DIW Wochenbericht 17 / 2021, S. 291-299
Pio Baake, Kay Mitusch
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„Wenn der flächendeckende Mobilfunknetzausbau auch in dünn besiedelten Regionen gelingen soll, muss die Politik die Regulierung den Kooperationsmodellen der Anbieter anpassen. Roaming könnte ein Weg sein, Anbieter- und Konsumenteninteressen zu verbinden.“ Pio Baake
Die Bundesnetzagentur hat im Rahmen der Frequenzvergabe 2019 für den Mobilfunk die Netzanbieter verpflichtet, einen bestimmten Versorgungsgrad der Bevölkerung zu erreichen. Erstmals wurden dabei auch Kooperationen zwischen verschiedenen Netzanbietern erlaubt. Es wurde jedoch offengelassen, welche Formen der Kooperation zulässig sind. Dieser Bericht zeigt anhand einer Modellrechnung, dass die Anbieter durch gemeinsame Nutzung von Netzinfrastrukturen Kosten sparen können. Allerdings sinkt dadurch die insgesamt erreichte Netzabdeckung, wenn die regulatorischen Vorgaben nicht angepasst werden. Ein Weg, die Netzabdeckung und gleichzeitig den Nutzen der KonsumentInnen zu erhöhen, wäre, die Regelungen des internationalen Roamings auf den nationalen Rahmen zu übertragen. Hierbei können Netzanbieter andere Netze zur Übertragung von Daten und Gesprächen, nicht aber zum Angebot eigener Netzanschlüsse nutzen. Insgesamt zeigt sich, dass mit der Vorgabe einer Mindestversorgung Kooperationen zwischen den Anbietern möglich sind, von denen sowohl die KonsumentInnen als auch die Anbieter profitieren. KonsumentInnen können dabei von Gebietsabsprachen zwischen den Anbietern profitieren – sofern sichergestellt ist, dass der geforderte Versorgungsgrad erreicht wird.
Der nur langsam voranschreitende Breitbandausbau ist ein Dauerthema in Deutschland. Ein besonderes Problem stellt dabei die Versorgung dünn besiedelter Regionen mit schnellem Internet dar. Während die Versorgung der einzelnen Haushalte mit Glasfaser besonders langwierig und in vielen Fällen auch unverhältnismäßig teuer ist, bietet sich schneller Mobilfunk (3G- bis 5G-Standards) als Alternative an. Im Mobilfunkbereich ergeben sich zudem mit den regelmäßigen Frequenzauktionen immer wieder Gelegenheiten, die lizenznehmenden Mobilfunkunternehmen zu einem weiteren Netzausbau zu verpflichten.
So verknüpfte die Bundesnetzagentur bei der Versteigerung von Frequenzbändern im Jahr 2019 mit dem Erwerb von Lizenzen die Verpflichtung, bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde zu erschließen.Mit dem UMTS-Standard können Übertragungsraten bis zu 42 Megabit pro Sekunde erreicht werden. Zudem müssen in zuvor definierten „weißen Flecken“ – Gebiete, die bisher nicht versorgt wurden – mindestens 500 (Mobilfunk-)BasisstationenAls Basisstation wird ein ortsgebundener Funkmast bezeichnet, der entweder über Kabel oder Richtfunk mit anderen Funkmasten verbunden ist. mit dieser Leistungsfähigkeit in Betrieb genommen werden. Außerdem sind Autobahnen und ICE-Strecken zu versorgen.Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November 2018 (Aktenzeichen: BK1-17/001) (online verfügbar, abgerufen am 20. April 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Ergänzt wird die Netzabdeckungspolitik durch die neue staatliche Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft, die ab 2021 mit den Erlösen aus der Frequenzauktion den Netzausbau in den verbleibenden weißen Flecken vorantreiben und diese so fast vollständig beseitigen soll.Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019): 5-Punkte-Plan zur Mobilfunkstrategie (online verfügbar). Die Bundesnetzagentur hat bereits angekündigt, dass im Rahmen zukünftiger Frequenzvergaben ab 2025 und ab 2030 voraussichtlich weitere Ausbauverpflichtungen formuliert werden.Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur (2018), a.a.O., 3. Diese werden sich vermutlich auf höhere Leistungsfähigkeiten und Übertragungskapazitäten in den dünn besiedelten Regionen beziehen.
Allerdings dürfen bei Auflagen zur Netzabdeckung Maß und Mitte nicht verloren gehen. Eine hundertprozentige Abdeckung durch jeden einzelnen Mobilfunkanbieter würde hohe Kosten erzeugen und wäre auch aus gesellschaftlicher Sicht nicht mehr sinnvoll. In sehr dünn besiedelten Regionen wird der Mobilfunk zum natürlichen Monopol, in dem ein wettbewerblicher Infrastrukturausbau mit getrennten Netzen ineffizient wäre. In den letzten Jahrzehnten haben sich daher im Mobilfunk weltweit sogenannte Network Sharing Agreements (NSA) etabliert (Kasten 1). Mit NSAs vereinbaren Mobilfunkanbieter, ihre Netzinfrastruktur gemeinsam zu nutzen. Die Regulierungsbehörden dulden die NSAs häufig, teilweise werden sie sogar gefördert und gefordert (Kasten 2).
Es wird zwischen passivem und aktivem Sharing unterschieden: Passives Network Sharing bezeichnet die gemeinsame Verwendung von Netzelementen, die keine Telekommunikationssignale verarbeiten oder umwandeln und damit nicht speziell für die Übertragung von Signalen vorgesehen sind. Beispiele umfassen Ko-Lokationen, etwa wenn Standorte für den Bau von Basisstationen geteilt werden und Masten oder andere tragende Konstruktionen gemeinsam genutzt werden.
Bei aktivem Network Sharing werden technische Elemente, die Signale erzeugen, verarbeiten, verstärken und steuern können, gemeinsam verwendet. Beim RAN (Radio Access Networks) Sharing steht die gemeinsame Nutzung von Netzzugangsgeräten einschließlich der aktiven Elemente der Basisstationen und möglicherweise der Antennen im Mittelpunkt. Beim MORAN-Sharing (Multi-Operator Radio Access Network) werden alle aktiven Elemente eines Funknetzes gemeinsam genutzt, eine gemeinsame Nutzung des Funkspektrums findet jedoch nicht statt. Beim MOCN-Sharing (Multi Operator Core Network) werden schließlich auch die Frequenzen zumindest teilweise gemeinsam genutzt. Die Nutzer können daher über alle Frequenzen auf die Dienste ihres jeweiligen Mobilfunknetzanbieters zugreifen.
Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten des aktiven Network Sharing liegen in den Möglichkeiten der Netzbetreiber, angebotene Dienste beispielsweise mit Blick auf Übertragungsqualitäten selbständig zu bestimmen.
Nationales/lokales Roaming ist eine Form der Kooperation, bei der ein Betreiber die Netze eines anderen Betreibers innerhalb desselben Landes nutzt, um seinen Nutzern Netzzugang und Dienste anzubieten. Roaming ist somit grundsätzlich eine Vereinbarung des einseitigen Netzzugangs. Wenn Unternehmen in unterschiedlichen Gebieten investieren, können sie sich dort wechselseitig Zugang gewähren, so wie es im internationalen Kontext häufig der Fall ist.
Europaweit kooperieren Mobilfunkanbieter in verschiedenen Ländern über sogenannte Network Sharing Agreements (NSAs). Die Kooperationen variieren in der Form des Sharings und den genutzten Technologien (Tabelle).
Land und Jahr | Art des Sharing, Technologie | Beteiligte Unternehmen |
---|---|---|
Schweden 2001 | RAN Sharing für UMTS (3G) | Telia und Tele2 gründen das Joint Venture Svenska UMTS Nät AB (SUNAB) für den Betrieb ihrer gemeinsamen 3G-Netzinfrastruktur. Ähnlich gründen Telenor und Tre das Joint Venture 3GIS für den Betrieb ihrer gemeinsamen 3G-Netzinfrastruktur außerhalb der großen Städte. |
Schweden 2009 | RAN Sharing für LTE (2G bis 5G) | Telenor und Tele2 gründen das Joint Venture Net4Mobility für den Betrieb ihrer gemeinsamen Netzinfrastruktur. |
Frankreich 2011 | National Roaming für UMTS (3G) | Free Mobile nutzt das Netz von Orange (France Telecom). |
Österreich 2012 | National Roaming für GSM (2G) und UMTS (3G) | Drei nutzt das 2G-Netz von T-Mobile und T-Mobile nutzt das 3G-Netz von Drei. |
Frankreich 2014 | RAN Sharing für 2G, 3G und 4G | SFR und Bouygues Telecom |
Spanien 2017 | National Roaming für GSM (2G), UMTS (3G) und LTE (4G) | Yoigo besitzt eigene 2G/3G/4G-Lizenzen, hat aber nur in Ballungsgebieten eigene Infrastruktur. Außerhalb der eigenen Versorgungsgebiete existiert ein ‚National Roaming‘-Abkommen mit Orange (France Telecom). |
Italien 2017 | National Roaming für GSM (2G), UMTS (3G) und LTE (4G) | Iliad als neuer Marktteilnehmer hat sowohl die Möglichkeit zum Erwerb von Standorten erhalten, die nach dem Zusammenschluss von Wind und Tre zu WindTre abgegeben werden mussten, als auch ein ‚National Roaming‘-Abkommen mit dem vereinigten Netz für 5 Jahre bekommen. |
Deutschland 2019 | Passives Sharing (Sendemasten) für alle Technologien | Vereinbarung zur Erschließung weißer Flecken zwischen Deutscher Telekom, Vodafone und Telefonica/O2. |
Großbritannien 2021 | Mast Sharing für 4G | O2, Three und Vodafone bauen und teilen 222 4G-Sendemasten in ländlichen Gebieten, v.a. in Schottland, als Teil des Shared Rural Network (SRN). |
Quelle: Online-Recherchen.
In Deutschland hat die Bundesnetzagentur bereits in einer Entscheidung von 2010 das passive Network Sharing zugelassen, bei dem etwa Standorte für den Bau von Basisstationen geteilt oder Masten und andere tragende Konstruktionen gemeinsam genutzt werden.Bundesnetzagentur (2010): Gemeinsame Nutzung von Funknetzinfrastruktur und Funkressourcen (online verfügbar). Die Frequenzauktion von 2019 erlaubte den Mobilfunkbetreibern in dünn besiedelten Regionen erstmals auch Kooperationen, die über passives Sharing hinausgehen. Dies gilt für die 500 Basisstationen in zuvor definierten weißen Flecken und für die Versorgung von Autobahnen und ICE-Strecken.
Damit wird das Prinzip des Infrastrukturwettbewerbs, das die Regulierung im Mobilfunk prägt, punktuell durchbrochen. Die genaue Art der Kooperation wurde allerdings nicht geregelt. Kooperationen müssen angezeigt werden und Bundesnetzagentur und Kartellamt behalten sich vor, fallweise einzuschreiten und zusätzliche Bedingungen zu formulieren.„Infrastruktur-Sharing und Roaming können einen Beitrag zur besseren Mobilfunkversorgung leisten. Frequenzzuteilungsinhaber können unter Beachtung des Wettbewerbs- und Kartellrechts Kooperationen zum gemeinsamen wirtschaftlichen Netzausbau eingehen (so genanntes „burden sharing“).“ Bundesnetzagentur (2010), a.a.O., 4.
In der Diskussion zum Network Sharing geht es um mindestens drei Themen:
NSAs bezüglich des ersten und zweiten Themas sind freiwillige Kooperationen auf Augenhöhe, bei denen sich die Unternehmen wechselseitig Zugang zu ihren Netzinfrastrukturen gewähren oder gemeinsam investieren, häufig in Form von Joint Ventures. Ihnen steht die Sorge entgegen, dass sie die Wettbewerbsintensität zwischen den beteiligten Unternehmen verringern und deren Anreize für zukünftige Innovationen einschränken könnten. Der im dritten Thema angesprochene Netzzugang eines Newcomers ist hingegen einseitiger Natur und wird Roaming genannt. Mit der Verpflichtung, Netzzugang zu gewähren – wie aktuell in der Novelle des Telekommunikationsgesetzes diskutiert –, verbindet sich die Hoffnung auf mehr Wettbewerb auf der Service-Ebene, aber auch die Sorge, dass die Investitionsanreize der etablierten Mobilfunkanbieter sinken könnten.
Bei der Netzabdeckung in dünn besiedelten Regionen geraten viele Bedenken gegen Network Sharing in den Hintergrund. So spielt es in dünn besiedelten Regionen eine untergeordnete Rolle, dass aktives Sharing die Möglichkeiten und Anreize für zukünftige Innovationen einschränken könnte, weil es dort weniger um innovative Technologien als um die Versorgung mit den etablierten Standardtechnologien geht (Kasten 2). Auch der Wettbewerb zwischen den Mobilfunkunternehmen kann durch diese Kooperationen allenfalls in der Peripherie, nicht jedoch in den Kerngebieten des bundesweiten Marktes beeinflusst werden. Es ist bisher kaum zu beobachten, dass sich die Mobilfunkpreise in dünn besiedelten Regionen von denen in Ballungsgebieten unterscheiden. Dies legt nahe, dass die Preise in der Peripherie von den wettbewerblichen Verhältnissen in den Ballungsgebieten bestimmt werden. Die auf dünn besiedelte Regionen beschränkten NSAs können daher durchaus langfristig und tiefgehend angelegt sein, also neben den passiven auch die aktiven Infrastrukturelemente wie Netzzugangsgeräte oder Antennen umfassen.
Um die Wirkungen von NSAs in dünn besiedelten Regionen zu beurteilen, werden in einer einfachen Modellrechnung (Kasten 3) verschiedene Regulierungsvarianten untersucht.Pio Baake und Kay Mitusch (mimeo), Cooperations between Mobile Operators. Angenommen wird, dass zwei Netzanbieter in einer dünn besiedelten Region neue Netze aufbauen sollen.Alternativ kann man das Modell auch darauf beziehen, dass bestehende Netze für neue Übertragungsstandards aufgerüstet oder ihre Übertragungskapazitäten erweitert werden sollen. Das wichtigste Regulierungsinstrument für die dünn besiedelten Regionen sind die Mindestausbauverpflichtungen. Diese werden in den folgenden Analysen mit verschiedenen Varianten ergänzender Regulierung verknüpft: Der Variante „getrennte Netze“, in der keine Kooperationen zulässig sind; der Variante „Network Sharing“, bei der die Mobilfunkanbieter die Netzinfrastrukturen der jeweils anderen Anbieter nutzen können;Zum Beispiel planen Deutschen Telekom und Telefonica/O2 ein passives und aktives Sharing in dünn besiedelten Regionen. Siehe Pressemitteilung der Telekom vom 19. Januar 2021: Telekom und Telefónica teilen Netzinfrastruktur für weiter verbesserte Netzversorgung (online verfügbar). sowie der Variante „beschränktes nationales Roaming“, die sich an den Regelungen des wechselseitigen internationalen Roamings orientiert und den KundInnen eines Anbieters ermöglicht, Netze anderer Anbieter zu nutzen. Im Gegensatz zum nationalen Roaming erlaubt beschränktes nationales Roaming den Anbietern nicht, auch Verträge oder Anschlüsse in Regionen ohne eigenes Netz anzubieten. Als weitere Dimension der Regulierung wird für jede dieser Varianten (sofern sinnvoll) untersucht, ob Gebietsabsprachen zugelassen oder verboten werden sollen. Hinsichtlich der Konsumentenpreise wird unterstellt, dass diese nicht für die dünn besiedelte Region gesondert festgelegt werden, sondern sich nach den national geltenden Preisen richten.
Die Variante getrennte Netze bedeutet, dass KundInnen eines Mobilfunkanbieters nur dort Netzzugang haben, wo der Anbieter ein eigenes Netz aufgebaut hat. Dabei muss jedes einzelne Netz die Mindestabdeckungspflicht erfüllen.
Mit einer numerischen Spezifikation (Kasten 3) wurden die Netzabdeckungen berechnet, die die beiden Mobilfunkanbieter bei dieser Regulierung wählen würden, wobei eine geforderte Netzabdeckung von zwei Dritteln der Bevölkerung angenommen wurde (Abbildung 1).Diese Anforderung ist geringer als die in Deutschland insgesamt geforderten 98 Prozent. Gegeben die hohe Bevölkerungszahl in Ballungsgebieten, die in der Regel zu 100 Prozent versorgt werden, reduzieren sich aber die Anforderungen für dünn besiedelte Regionen. Dabei wurde zunächst davon ausgegangen, dass keine Gebietsabsprachen getroffen werden dürfen. Die Anbieter wählen einen beträchtlichen Überlappungsbereich, doch gibt in der Peripherie auch exklusive Angebotsgebiete, so dass die gesamte Netzabdeckung die individuell geforderte Abdeckung von zwei Drittel übersteigt.
Betrachtet wird eine repräsentative dünn besiedelte Region, in der neue Netze aufgebaut werden müssen. Zwei konkurrierende Mobilfunkunternehmen stehen vor der Aufgabe, Mindestausbaupflichten zu erfüllen. Die Kosten für den Netzausbau steigen quadratisch in der Größe der von Netz abgedeckten Region :
wobei ein Kostenparameter ist. Die Bevölkerung in der Region ist auf einer Linie symmetrisch um ein Zentrum angesiedelt (Normalverteilung mit Varianz 1).
Beide Anbieter bieten Flatrate-Verträge an, deren identische Preise aus dem nationalen Kontext vorgegeben sind. Die Nachfrageentscheidungen der KonsumentInnen folgen einem Nested-Logit-Modell für einen zweistufigen Entscheidungsprozess: Soll überhaupt ein Mobilfunkvertrag abgeschlossen werden? Und wenn ja, mit welchem Anbieter?
In die Bewertung eines Anbieters durch einen Konsumenten geht die Größe des Gebietes, in dem er Netzzugang hat, positiv ein. Bei getrennten Netzen entspricht diese Größe dem individuell erschlossenen Gebiet . Bei Network Sharing und bei beschränktem Roaming entspricht sie dem gemeinsam erschlossenen Gebiet (also .
Die Pflicht der Mindestabdeckung wird bei getrennten Netzen und bei beschränktem Roaming durch die Restriktionen ausgedrückt, dass der Bevölkerungsanteil in jedem Gebiet mindestens dem vom Regulierer geforderten Wert Formel entsprechen muss, mit . Bei Network Sharing wird hingegen nur verlangt, dass das gemeinsam erschlossene Gebiet diese Bedingung erfüllen muss.
Für die numerische Spezifikation der Nachfrage im Nested-Logit-Modell werden folgende Werte angenommen: , wobei die Differenzierung der beiden Anbieter widerspiegelt und der deterministische Teil der Logit-Nutzenfunktion durch gegeben ist. Der Nutzen von „kein Vertrag“ ist auf Null normiert.
Der große Überlappungsbereich erklärt sich durch die Konzentration der Bevölkerung im Zentrum der Region. Doch sind die Netze nicht völlig identisch, weil die Unternehmen einen Anreiz haben, in einigen Gebieten der alleinige Anbieter zu sein und damit eine höhere Nachfrage zu erzielen. Diese exklusiven Bereiche (die sogenannten „grauen Flecken“) sind aber mit ungefähr 14 Prozent der gesamten Abdeckung relativ klein, da die Bevölkerungsdichte zum Rand hin abnimmt und daher größere Investitionen notwendig werden, um die Mindestabdeckungspflichten zu erfüllen.
Werden Gebietsabsprachen erlaubt, verschieben sich die Netze weiter nach außen, so dass der Überlappungsbereich kleiner und die exklusiven Bereiche größer werden. Insgesamt steigt dadurch die Netzabdeckung um etwa ein Prozent: Die Anbieter müssen die von ihnen versorgten Gebiete ausweiten, um die auf die gesamte Bevölkerung bezogene Mindestabdeckung zu erfüllen. Im Ergebnis steigern die Gebietsabsprachen nicht nur die Gewinne der Mobilfunkanbieter, sie nutzen auch den KonsumentInnen: Zum einen erhalten mehr KonsumentInnen Zugang zu mindestens einem Netz. Zum anderen können sie ihre Mobilfunkgeräte in einem größeren Gebiet nutzen. Beide Effekte gemeinsam überwiegen den negativen Effekt, dass ein kleinerer Teil der KonsumentInnen zwischen beiden Anbietern auswählen kann.
Doch selbst wenn Gebietsabsprachen erlaubt sind, überwindet diese begrenzte Form der Kooperation nicht ein grundlegendes Problem getrennter Netze: Wenn KundInnen eines Anbieters in das exklusive Gebiet des anderen Anbieters kommen, haben sie dort keinen Netzzugang. Dies schlägt sich negativ in der Bewertung eines Netzanschlusses durch die KundInnen nieder und senkt somit die Nachfrage und die Rentabilität der Netze.
Die zweite Regulierungsvariante erlaubt eine weitgehende Form des aktiven Network Sharing in den dünn besiedelten Regionen (Abbildung 2). Dabei kann jeder Mobilfunkanbieter gegebenenfalls auch das Netz des anderen Anbieters nutzen, um Netzzugang und Serviceleistungen und auch eigene Verträge anzubieten. Daraus folgt, dass die Mindestabdeckungspflicht für beide Netze gemeinsam gilt. Es ist daher unausweichlich, dass die Anbieter sich auch über Gebietsabsprachen koordinieren.
Aufgrund der Gebietsabsprache und der gemeinsamen Nutzung der Netze werden die Anbieter versuchen, die insgesamt erforderlichen Investitionskosten zu minimieren. Jeder Anbieter investiert in einem Gebiet, das sich vom Zentrum aus jeweils in nur eine Richtung erstreckt; die Netze überlagern sich nicht. Im Ergebnis entspricht die gesamte Netzabdeckung genau der geforderten Mindestabdeckung von zwei Dritteln der Bevölkerung.
Im Vergleich zur Variante getrennter Netze verlieren die Anbieter dadurch zwar an Nachfrage, profitieren aber von den geringeren Kosten für den Netzaufbau. Die KonsumentInnen haben in dem gesamten abgedeckten Gebiet die Auswahl zwischen beiden Anbietern, verlieren aber gegenüber getrennten Netzen aufgrund der insgesamt geringeren Netzabdeckung.
Lässt man schließlich zu, dass die Netzanbieter Preise für den Netzzugang beim jeweils anderen Anbieter vereinbaren können, ändern sich die Ergebnisse nicht: Netzzugangspreise führen zwar zu Zahlungen zwischen den Anbietern, jedoch gleichen sich diese aus und haben daher keinen Einfluss auf die Investitionsentscheidungen der Anbieter.
Die dritte Variante orientiert sich an den Regelungen des internationalen Roamings. Demnach wird zwischen einem „Bewohner“ und einem „Besucher“ eines Ortes unterschieden. BewohnerInnen können nur Verträge mit Mobilfunkanbietern abschließen, die an ihrem Wohnort ein eigenes Netz aufgebaut haben. Jedoch können sie als BesucherInnen ihr Handy auch dort nutzen, wo es nur ein Mobilfunknetz eines anderen Anbieters gibt. Dabei muss vermieden werden, dass KonsumentInnen durch „permanentes Roaming“ diese Unterscheidung umgehen. Dies kann durch Regelungen wie der Roaming-Verordnung 531/2012 der EU erreicht werden. Die Variante wird daher „beschränktes nationales Roaming“ genannt.Das betrachtete beschränkte nationale Roaming ist wechselseitiger Natur und unterscheidet sich damit von einem einseitigen nationalen Roaming, mit dem Neueinsteiger Zugang zu den Netzen der etablierten Anbieter erhalten sollen (und bei dem permanentes Roaming Voraussetzung für den Markteintritt ist). Im „BEREC Report on infrastructure sharing“ von 2018, 10, insbesondere Fußnote 4, wird wechselseitiges Roaming als eine Form des intensiven „active sharing with joint deployment“ betrachtet.
Diese Variante nimmt eine Zwischenstellung zwischen getrennten Netzen und Network Sharing ein. Wie beim Network Sharing haben auch beim beschränkten nationalen Roaming KundInnen eines Unternehmens überall dort Netzzugang, wo eines der beiden Unternehmen investiert hat. Da jedoch Verträge nur in Gebieten mit eigenem Netz angeboten werden können, gilt im Gegensatz zum Network Sharing die Verpflichtung zur Mindestabdeckung für jedes einzelne Netz.
Für die Investitionsentscheidungen der Anbieter bei beschränktem nationalen Roaming erhält man qualitativ die gleichen Ergebnisse wie im Fall getrennter Netze: Die Anbieter werden ihre Netze wiederum so aufbauen, dass es sowohl zu Überlappungen als auch zu exklusiven Bereichen kommt. Durch die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten auf Seiten der KonsumentInnen erhöht sich zwar die Nachfrage, gleichzeitig können sich die Anbieter aber schlechter einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen, wenn sie eigene Netze vergrößern. Im Vergleich zur Variante getrennter Netze haben die Netzanbieter einen etwas geringeren Anreiz, ihre Netze nach außen zu verschieben. Gebietsabsprachen führen auch hier zu einer höheren Netzabdeckung, wobei der Effekt aufgrund des höheren Nutzens und der damit verbundenen höhere Zahlungsbereitschaft auf Seiten der KonsumentInnen größer ist als bei getrennten Netzen. Im Ergebnis führt beschränktes nationales Roaming in Verbindung mit Gebietsabsprachen zu einer Netzabdeckung von gut 74 Prozent (Abbildung 3).
Wechselseitige Zahlungen zwischen den Netzanbietern für die vom jeweils anderen Anbieter erbrachten Roamingleistungen erhöhen die Anreize der Anbieter, die von ihnen exklusiv versorgten Gebiete zu vergrößern: Je größer das eigene exklusive Gebiete ist, desto höher sind die Einnahmen aus Roamingleistungen. Für die Anbieter optimale Roamingpreise führen zu derselben Netzabdeckung, die man mit Gebietsabsprachen erhält.Bei beschränktem nationalem Roaming mit Gebietsabsprachen spielen Roamingpreise daher keine Rolle.
Um die ökonomischen Effekte der verschiedenen Regulierungsvarianten miteinander zu vergleichen, werden im Folgenden die jeweiligen Netzabdeckungen, der Nutzen der KonsumentInnen, die Gewinne der Anbieter sowie die soziale Wohlfahrt – also die Summe aus Konsumentennutzen und Gewinnen – betrachtet. Für die Varianten getrennte Netze und beschränktes nationales Roaming wird dabei angenommen, dass Gebietsabsprachen getroffen werden können.
Mit beschränktem nationalen Roaming wird die größte Netzabdeckung erreicht (Abbildung 4). Die beiden Netze überlappen sich weniger als bei getrennten Netzen. Im Vergleich zum umfassenden Network Sharing liegt die Netzabdeckung bei getrennten Netzen um acht Prozent, bei beschränktem nationalem Roaming um 13 Prozent höher.
Entsprechend profitieren die KonsumentInnen am meisten von der Variante beschränktes nationales Roaming. Der Nutzen für die KonsumentInnen steigt im Vergleich zum umfassenden Network Sharing um 34 Prozent. Enthalten sind hier zum einen die KonsumentInnen, die im Vergleich zum Network Sharing zusätzlich angeschlossen werden können; zum anderen profitieren die KonsumentInnen davon, dass sie ihre Mobilfunkgeräte in einem größeren Gebiet verwenden können. Bei getrennten Netzen ist der Nutzen um nur sieben Prozent höher als beim Network Sharing. Allerdings sind die Ausbaukosten bei beschränktem nationalen Roaming ähnlich hoch wie bei getrennten Netzen und damit deutlich höher als beim Network Sharing. Nach dem Kriterium der sozialen Wohlfahrt liegt das beschränkte nationale Roaming in der Mitte zwischen den beiden anderen Varianten. Die soziale Wohlfahrt ist beim Network Sharing am höchsten, weil die Anbieter hier hohe Kosten einsparen (Abbildung 5).
Entscheiden sich die Anbieter entgegen der gängigen Praxis, von den EndkundInnen unterschiedliche Preise in verschiedenen Regionen zu wählen, müssen sie bei ihren Investitionsentscheidungen die Intensität des (regionalen) Preiswettbewerbs beachten: Je größer die exklusiv von nur einem Anbieter versorgten Gebiete sind, desto schwächer ist der regionale Preiswettbewerb zwischen den Anbietern. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Anbieter bei getrennten Netzen und bei beschränktem nationalen Roaming ihre Netze weiter nach außen verschieben und eine insgesamt höhere Netzabdeckung erreicht wird.
Mit Blick auf den Vergleich der unterschiedlichen Regulierungsvarianten ändert jedoch auch dies nichts an den qualitativen Ergebnissen. Hinzu kommt allerdings, dass Netzzugangs- und Roamingpreise dazu genutzt werden können, die Endkundenpreise zu erhöhen. Wenn sich regional differenzierten Konsumentenpreisen herausbilden, müsste dies gegebenenfalls regulatorisch abgefangen werden.
Im Zuge der Frequenzvergabe 2019 hat die Bundesnetzagentur – wie bereits zuvor – die Mobilfunkanbieter zum Netzausbau verpflichtet. So soll jeder einzelne der etablierten Mobilfunkanbieter bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Bevölkerung jedes Bundeslandes erreichen können. Erstmals wurden auch Kooperationen zugelassen, mit denen die Mobilfunkunternehmen gemeinsam die Vorgaben erfüllen können. Dabei wurde offengelassen, welche Art von Kooperationen zugelassen sind. Es wurde lediglich auf die Schiedsrichterrolle der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts verwiesen. Die Bundesnetzagentur machte zudem klar, dass dies nur ein erster Schritt sei: „Bei den mittelfristig bereitstehenden Frequenzen ab 2025 sowie ab 2033 werden in einem zweiten und dritten Schritt wieder Versorgungsauflagen zu definieren sein.“Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur (2018), a.a.O., 3.
Um Regulierungen von Network Sharing Agreements (NSAs) beurteilen zu können, wurden verschiedene Regulierungssysteme untersucht. Das wichtigste Regulierungsinstrument für dünn besiedelte Regionen sind die Mindestausbauverpflichtungen. Unter dieser Voraussetzung zeigt sich, dass auch die KonsumentInnen von Gebietsabsprachen zwischen den Unternehmen profitieren – während Gebietsabsprachen in anderen Bereichen häufig auf Kosten der KonsumentInnen gehen und daher verboten sind. Ein darüber hinausgehendes umfassendes Network Sharing erlaubt den Anbietern zudem, große Kosten einzusparen, da Network Sharing mit einer gemeinsamen Mindestabdeckungspflicht einhergeht. Dies ist wohlfahrtserhöhend, geht allerdings zu Lasten der KonsumentInnen, da die insgesamt erreichte Netzabdeckung gegenüber getrennten Netzen sinkt. Dies wäre bei der konkreten Festlegung der Mindestabdeckungspflichten zu bedenken, wenn man sich für ein umfassendes Network Sharing in dünn besiedelten Regionen entscheidet.
Eine Zwischenlösung zwischen vollständig getrennten Netzen auf der einen Seite und Network Sharing auf der anderen Seite stellt das beschränkte nationale Roaming dar – eine Variante, die in der bisherigen Diskussion noch wenig Beachtung findet. Bei diesem wechselseitigen Roaming gewähren Mobilfunkunternehmen den KundInnen ihres Konkurrenten Netzzugang. Doch dürfen Unternehmen in Gebieten, in denen sie nicht investiert haben, keine Verträge anbieten. In diesem Kontext kann weiterhin die individuelle Mindestabdeckungspflicht gelten, so dass die gesamte Netzabdeckung steigt. Die Ausbaukosten der Unternehmen sind so allerdings höher und somit die Gewinne niedriger als beim Network Sharing.
Die Ergebnisse werfen zudem ein Licht auf unterschiedliche langfristige Auswirkungen der Regulierungssysteme. Beim umfassenden Network Sharing zeigte sich, dass Unternehmen einen Anreiz haben, sich auf größere Gebiete innerhalb der dünn besiedelten Regionen zu spezialisieren und nicht mehr in den Gebieten des Kooperationspartners zu investieren. Dies könnte langfristig dazu führen, dass die Unternehmen ihre individuelle Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit einschränken. Hingegen führt das beschränkte nationale Roaming dazu, dass die Unternehmen in einem beträchtlichen Bereich der dünn besiedelten Regionen parallel investieren und somit beide Unternehmen ihre langfristige Entwicklungsfähigkeit bewahren.
Derzeit entwickeln sich die Kooperationen beim Mobilfunkausbau weltweit dynamisch und mit ihnen auch die Regulierungsansätze. Diese Analyse zeigt, dass für dünn besiedelte Regionen die Netzausbauverpflichtungen einen guten Rahmen für Kooperationen darstellen. In diesem Rahmen sollten Gebietsabsprachen und ein beschränktes nationales Roaming zugelassen werden, jedoch nicht jede Form des Network Sharing.
Themen: Verbraucher, Regionalwirtschaft, Digitalisierung
JEL-Classification: L13;L96
Keywords: Network Sharing, Cooperations
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-17-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/234440