Direkt zum Inhalt

Die Vermögensbildungspolitik in Deutschland ist dringend reformbedürftig: Interview

DIW Wochenbericht 40 / 2019, S. 746

Markus M. Grabka, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  142 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.85 MB)

Herr Grabka, Sie haben untersucht, ob die Vermögensungleichheit in Deutschland weiter zunimmt. Wie groß ist die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland? Die Vermögensungleichheit in Deutschland hat über die letzten zehn Jahre nicht weiter zugenommen, sondern verharrt auf einem im internationalen Vergleich weiterhin hohen Niveau. Wenn man das private Vermögen in der Mitte der Vermögensverteilung zu den oberen zehn Prozent ins Verhältnis setzt, so kann man sagen, dass die am oberen Rand etwa zehnmal so viel Vermögen halten wie diejenigen in der Mitte.

Wie hat sich das Nettovermögen der Deutschen in den letzten Jahren entwickelt? Die Nettovermögen in Deutschland haben um mehr als 20 Prozent zugenommen. Nach unseren aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2017 beträgt das durchschnittliche Vermögen der erwachsenen Personen in Deutschland knapp 110000 Euro. Der Median, also der Wert, der die untere Hälfte von der oberen Hälfte trennt, liegt etwa bei 26000 Euro. Die größten Zuwächse hat es verständlicherweise bei denjenigen gegeben, die Immobilien besitzen. Insbesondere die selbstgenutzten Immobilien haben in Deutschland stark an Wert gewonnen und zwar um mehr als 25 Prozent. Aber auch das Betriebsvermögen hat in den Jahren zwischen 2012 und 2017 zugenommen.

Welches Bild zeigt sich, wenn man die Vermögenszuwächse mit dem Einkommen in Beziehung setzt? Natürlich weisen diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, üblicherweise auch ein geringes Vermögen auf, zumindest im Durchschnitt. Andererseits haben diejenigen, die aufgrund eines hohen Einkommens in der Lage sind zu sparen, auch eher ein hohes Vermögen. Wenn man sich aber die Veränderungen in den letzten fünf Jahren zwischen 2012 und 2017 ansieht, ist dort die Schere zwischen den Ärmeren und den Reicheren auseinandergegangen. Das heißt, die Einkommensschwachen haben sogar Vermögen abgebaut, während das Vermögen der Einkommensstarken, insbesondere natürlich der obersten zehn Prozent, weiter gewachsen ist.

Welche Unterschiede gibt es bei der Vermögensungleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland? Beim privaten Vermögen in Ost- und Westdeutschland zeigen sich weiterhin große Unterschiede, die vor allen Dingen je nach Alter der befragten Personen deutlich unterschiedlich ausfallen. Bei jungen Erwachsenen, die nach der Wiedervereinigung geboren wurden, sind die Vermögensunterschiede erfreulicherweise recht gering. Je älter jedoch die Personen sind, desto stärker zeigen sich die Vermögensdifferenzen. Das heißt, bei denjenigen, die in Westdeutschland aufgewachsen sind oder in Westdeutschland leben, insbesondere rund um das Verrentungsalter, liegen die durchschnittlichen Vermögen bei rund 200000 Euro. In Ostdeutschland liegen die entsprechenden Werte bei unter 70000 Euro. Das liegt vor allem daran, dass in der DDR das regelmäßige Sparen für die Kapitalakkumulation systembedingt nicht erwünscht war. Weiterhin wirken sich hier die geringeren durchschnittlichen Grundstückswerte in Ostdeutschland negativ aus.

Was kann die Politik tun, damit die Vermögensschere nicht noch weiter auseinandergeht? Eine spontane Reaktion wäre natürlich die Einführung einer Vermögensteuer. Die ist aber mit diversen Problemen und bürokratischem Aufwand verbunden. Auch haben Steuersätze von zum Beispiel einem Prozent Vermögensteuer faktisch keine nennenswerte Außenwirkung auf die Höhe der Vermögensungleichheit. Daher lohnt es sich, auf alternative Politikinstrumente zu schauen. Die Vermögensbildungspolitik in Deutschland ist dringend reformbedürftig und die Förderbeträge sollten deutlich angehoben werden.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Markus M. Grabka
Die Vermögensbildungspolitik in Deutschland ist dringend reformbedürftig - Interview mit Markus M. Grabka

Markus M. Grabka

Senior Researcher in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

keyboard_arrow_up