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Hohe Energiepreise: Arme Haushalte trotz Entlastungspaketen am stärksten belastet

Pressemitteilung vom 26. April 2022

Studie untersucht, wie private Haushalte in Deutschland durch steigende Energiepreise belastet und durch Hilfen der Bundesregierung entlastet werden – Einkommensschwache Haushalte und Härtefälle sollten gezielter unterstützt werden

Haushalte mit geringen Einkommen sind von den aktuell hohen Energiepreisen deutlich stärker betroffen als Haushalte mit hohen Einkommen – selbst dann, wenn man die Entlastungspakete der Bundesregierung einbezieht. Das ist das Ergebnis umfassender Simulationsberechnungen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Demnach müssen alle privaten Haushalte in Deutschland mittelfristig im Durchschnitt 2,1 Prozent ihres Nettoeinkommens mehr für Energie ausgeben. Ohne die staatlichen Entlastungen wären es 3,4 Prozent. Bei den einkommensschwächsten zehn Prozent der Haushalte machen die Energiepreissteigerungen sogar 6,7 Prozent des Nettoeinkommens aus und selbst bei Berücksichtigung der Entlastungen verbleiben noch rund drei Prozent Nettobelastung. Demgegenüber müssen die reichsten zehn Prozent der Haushalte gemessen an ihrem Einkommen durchschnittlich nur zwei Prozent mehr für Energie ausgeben – da auch sie von den staatlichen Hilfen profitieren, sind es unter dem Strich nur 1,3 Prozent. Die Berechnungen beziehen sich auf die kommenden zwölf bis 18 Monate, da die Preissteigerungen nicht für alle Haushalte zum selben Zeitpunkt wirksam werden. So tanken sie beispielsweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten Heizöl nach oder müssen als Gas-BestandskundInnen später als NeukundInnen höhere Tarife zahlen.

© DIW Berlin

„Die deutlich gestiegenen Energiepreise schlagen insbesondere bei ärmeren Haushalten erheblich zu Buche – ganz zu schweigen von den Preiserhöhungen bei weiteren Produkten wie Lebensmitteln“, sagt DIW-Ökonom Stefan Bach, der die Studie gemeinsam mit Jakob Knautz erstellt hat. „Die Entlastungspakete der Bundesregierung helfen Haushalten mit wenig Einkommen mittelfristig nur bedingt. Es gibt also weiteren Handlungsbedarf für die Politik, wenn die Energiepreise wie zu erwarten hoch bleiben. Künftige Maßnahmen sollten stärker auf die Geringverdienenden konzentriert werden“, so Bach.

Entlastungspakete sind umfangreich, aber wenig zielgenau

Für ihre Simulationsberechnungen haben die Studienautoren die Energiepreise mit Stand Mitte April berücksichtigt. Zu diesem Zeitpunkt war beispielsweise der Liter Super E10 an den Tankstellen um 51 Cent oder 36 Prozent teurer als im Durchschnitt des Jahres 2019. Beim Diesel waren es 71 Cent beziehungsweise 55 Prozent. Der Preis für Heizöl hat sich sogar verdoppelt und beim Gas werden die günstigeren Tarife bei den BestandskundInnen sukzessive angepasst werden, so dass ebenfalls eine Verdopplung der Heizkosten zu erwarten ist. Im Falle eines Energieembargos oder Lieferstopps durch Russland würden die Gaspreise noch ungleich stärker steigen.

„Angesichts der Belastungen für die öffentlichen Haushalte spricht einiges dafür, Besser- und Hochverdienende nicht zu entlasten und mittelfristig die Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen anzuheben.“ Stefan Bach

Um die Menschen in Deutschland zu entlasten, hat die Bundesregierung zwei Entlastungspakete geschnürt. Mit rund 24 Milliarden Euro kommt der größte Teil davon den privaten Haushalten zugute. Die Maßnahmen umfassen unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strom, höhere Sozialleistungen, geringere Einkommensteuern, eine Energiepreispauschale, eine Spritsteuersenkung und ein stark vergünstigtes ÖPNV-Monatsticket. Zwar profitieren einkommensschwache Haushalte davon in Relation zu ihrem Nettoeinkommen am stärksten, wie die Berechnungen zeigen, unter dem Strich verbleibt aber eine höhere Belastung infolge der stark gestiegenen Energiepreise als bei reicheren Haushalten.

GeringverdienerInnen müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie aufwenden und sind somit von den Preissteigerungen stärker betroffen. Gleichzeitig ist es ihnen mangels Ersparnisse und Vermögen kaum möglich, die höheren Preise aufzufangen. Deshalb sollte diesen Haushalten nach Ansicht der Studienautoren gezielter geholfen werden. Wichtig sei vor allem, das bereits vereinbarte Klimageld nun zügig auf den Weg zu bringen, um neue Leistungen schnell und unbürokratisch gezielt einsetzen zu können. Zudem sollten nicht Besser- und Hochverdienende unterstützt werden, die höhere Energiepreise schultern können. Die Steuerentlastung bei den Kraftstoffen beispielsweise sei in der Hinsicht fragwürdig, zudem reduziert sie Anreize zum Energiesparen, bemängeln die Autoren. Auch beim Neun-Euro-ÖPNV-Ticket seien erhebliche Mitnahmeeffekte zu erwarten. „Angesichts der Belastungen für die öffentlichen Haushalte spricht einiges dafür, Besser- und Hochverdienende nicht zu entlasten und mittelfristig die Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen anzuheben“, so Bach.

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

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