Übergewinnbesteuerung bei Öl und Gas sinnvoll, aber in Deutschland nicht zu machen: Kommentar

DIW Wochenbericht 24 / 2022, S. 354

Stefan Bach

get_appDownload (PDF  89 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.41 MB - barrierefrei / universal access)

Die stark gestiegenen Preise in Folge des Ukrainekriegs bescheren den Energieunternehmen einen großen Reibach. Allein die als Big Oil bekannten fünf größten westlichen Ölkonzerne sollen im ersten Quartal 2022 rund 30 Milliarden Euro Gewinne gemacht haben. Auf der anderen Seite ächzen die EnergieverbraucherInnen unter den hohen Kosten, die die Inflation kräftig anheizen. Da liegt es nahe, diese „Kriegsgewinne“ zumindest teilweise abzuschöpfen. In den letzten Wochen wurde daher vermehrt die Idee einer sogenannten Übergewinnsteuer bei Öl und Gas diskutiert, die auf die deutlich erhöhten Gewinne erhoben werden soll.

Grundsätzlich kann man Zufallsgewinne ebenso wie systematische „ökonomische Renten“ hoch besteuern, etwa beim Boden, bei Monopolen und begrenztem Wettbewerb oder eben bei knappen Rohstoffen. Denn anders als Hersteller von innovativen Produkten – vom Smartphone bis zu den Corona-Impfstoffen – haben die Öl- und Gasanbieter keine besonderen Leistungen erbracht und sind keine großen unternehmerischen Risiken eingegangen. Derzeit profitieren sie von der Knappheit an Energie, der spekulativen Unsicherheit auf den Energiemärkten und ihrer Marktmacht.

Seit jeher erheben viele Länder spezielle Steuern auf die Rohstoffförderung. So hat Großbritannien seine Zusatz-Körperschaftsteuer auf die Öl- und Gasförderung gerade um 25 Prozentpunkte erhöht. Auch in Deutschland gibt es Förderabgaben auf die Erdgasgewinnung in Norddeutschland. Deren Aufkommen ist aber nur gering und die Förderung sinkt seit Jahren. Für Deutschland und andere Länder ohne nennenswerte Förderung stellt sich die Frage, wie man an die üppigen Gewinne der internationalen Öl- und Gaskonzerne herankommt, die im Inland entstehen. Italien will dazu eine Übergewinnsteuer einführen, die pauschaliert anhand der gestiegenen Netto-Umsätze erhoben wird. Dabei werden aber die Gewinne durch die stark gestiegenen Weltmarktpreise gar nicht erfasst. Belastet werden nur die Zusatzgewinne der inländischen Öl- und Gasanbieter, insoweit deren Deckungsbeiträge stärker gestiegen sind als die Weltmarktpreise, was vor allem aufgrund von Marktmacht möglich ist. Die neuesten Entwicklungen in Deutschland zeigen, dass da einiges zu holen ist – durch den unsäglichen „Tankrabatt“ sind die Margen der Anbieter wohl weiter gestiegen. Riesige Einnahmen wie in den Förderländern dürften damit aber nicht zu erzielen sein.

Zudem ist Deutschland bei der Einführung neuer Steuern deutlich unflexibler als andere Länder, da unser Steuersystem detailliert im Grundgesetz festgeschrieben ist. Eine besondere Übergewinnsteuer nur für Energieunternehmen ist wohl kaum mit den bestehenden Unternehmensteuern zu vereinbaren, die allgemein und gleichmäßig erhoben werden. Eine Sonderabgabe im Rahmen des Energiewirtschaftsrechts passt auch nicht. Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Das ist kurzfristig unrealistisch.

Höhere Zölle wären eine Alternative. Oder Deutschland könnte die Energiesteuer erhöhen. Dann würden die Ölkonzerne aber auf andere Märkte ausweichen, so dass die Preise weiter steigen und die Zölle oder Energiesteuererhöhungen letztlich auf die VerbraucherInnen überwälzt werden. Diese Gefahr besteht auch bei den Übergewinnsteuern einzelner Importländer, wenn sie pauschaliert an den Umsätzen bemessen werden. Im Übrigen sollte man nicht jeden tatsächlichen oder vermeintlichen Übergewinn gleich abschöpfen, denn hohe Preise signalisieren in der Marktwirtschaft Knappheit. Hohe Gewinne setzen Anreize für mehr Angebot. So machen Landwirte und Lebensmittelhersteller derzeit schöne Geschäfte, ebenso die Windmüller und andere erneuerbaren Energien, Energiespartechnologien werden attraktiver. Zu große Marktmacht soll das Kartellamt bekämpfen.

An die Riesengewinne der internationalen Energiekonzerne kommen Importländer wie Deutschland also kaum heran. Wir müssen eben schneller unabhängiger werden von den fossilen Rohstoffen – durch Energiesparen und den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 10. Juni 2022 im Wirtschaftsdienst.

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

keyboard_arrow_up