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Mangelndes Zinswissen ist ein Risikofaktor für eine Überschuldung: Interview

DIW Wochenbericht 37 / 2022, S. 482

Jana Hamdan, Erich Wittenberg

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Frau Hamdan, Grundlage Ihrer Untersuchung zur Konsumverschuldung ist eine Onlinebefragung von 1011 Erwachsenen in Deutschland. Aus was für Personen bestand diese Gruppe und wie viele von ihnen haben Kreditschulden? In der Stichprobe hatten wir in etwa gleich viele Männer und Frauen. Diese waren etwas jünger und besser gebildet als die durchschnittliche deutsche Bevölkerung, aber nicht besserverdienend. Knapp 20 Prozent der Befragten hatten Schulden für Konsumzwecke, und das ist ähnlich wie in repräsentativen Studien.

Wie hoch sind die durchschnittlichen Zinssätze, die die Befragten bezahlen? Die Befragten zahlen im Durchschnitt auf einen Dispokredit etwas über neun Prozent pro Jahr und bei einem Konsumentenkredit etwa drei Prozent. Das ist auch vergleichbar mit dem, was andere Studien herausfinden. Spannend ist aber, dass wir eine große Spannbreite sehen. Das heißt, manche Menschen zahlen sehr wenig auf ihre Dispo- oder Konsumentenkredite, andere aber auch sehr viel. Beispielsweise zahlen 20 Prozent derjenigen mit einem Dispokredit elf Prozent oder mehr.

Inwieweit wissen die Kreditnehmer*innen über die Zinshöhe Bescheid? Wir sehen, dass über 40 Prozent unserer Befragten mit einem Dispo- oder Konsumentenkredit ihren Kreditzins nicht kennen. Das ist ganz erheblich. Dabei kennen Frauen deutlich seltener ihre Zinsen als Männer. Das heißt, über die Hälfte der Frauen kennt die Zinsen auf ihre Konsumkredite nicht, bei den Männern ist es nur ein Drittel.

Wie ist es zu erklären, dass Frauen so viel weniger Kenntnis über ihre Kreditzinsen haben? Ein potenzieller Faktor, der sehr wahrscheinlich eine Ursache ist, ist die finanzielle Bildung. Nicht nur in unserer Stichprobe, sondern auch in anderen Studien zeigt sich leider, dass Frauen eine geringere Finanzbildung als Männer haben und diese Finanzbildung korreliert stark mit Kreditwissen.

Nehmen Personen mit geringerer finanzieller Bildung häufiger einen Konsumkredit auf? Nein, das ist nicht der Fall. Finanzielle Bildung erhöht oder senkt nicht die Wahrscheinlichkeit, einen Konsumkredit aufzunehmen. Wir finden aber einen Zusammenhang mit dem Zinswissen und das kann letztendlich ein Risikofaktor für eine Überschuldung sein.

Wie beeinflusst die Darstellung der Kreditkosten die Entscheidung über eine Kreditaufnahme? Die Darstellungsweise bei Kreditkosten macht einen erheblichen Unterschied. In einem Experiment haben wir den Befragten beispielsweise einen hypothetischen Kredit vorgestellt, bei dem die Kreditkosten noch einmal neben dem prozentualen Zinssatz zusätzlich in Euro dargestellt werden und festgestellt, dass die Annahmewahrscheinlichkeit dann steigt, allerdings bei Monatsbeträgen starker als bei absoluten Kosten pro Jahr. Diese Darstellungsweise pro Jahr im Vergleich zu pro Monat hat also einen abschreckenden Effekt, wahrscheinlich weil die Kreditkosten als höher wahrgenommen werden, obwohl sie letztendlich gleich sind. Es hat mich überrascht, dass die Darstellung von absoluten statt nur prozentualen Kreditkosten die Annahme erhöht.

Was müsste getan werden, um Menschen davor zu bewahren, einen Kredit aufzunehmen, den sie sich vielleicht gar nicht leisten können? Es ist wichtig, insbesondere bei Frauen, mehr für die Finanzbildung zu tun, weil dies wahrscheinlich das Zinswissen steigert. Zweitens ist ein moderner, starker Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen sehr wichtig, weil wir eine Beeinflussbarkeit der KonsumentInnen durch die Darstellungsweise von Kreditkosten festgestellt haben. Gerade bei Dispokrediten sehen wir Potenzial für mehr Regulierung, weil hier aktuell noch sehr wenig gemacht wird.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Jana Hamdan
Mangelndes Zinswissen ist ein Risikofaktor für eine Überschuldung - Interview mit Jana Hamdan


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/265854

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