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„EU-Gipfel ist größerer Erfolg als zunächst ersichtlich“

Statement vom 21. Juli 2020

Die Ergebnisse des EU-Gipfels kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

BlockquoteDer EU-Gipfel war ein quälend langer Prozess – doch das bedeutet nicht, dass am Ende nichts Zählbares herausgekommen wäre. Im Gegenteil: Die Ergebnisse und Beschlüsse zu einem europäischen Wiederaufbaufonds mit einem Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro sind ein größerer Erfolg, als es zunächst scheint. Es handelt sich nicht bloß um Transfers und Kredite, die die von der Corona-Pandemie gerissenen wirtschaftlichen Löcher stopfen sollen. Der Wiederaufbaufonds schafft ein neues Instrument, um europäische Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Er ist der Startpunkt für eine Transformation in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung, kann die europäische Wirtschaft neu und zukunftsfest aufstellen und besser für künftige Krisen wappnen. Das Programm könnte der Grundstein sein für eine europäische Fiskalunion, denn es gesteht erstmals explizit ein, dass fiskalische Transfers nötig sind, um Europa voranzubringen – und das dafür auch die gemeinsame Aufnahme von Schulden sinnvoll ist. Auch wenn hierzulande viele erst einmal jammern werden, ist der getroffene Kompromiss ein großer Gewinn, gerade auch für Deutschland. Gegenüber dem immer nationalistischeren Auftreten Chinas und der USA können wir unsere Interessen nur als Teil eines starken Europas wahren. Es kommt jetzt darauf an, dass Europa nicht nur auf dem Papier des Gipfeldokuments, sondern auch in der Praxis auf den Weg des Miteinanders und der Integration zurückfindet. Dann hätten Kanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz direkt zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen großen Erfolg gelandet.

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