DIW Wochenbericht 33 / 2021, S. 555
Joanna Piechucka, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 101 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.67 MB)
Frau Piechucka, Sie haben die Effekte von Krankenhausfusionen in Frankreich untersucht. Wie viele Krankenhäuser haben dort in den letzten Jahren fusioniert? In den letzten ein, zwei Jahrzehnten kam es auf dem französischen Krankenhaussektor zu einer Reihe von Fusionen. Das betraf ein Drittel aller profitorientierten Privatkliniken. Zum einen wächst die Zahl der individuellen Privatkrankenhäuser, die von Krankenhausgruppen aufgekauft werden, zum anderen wechseln Privatkliniken den Eigentümer, weil große Krankenhausgruppen fusionieren. Ähnliche Trends gibt es in vielen europäischen Ländern und auch in den USA.
Was sind die Gründe für die Fusionen und wo liegen die Vorteile für die Betreiber? Einerseits ermöglicht eine Fusion den Firmen, Ressourcen zu bündeln und so die Effizienz zu erhöhen und Kosten zu senken. Zudem kann eine größere Spezialisierung die Leistungsqualität erhöhen. Andererseits können Fusionen auch ein Versuch sein, die Marktmacht zu erhöhen und den Wettbewerb zu verringern, was wiederum zu Qualitätseinbußen führen kann.
Welche Auswirkungen haben die Fusionen auf den Wettbewerb? Fusionen können zu einer größeren Konzentration auf den lokalen Gesundheitsmärkten führen. Das kann die Bereitstellung von Behandlungsleistungen in diesen Märkten beeinträchtigen. In unserer Studie zeigen wir, dass fusionierende Krankenhäuser das Angebot an Doppelleistungen reduzieren. Anstatt die gleiche Leistung doppelt anzubieten, wird eine davon eliminiert. Insgesamt haben diese Fusionen in großem Maßstab dazu beigetragen, dass viele Behandlungsleistungen nicht mehr angeboten werden.
Haben die Fusionen auch Vorteile für die Gesundheitsversorgung? In Frankreich werden die Preise für die Gesundheitsversorgung durch gesetzliche Vorgaben festgelegt. Fusionen wirken sich daher eher auf die Behandlungsqualität aus. Ob sich diese positiv entwickelt, hängt davon ab, welcher Effekt vorherrscht: Einerseits können Fusionen die Qualität der Behandlung reduzieren, weil sie den Wettbewerb verringern, andererseits können sich Krankenhäuser durch Fusionen stärker spezialisieren und durch mehr Routine die Qualität verbessern. Direkt beantworten können wir diese Frage nicht.
Inwieweit lassen sich Ihre Ergebnisse aus Frankreich auf Deutschland übertragen? Betrachtet man die Akutkrankenhäuser, ist der regulatorische Kontext in Deutschland mit dem französischen vergleichbar. In beiden Ländern werden die Preise für die Gesundheitsversorgung gesetzlich festgelegt, Patienten können das behandelnde Krankenhaus relativ frei wählen und es gibt einen hohen Anteil privater Versorgung. Daher konkurrieren die Krankenhäuser eher in der Qualität als im Preis. Auch in Deutschland hat es viele Krankenhausfusionen gegeben. Laut dem Bundeskartellamt wurden zwischen 2003 und 2020 mehr als 300 Fusionen genehmigt.
Welche Lehren kann man aus deutscher Sicht aus Ihren Ergebnissen ziehen? Aus meiner Sicht können zwei Lehren gezogen werden. Erstens sollte das Bundeskartellamt bei seinen Entscheidungen in Betracht ziehen, dass fusionierende Krankenhäuser eventuell ihr Behandlungsangebot verändern. Zweitens, und das ist vielleicht noch wichtiger, brauchen wir mehr Studien, um den Entscheidungsträgern Hilfestellung zu leisten. Das erfordert die Kooperation mehrerer Akteure. Zunächst sollten die Wettbewerbsbehörden die genehmigten Fusionen evaluieren. Dann sollten die nationalen Gesundheitsbehörden umfangreiche Daten über Behandlungsleistungen sammeln und bereitstellen und schließlich bedarf es weiterer Forschung, um die Effekte von Krankenhausfusionen auf die Gesundheitsversorgung zu bewerten.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Wettbewerb und Regulierung, Gesundheit
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-33-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/242069