individuelle Nettovermögen der Personen ab 17 Jahren in Privathaushalten, ohne Personen der Flüchtlingssamples M3 bis M5. ohne den Wert von Kraftfahrzeugen und ohne die Restschuld von Ausbildungskrediten.
Quelle: SOEPv34, mit 0,1 Prozent Top-Coding; eigene Berechnungen.
Auf Seiten der Verbindlichkeiten ist insgesamt ein Anstieg um 7300 Euro zu beobachten, der bei den Hypotheken auf sonstige Immobilien mit rund 20500 Euro überdurchschnittlich hoch ausfiel.
Das Nettovermögen hat in Deutschland im Zeitraum 2012 bis 2017 deutlich zugenommen und ist weiterhin sehr ungleich verteilt. Die Vermögensungleichheit hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert und rangiert weiterhin auf einem auch im internationalen Vergleich hohen Niveau.
Im politischen Raum wird häufig die Vermögensteuer als ein Instrument vorgeschlagen, um die Vermögensungleichheit zu reduzieren. Zwar kann eine solche Steuer fiskalische Mehreinnahmen generieren, jedoch ist deren Erhebung mit verschiedenen Problemen verbunden. So ist ihre Wirkung auf die Vermögensungleichheit bei den diskutierten Steuersätzen vernachlässigbar.Vgl. Stefan Bach und Andreas Thiemann (2016): Hohes Aufkommenspotential bei Wiedererhebung der Vermögensteuer. DIW Wochenbericht Nr. 4, 79–89 (online verfügbar); Stefan Bach, Martin Beznoska und Viktor Steiner (2010): Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Grünen Vermögensabgabe: Forschungsprojekt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Politikberatung kompakt 59, III (online verfügbar). Die Vermögensbestände müssten alle bewertet und regelmäßig aktualisiert werden. Zudem ist von Ausweichreaktionen auszugehen, da Vermögen ins Ausland verlagert werden dürfte. Als ertragsunabhängige Steuer kann die Vermögensteuer zudem in einer Rezession die negativen Auswirkungen des Abschwungs auf die Gesamtwirtschaft verschärfen.Vgl. Christoph Spengel, Lisa Evers und Maria Theresa Evers (2013): Probleme einer Vermögensteuer in Deutschland: Eine ökonomische Analyse. Viertelsjahrsheft zur Wirtschaftsforschung, 82(1), 129–146 (online verfügbar).
Will man anhand anderer politischer Maßnahmen das hohe Ausmaß an Vermögensungleichheit reduzieren, bietet es sich an, statt einer Vermögensteuer die Vermögensbildungspolitik neu auszurichten. Bisherige Maßnahmen waren noch nicht ausreichend, weil sie vielfach komplex, bürokratisch in der Beantragung, die Förderbeträge überschaubar und in der Regel zu gering waren, um nachhaltig Vermögenswerte auch bei unteren oder mittleren Einkommensschichten aufzubauen: So führt das erst kürzlich eingeführte Baukindergeld zu Mitnahmeeffekten und wirkt sich vor allem treibend auf die Immobilienpreise aus.Vgl. Claus Michelsen, Stefan Bach und Michelle Harnisch (2018): Baukindergeld: Einkommensstarke Haushalte profitieren in besonderem Maße. DIW aktuell Nr. 14 (online verfügbar). Die staatliche Wohnungsbauprämie, die Arbeitnehmersparzulage und auch der steuerliche Freibetrag beim Erwerb von Belegschaftsaktien fördern nur einen begrenzten Personenkreis und diesen oft auch nur mit sehr geringen Beträgen. Auch die private Altersvorsorge durch staatliche Zuschüsse und Steuervorteile bei der Riester- oder Rürup-Rente trägt nicht ausreichend zur Vermögensbildung einkommensschwacher Haushalte bei.Vgl. Kornelia Hagen und Axel Kleinlein (2011): Zehn Jahre Riester-Rente: kein Grund zum Feiern. DIW Wochenbericht Nr. 47, 3–14 (online verfügbar); Giacomo Corneo, Johannes König und Carsten Schröder (2015): Distributional Effects of Subsidizing Retirement Saving Accounts: Evidence from Germany. Economics Discussion Paper. School of Business & Economics, Freie Universität Berlin 18. Insgesamt beläuft sich das staatliche Fördervolumen zur Vermögensbildung derzeit auf weniger als vier Milliarden Euro und damit nur noch ein Drittel dessen, was noch 2004 zur Verfügung stand.Vgl. Timm Bönke und Henrik Brinkmann (2017): Privates Vermögen und Vermögensförderung in Deutschland. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh. Auch der Sparerfreibetrag in Höhe von 801 Euro für eine Einzelperson wurde seit 2009 nicht mehr verändert und ist damit real deutlich gesunken.
Um die Vermögensbildung vor allem in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung zu fördern, sollten die verschiedenen Instrumente gebündelt und fokussiert werden. Das staatliche Fördervolumen sollte zumindest wieder auf das Niveau des Jahres 2004, also zwölf Milliarden Euro, angehoben werden. Darüber hinaus bietet es sich an, insbesondere die private Altersvorsorge stärker an Modellen aus dem Ausland wie in Schweden zu orientieren, die eine weitaus höhere Rendite erzielen als die in Deutschland geförderten Riester- und Rürup-Renten.Vgl. Andreas Knabe und Joachim Weimann (2017): Die Deutschlandrente: Ein Konzept zur Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge. ifo Schnelldienst, 18, 25–33; Bundesrat (2018): Antrag des Landes Hessen. Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge. Drucksache 65/18. Vgl. auch das Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung 1/2019: „Zukunft der kapitalgedeckten Alterssicherung in Deutschland – zwischen Staatsfonds und individuellem Vermögenskonto“, im Erscheinen. Zudem sollte der private Immobilienbesitz effizienter gefördert werden, zum Beispiel durch ein staatliches Mietkaufmodell.Vgl. Peter Gründling und Markus M. Grabka (2019): Staatlich geförderter Mietkauf kann einkommensschwachen Familien Weg in die eigenen vier Wände ebnen. DIW Wochenbericht Nr. 29, 499–506 (online verfügbar).
Themen: Verteilung, Ungleichheit
JEL-Classification: D31;I31
Keywords: Wealth Inequality, wealth portfolio, SOEP
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-40-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/204889