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Keine Angst vor Inflationsgespenstern

Medienbeitrag vom 20. April 2021

Dieser Gastbeitrag von Kerstin Bernoth ist am 20.04.2021 in der Frankfurter Rundschau erschienen.

Die USA haben zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ein gigantisches Stützungsprogramm auf den Weg gebracht: Im Dezember wurde ein rund 900 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket verabschiedet, und im März legte die Biden-Regierung noch einmal fast 1,9 Billionen Dollar in einem zweiten Hilfspaket nach. Die beiden Programme haben einen Umfang von rund 2,8 Billionen Dollar, das sind etwa 13 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts.

Die Welt war angesichts der Größe dieser Konjunkturpakete beeindruckt, doch gleichzeitig meldeten sich die ersten Skeptiker zu Wort: Was, wenn diese Pakete die US-Wirtschaft überhitzen? Was passiert, wenn die Inflation dadurch stark ansteigt? Bevor die diffusen Ängste überhandnehmen, lohnt ein Blick auf die nüchternen Zahlen.

Bereits seit Sommer zeigt die US-Wirtschaft Anzeichen einer Belebung. Nach Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) verringerte sich die Produktionslücke von rund minus zehn Prozent im zweiten Quartal auf rund minus drei Prozent im Schlussquartal 2020. Diese Lücke entspricht in etwa 650 Milliarden Dollar, um die die US-Wirtschaft noch unterausgelastet ist.

Trotz Rezession wuchs das reale verfügbare Pro-Kopf-Einkommen 2020 um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Januar 2021 legte dieses noch einmal um beachtliche 13 Prozent zu, wofür der ausgegebene 600-Dollar-Konjunkturscheck maßgeblich verantwortlich gewesen sein dürfte. Infolgedessen stiegen am Jahresanfang die Konsumausgaben um 2,4 Prozent, der erste Anstieg seit drei Monaten.

Inwieweit sich die Hilfspakete auf die Inflation auswirken, hängt weitgehend davon ab, inwieweit sie die Gesamtnachfrage erhöhen und damit die Produktion über ihr langfristiges Potenzial hinausschieben. Auskunft darüber gibt der Fiskalmultiplikator, der schätzt, um wie viel jeder Dollar aus den Hilfspaketen die Gesamtwirtschaft anschiebt.

Dieser Multiplikator hängt davon ab, wie das Geld der Hilfspakete investiert wird. Unterschieden wird zwischen Staatsausgaben, Steuersenkungen, Subventionen und Transfers. Ausschlaggebend ist zudem die Konsumentenzuversicht. Fiskalmultiplikatoren schwanken daher im Laufe der Zeit stark und lassen sich nicht genau beziffern.

Das CBO geht davon aus, dass in den USA der Multiplikator zwischen 0,5 und 2,5 liegt, mit einem Mittelwert von 1,5. Das heißt, dass im Mittel jeder Dollar an finanzpolitischer Stimulation die Gesamtnachfrage um geschätzt 1,50 Dollar anschiebt.

Geht man angesichts der aktuellen pandemischen Eindämmungsmaßnahmen wie soziale Kontaktbeschränkungen lediglich von einem Multiplikator von 0,5 aus, würde die Gesamtnachfrage kumuliert über die nächsten vier Quartale um 1,4 Billionen US-Dollar (6,5 Prozent des US-BIPs) höher liegen als ohne diese Maßnahmen.

Dies würde etwas mehr als dem Doppelten der Produktionslücke entsprechen, die damit positiv werden dürfte. Darüber hinaus haben die privaten Haushalte in den USA seit Beginn der Corona-Krise 1,8 Billionen Dollar mehr gespart als ohnehin. Sobald die US-Wirtschaft nach einer erfolgreichen Impfkampagne wieder vollständig geöffnet werden kann, steht also reichlich Kaufkraft zur Verfügung.

Als Folge des starken Anstiegs der öffentlichen Ausgaben sowie des zu erwartenden Abbaus der Überersparnis dürfte die Teuerung in den USA vorübergehend zulegen. Insofern haben die Inflationswarner recht. Dass auch die Märkte einen Inflationsanstieg in den kommenden Jahren erwarten, zeigt sich an der Fünf-Jahres-Breakeven-Inflationsrate, die bis Mitte März kontinuierlich von 1,65 auf 2,5 Prozent gestiegen ist.

Doch davon sollten wir uns nicht abschrecken lassen. Die Hilfspakete beinhalten viele Elemente, die nur temporär wirken wie Einmalzahlungen an US-Bürgerinnen und -Bürger, Verlängerungen der Arbeitslosenhilfe, und finanzielle Hilfen für Unternehmen. Solange der Ausgabenboom als vorübergehende und nicht als dauerhafte Anpassung angesehen wird, sollte auch der Inflationsanstieg nur vorübergehend und zudem nicht allzu heftig sein. Selbst eine Inflation über zwei Prozent ist erst mal kein Grund zur Beunruhigung, zumal die überarbeitete Strategie der US-Notenbank ein zeitweiliges moderates Überschießen zulässt.

Sollte sich aber abzeichnen, dass die Inflation länger über den angestrebten zwei Prozent liegt, könnte die US-Notenbank, um antiinflationäre Entschlossenheit zu demonstrieren, die Zinssätze anheben. Dazu hat sie derzeit ausreichend Spielraum. Kein Grund zur Sorge also. Zumal eine steigende Konsumnachfrage in den USA auch die europäischen Exporte beleben dürfte.

Themen: Geldpolitik

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