DIW Wochenbericht 39 / 2020, S. 766
get_appDownload (PDF 78 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 4.29 MB)
Ein dynamisches Gründungsgeschehen, das Wachstumsimpulse durch zukunftsweisende Innovationen setzt, ist gerade in Krisenzeiten wünschenswert. Doch darauf können wir derzeit nur begrenzt hoffen. Die Covid-19-Krise trifft das Gründungsgeschehen in Deutschland gleich mehrfach hart, und die Bundesregierung hat darauf noch nicht ausreichend reagiert.
Derzeit droht nicht nur Selbständigen, sondern gerade den frisch gegründeten Unternehmen eine Welle von Geschäftsaufgaben und Pleiten. Nun kann man argumentieren, dass in der Frühphase der Umsetzung einer Geschäftsidee die ökonomische Unsicherheit ein fester Bestandteil unternehmerischer Aktivitäten sei, weshalb der Staat Gründungen nicht finanziell unterstützen sollte. Die Corona-Pandemie und die deswegen verordneten Ausgangsbeschränkungen haben jedoch einen systemischen Schock ausgelöst, für den die Gründer und Start-ups keine Verantwortung tragen.
Fakt ist zunächst: Die Zahl der Gründungen ist seit Beginn der Pandemie zurückgegangen. Auch künftig ist nicht mit mehr, sondern mit weniger Gründungen zu rechnen, wie ein Blick auf die Zeit nach der Finanzkrise zeigt. Damals wirkte sich selbst zwei Jahre später die Finanzkrise noch immer negativ auf das Gründungsgeschehen aus. Davon können wir auch dieses Mal ausgehen.
Verstärkt werden könnte eine solche negative Entwicklung durch ein weiteres Problem: Die aktuelle Krise hat Selbständige anteilig stärker getroffen als abhängig Beschäftigte. Gleichzeitig erhalten sie von staatlicher Seite weniger Unterstützung. Die Sofort- und Überbrückungshilfen sind nicht ausreichend zielgenau. Zum einen sind sie für Gründungen ohne hinreichende Marktaktivitäten kaum zugänglich. Zum anderen decken die Hilfen nur fixe Betriebskosten der Unternehmungen, was vielen Selbständigen nur begrenzt hilft.
Das Letzte, was der Standort Deutschland derzeit braucht, ist aber, dass die in den vergangenen Jahren zunehmend positive Einstellung zu Unternehmertum und Gründungen durch die aktuelle Entwicklung Schaden nimmt. Das hat die Bundesregierung im Prinzip erkannt und erste Maßnahmen auf den Weg gebracht. Vor allem hat der Bund eine Unterstützung von zwei Milliarden Euro für „Start-ups“ und „Scale-ups“, also groß gewordene Start-ups zugesagt. Diese machen aber weniger als ein Prozent aller Gründungen aus. An der breiten Mehrheit der Gründungen geht dieser Topf vorbei.
Daher gilt es, die staatlichen Instrumente differenzierter auszugestalten: Zum einen sollte der „Start-up-Schutzschild“, der sich auf Start-ups aus der Zeit vor der Krise konzentriert, durch Finanzierungsangebote für innovative Gründungen ergänzt werden, die Marktlücken in der Krise aufgrund des veränderten Marktgeschehens aufgetan haben. Gründungen also, die den Strukturwandel vorantreiben oder Antworten auf die gesundheitlichen Herausforderungen in Folge der Covid-19-Pandemie liefern wollen und in diesen Krisenzeiten auf einen vorsichtigeren Risikokapitalmarkt stoßen.
Gleichzeitig muss der Bund genau prüfen, bei welchen größeren Start-ups aus der Zeit vor der Krise er sich über den Schutzschild mit Beteiligungskapital engagieren möchte. Das führt zurück zur Grundsatzdiskussion über staatliche Hilfen für Gründungen. Wenn der Staat in der zweiten Phase dieser Krise bei Start-ups sogar als Kapitalgeber einsteigen will, sollte er sich auf solche konzentrieren, deren Geschäftsideen trotz oder gerade in diesen unsicheren Zeiten noch eine Zukunft haben, auch wenn das nicht immer leicht zu beurteilen sein wird.
Zum anderen sollte dem drohenden Einbruch im Gründungsgeschehen entgegengewirkt werden. Dies gilt umso mehr, als die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten ansteigen wird. Um Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus zu fördern, wäre die Wiederbelebung des Gründungszuschusses ein geeignetes Instrument.
Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung die Prioritäten nachjustiert, um weitere Wachstumsimpulse zu setzen. Es ist an der Zeit, dass sich in Reaktion auf diese Krise ein dynamisches Gründungsgeschehen entfaltet – es kann das ersehnte Comeback der Wirtschaft nur stärken.
Themen: Unternehmen, Gesundheit, Forschung und Entwicklung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-39-6
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/226749