DIW Wochenbericht 13/14 / 2021, S. 248
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Die zweite Phase der pandemiebedingten Ausgangsbeschränkungen dauert nun schon geschlagene fünf Monate an. Auch im April ist mit keinen größeren Öffnungsperspektiven zu rechnen. Ganz im Gegenteil: Trotz aller Eindämmungsmaßnahmen rollt die dritte Welle der Pandemie bereits auf uns zu, Rufe nach einem schärferen Lockdown mehren sich.
Trotzdem kommt die Wirtschaft ganz anders durch diese zweite Phase: Vor allem das verarbeitende Gewerbe produziert durchgehend stabil und wächst sogar, solange es nicht zu Lieferengpässen kommt. Verstärkt durch das Allzeithoch des Deutschen Aktienindex im laufenden Monat wird der Eindruck erweckt, als stünde trotz Pandemie wirtschaftlich alles zum Besten. Doch es ist bei weitem nicht so. Die Ausgangsbeschränkungen treffen ganz bestimmte Bereiche erheblich, vor allem den stationären Handel, die Gastronomie und Hotellerie, die Kultur- und Kreativwirtschaft, die Eventbranche, die Reisebranche und verschiedene weitere Dienstleistungsbereiche. Ihre massiven wirtschaftlichen Sorgen werden von den insgesamt noch positiven Prognosen über den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts verdeckt.
Das Problem für die Politik ist, dass in den betroffenen Branchen anteilig mehr Selbständige arbeiten als etwa im verarbeitenden Gewerbe, es aber kein bewährtes Instrumentarium zur Unterstützung von Selbständigen in einer solchen Krise gibt, anders als etwa mit dem Kurzarbeitergeld bei den abhängig Beschäftigten. Trotzdem hat es nicht an Versuchen gemangelt, dieser Erwerbsform staatliche Unterstützung zukommen zu lassen. Nach der Soforthilfe wurde im weiteren Verlauf der Pandemie mit den Überbrückungshilfen I, den Überbrückungshilfen II (einschließlich der November- und Dezemberhilfen) und den Überbrückungshilfen III (einschließlich der Neustarthilfe für Soloselbständige) sowie steuerlicher Maßnahmen eine inzwischen unübersichtliche Zahl von Hilfspaketen auf den Weg gebracht.
Aber so beeindruckend diese Vielzahl von Hilfspaketen erscheint, geholfen haben sie den betroffenen Selbständigen nur sehr begrenzt. Mit Ausnahme der Neustarthilfe, die in überschaubarem Ausmaß Lebenshaltungskosten deckt, ersetzen alle anderen Hilfen fixe Betriebskosten. Viele Selbständige haben aber, vor allem wenn sie wie immerhin mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland soloselbständig sind, kaum fixe Betriebskosten.
Und während die Soforthilfe immerhin unkompliziert innerhalb weniger Tage ausbezahlt wurde, warten viele Selbständige im März 2021 noch immer auf die so genannten Novemberhilfen des Jahres 2020. Auch das Stellen der Hilfsanträge erweist sich als zunehmend aufwendig und kostspielig, muss doch eine Steuerberatung zwischengeschaltet sein.
All das schwächt die Wirkung der finanziellen Hilfen ganz erheblich. Selbständige sind aufgrund der coronabedingten und staatlich verfügten Eindämmungsmaßnahmen finanziell in Not geraten. Weitere Maßnahmen wie Home-Schooling setzen sie noch zusätzlich unter Druck. Was sie in dieser Situation von der Politik brauchen, ist eine verlässliche, mit wenig Aufwand zu beantragende und schnell gewährte finanzielle Hilfsleistung. Leider trifft kaum eine der Beschreibungen auf die vielen Hilfspakete zu.
Unter den betroffenen Selbständigen macht sich derzeit zunehmend Resignation breit – denn trotz vielfacher Rückkoppelungen zeigt sich die Bundesregierung nicht bereit, sie in dieser systemischen Krise wirkungsvoll und verlässlich zu unterstützen, so wie das in anderen Bereichen geschieht. Hinzu kommt ein zweites Problem. Auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie stehen in der Diskussion über den Umgang mit der Pandemie prioritär Einschränkungen zur Diskussion. Konzepte, die schrittweise Öffnungen auf Basis von Impfungen, Hygienemaßnahmen, Tests und digitalen Nachverfolgungsstrategien anstreben, finden sich dagegen nur in vereinzelten Pilotprojekten. Es ist höchste Zeit, aus erfolgreichen Pilotprojekten eine Öffnungsstrategie zu entwickeln, die alle verfügbaren modernen Technologien einsetzt und entsprechend nicht die dritte Welle der Pandemie verstärkt. Selbständige brauchen dringend eine solche Perspektive.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-13-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/233786