Statement vom 18. August 2022
Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf Erdgas befristet auf sieben Prozent von 19 Prozent senken. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), kommentiert dies wie folgt:
Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas in Deutschland klingt erst einmal gut, lässt aber eher vermuten, dass die Bundesregierung keine Strategie hat, wie sie Menschen zielgenau entlasten kann und Anreize für Einsparungen setzen will. Denn die Bundesregierung gibt an, dass die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer in etwa die höheren Kosten durch die Gasumlage kompensiert. Es ist nicht klar, wieso die Bundesregierung die Gasumlage an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergibt, um sie dann mit einer weiteren Maßnahme, der Senkung der Mehrwertsteuer, um den gleichen Betrag zu entlasten. Es stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die Bundesregierung hätte die Gasumlage selber bezahlt und nicht mit diesen zwei Maßnahmen lediglich zusätzliche Bürokratie und Unsicherheit geschaffen.
Die Senkung der Mehrwertsteuer ist besser als gar keine Entlastung. Aber es ist kein gutes Instrument, denn es ist teuer, nicht zielgenau und entlastet Menschen mit geringen Einkommen viel zu wenig. Das Absenken der Mehrwertsteuer auf Gas bedeutet Hilfen per Gießkannenprinzip, von denen Menschen mit hohen Einkommen den größten Teil der Hilfen bekommen. Und sie ist für Menschen mit geringen Einkommen bei weitem nicht ausreichend. Eine typische vierköpfige Familie, die eine Gasheizung hat, wird durch die geringere Mehrwertsteuer um circa 500 Euro im Jahr entlastet. Gleichzeitig bedeutet der Preisanstieg in diesem Jahr, auch nach dieser Absenkung der Mehrwertsteuer, einen Anstieg der Gaskosten um 3600 Euro.
Daher ist die Reduzierung der Mehrwertsteuer wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die ungleich bessere Maßnahme sind direkte Transferzahlungen wie ein Energiegeld von 100 Euro pro Monat und pro Person für Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen. Die Senkung der Mehrwertsteuer jetzt darf keine Entschuldigung für die Bundesregierung sein, sie muss in einem dritten Entlastungspaket solche zielgenauen und direkten Transferzahlungen umsetzen.
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Verbraucher