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Metalle könnten über die nächsten Jahre den Stellenwert von Rohöl erreichen: Interview

DIW Wochenbericht 4 / 2022, S. 56

Lukas Boer, Erich Wittenberg

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Herr Boer, welche Rolle spielen Metalle für die Energiewende? Die Energiewende wird verschiedene Metalle in den Vordergrund rücken. Die Hauptbestandteile in Technologien zur Erzeugung oder Speicherung von erneuerbaren Energien sind Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt und Lithium. Kupfer zum Beispiel wird zur Erzeugung von Solarenergie, Windenergie, Wasserenergie und Bioenergie gebraucht, ist aber auch in Batterien enthalten. Nickel ist Bestandteil von Batterien und wird gleichzeitig in Technologien zur Erzeugung von Windenergie und geothermischer Energie verbaut. Kobalt und Lithium sind Hauptbestandteile von Batterien, aber auch andere Metalle werden eine Rolle spielen.

Wie groß wird der Bedarf an Metallen in Zukunft sein und wird er überhaupt zu decken sein? Wir haben uns gezielt die vier Metalle Kupfer, Kobalt, Nickel und Lithium angeschaut, da sie in der Einschätzung des Bedarfs an Metallen am wichtigsten sind. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat ein Szenario skizziert, in dem die globalen CO2-Emissionen im Jahr 2050 auf „netto null“ fallen würden, also Emissionsneutralität herrscht. In diesem Szenario würde über die nächsten zwanzig Jahre der relative Bedarf an Lithium am stärksten steigen. Das heißt, die jährliche Lithiumproduktion müsste auf das mehr als Zwanzigfache steigen, die Kobaltproduktion auf mehr als das Sechsfache und die Nickelproduktion auf mehr als das Dreifache. Die jährliche Kupferproduktion würde sich immerhin knapp verdoppeln. An sich ist es kein Problem, diesen Bedarf zu fördern, da die Erdkruste genug Vorkommnisse dieser Metalle bereithält. Das Problem ist jedoch der knappe Zeithorizont, da wir diese Metalle schon heute benötigen, wobei der Bedarf stark steigt.

Wie stark steigen die Metallpreise in einem Netto-Null-Emissionen Szenario? In diesem Szenario würden die Preise auf historische Höchststände steigen und dort für mehrere Jahre verweilen. Auch wenn wir diese Niveaus in der Vergangenheit bereits erreicht haben, sind die Preise dann jedoch innerhalb von ein, zwei Jahren wieder gefallen. Das wäre hier in dem betrachteten Szenario nicht der Fall. Die Preise würden erst nach einigen Jahren wieder auf niedrigere Niveaus sinken.

Ist Metall das Öl von morgen? Ja, so kann man das vielleicht sehen. Innerhalb dieses Netto-Null-Szenarios haben wir auch eine grobe Schätzung des möglichen zukünftigen Produktionswertes für Rohöl über die nächsten 20 Jahre gemacht. Dieser würde in etwa ähnlich groß sein wie der zukünftige Produktionswert der vier betrachteten Metalle zusammen. Metalle könnten also über die nächsten Jahre den Stellenwert von Rohöl erreichen und damit relevante Rohstoffe werden, die maßgeblich Inflation, internationalen Handel und Wirtschaftsleistung beeinflussen.

Wie ließen sich die Preisanstiege bei Metallen begrenzen? Zum einen ist es wichtig, dass Metallproduzenten bereits heute anfangen, ihre Kapazitäten drastisch auszuweiten und dafür brauchen sie Planungssicherheit. Dabei spielt eine global koordinierte entschiedene Klimapolitik eine wichtige Rolle. Die Metallmärkte müssen transparenter werden, sodass Bergbauunternehmen genügend Daten haben, um stichhaltige Marktprognosen zu treffen und das Angebot dementsprechend auszuweiten. Gleichzeitig können feste Recyclingquoten und Ressourceneffizienzprogramme eine entscheidende Rolle spielen, um die Förderung von Metallen langfristig zu begrenzen. Auch einseitige Handelsrestriktionen müssen verhindert werden. In Kombination mit zügigem technischem Fortschritt können die Preisanstiege dann selbst in einem Netto-Null-Emissionen Szenario auch bedeutend geringer ausfallen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Lukas Boer
Metalle könnten über die nächsten Jahre den Stellenwert von Rohöl erreichen - Interview mit Lukas Boer

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