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Künftig solle es nur noch ein Programm für Selbstständige geben – transparent und verlässlich: Interview

DIW Wochenbericht 44 / 2022, S. 575

Alexander S. Kritikos, Erich Wittenberg

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Herr Kritikos, Sie haben die Wirkungen der vom Staat aufgelegten Soforthilfe für Selbstständige untersucht. Wie sind Sie dabei vorgegangen und welche Fragestellung stand dabei im Fokus? Bei solchen Evaluationen von staatlichen Programmen steht die Frage im Vordergrund, wie es geförderten Selbstständigen ergangen wäre, hätten sie eine solche Hilfe nicht erhalten. Um diese kontrafaktische Frage zu beantworten, haben wir Selbstständige gefragt, wie hoch sie die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass sie in zwölf Monaten trotz Krise noch selbstständig sein oder ihre Unternehmung aufgegeben haben werden. Mit dieser Frage haben wir die Selbstständigen konfrontiert, an die die Soforthilfe bereits ausgezahlt worden war und sie mit ähnlichen Selbstständigen verglichen, die die Soforthilfe noch nicht beantragt hatten, aber bereits Bedarf dafür sahen. Die Differenz gibt dann Auskunft über die Wirkung des Programms.

Wie hoch waren Umsatzeinbrüche von Selbstständigen während der Pandemie? Insgesamt hatten rund 60 Prozent der Selbstständigen Umsatzeinbrüche. In manchen Branchen sahen sie sich Einbrüchen von bis zu 100 Prozent ausgesetzt, etwa in der Kultur- und Kreativbranche, im Gastgewerbe und in Servicebereichen wie Friseursalons oder Kosmetikstudios. In anderen Bereichen waren die Einbrüche nicht ganz so stark. Man denke hier an Bereiche wie Unterrichtsangebote oder den stationären Handel.

Was hat die sogenannte Soforthilfe den Selbstständigen gebracht? Die Hilfe hat ihnen Liquidität gegeben, um diese Krise zu überstehen. Wir haben dann ermittelt, wie weit diese finanzielle Unterstützung bei den Selbstständigen die Einschätzung erhöht hat, besser durch die Krise zu kommen. Wir konnten beobachten, dass sich diese Wahrscheinlichkeit moderat erhöht hat. Im Vergleich zu den Selbstständigen, die diese Soforthilfe noch nicht beantragt hatten, lag die selbst eingeschätzte Wahrscheinlichkeit, mit Hilfe der finanziellen Unterstützung diese Krise zu überstehen, bei allen Befragten um 6,5 Prozent höher.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Wirkung eines Förderprogramms und dem Digitalisierungsgrad von Unternehmungen? Wir haben untersucht, ob die Soforthilfe bei bereits digitalisierten Unternehmungen für eine höhere Gewissheit sorgt, durch die Krise zu kommen, als bei noch nicht digitalisierten Unternehmungen. Beim Vergleich zweier digitalisierter Unternehmungen haben die Selbstständigen, die die Hilfe erhalten haben, die Wahrscheinlichkeit durch die Krise zu kommen, um elf Prozent höher eingeschätzt als diejenigen, die diese Hilfe noch nicht beantragt haben. Bei den nicht digitalisierten Unternehmungen hingegen hat die Soforthilfe keinen signifikanten Effekt ausgelöst. Das heißt, Selbstständige mit nicht digitalisierten Unternehmungen haben gleich pessimistisch reagiert, unabhängig davon, ob sie die Soforthilfe bekommen haben oder nicht. Die Wirkung der Hilfen war somit abhängig vom Digitalisierungsgrad der Unternehmungen.

An welchen Stellen ließe sich die Ausgestaltung der Hilfsprogramme verbessern? Erstens wird es in Zukunft wichtig sein, den Selbstständigen mehr Verbindlichkeit zu geben, insbesondere auf welche Hilfen sie in welcher Höhe setzen können. Zudem sollte es mehr Verlässlichkeit geben. Der Bund sollte nicht noch einmal mehrere Programme aneinanderreihen, die stückweise durch eine solche Pandemie helfen. Es bedarf eines einzigen Programms, aus dem für die Selbstständigen transparent hervorgeht, mit welchen Hilfen sie rechnen können. Drittens sollte eine solche Hilfe über die Finanzämter abgewickelt werden. Diese haben bessere Informationen darüber, welche Umsatzverluste die Selbstständigen in einer solchen Krise machen, und können dann Hilfszahlungen zielgerichteter ausgestalten.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Alexander S. Kritikos
Künftig solle es nur noch ein Programm für Selbstständige geben – transparent und verlässlich - Interview mit Alexander S. Kritikos

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