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Der Pyrrhussieg des Hamburger Hafens: Kommentar

DIW Wochenbericht 44 / 2022, S. 576

Marcel Fratzscher

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Die Bundesregierung hat eine wichtige Chance verpasst, den im Koalitionsvertrag versprochen Kurswechsel in der Außenpolitik zu vollziehen. Dass die Beteiligung des chinesischen Konzerns Cosco am Hamburger Hafen jetzt genehmigt wurde, ist ein Pyrrhussieg: Sie sichert kurzfristige wirtschaftliche Erträge, aber langfristig schadet sie der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und höhlt den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland weiter aus.

Die kurzfristigen Vorteile der Genehmigung liegen auf der Hand: Sie macht die Verschiffung durch den Hamburger Hafen durch Cosco, eines der größten Logistikunternehmen weltweit, attraktiver. Das bringt mehr Umsatz und sichert Jobs in Hamburg. Zudem muss man in aller Fairness betonen, dass wichtige Wettbewerber – allen voran Rotterdam, Antwerpen und Zeebrugge – bereits Beteiligungen von Cosco erlauben (im Fall von Zeebrugge sogar zu 85 Prozent).

Dem stehen eine Reihe schwerwiegender Nachteile gegenüber. Die Beteiligung Coscos vergrößert die schon jetzt asymmetrische Abhängigkeit Deutschlands und Europas von China. Zwar investieren deutsche Unternehmen viel mehr direkt in China, als chinesische Unternehmen dies in Deutschland tun. Allerdings verbietet China ausländische Investitionen in vielen wichtigen Wirtschaftssektoren wie kritischer Infrastruktur, Telekommunikation oder zahlreichen Technologiebereichen. Hinzu kommt die deutlich höhere Abhängigkeit im bilateralen Handel von China, vor allem bei wichtigen Rohstoffen wie seltenen Erden.

Die Entscheidung der Bundesregierung stärkt ein chinesisches Staatsunternehmen im wichtigen Markt der globalen Logistik. Schon jetzt hat Cosco als Staatsunternehmen viele Vorteile im globalen Wettbewerb, da der Konzern nicht zwingend Gewinne machen muss und auch politische Ziele der chinesischen Regierung verfolgen kann. Somit könnte sich der vermeintliche Vorteil langfristig als Nachteil erweisen, weil er Hamburg zum Spielball chinesischer Politik machen könnte. Wie würden die Regierungen in Hamburg, Berlin und Brüssel reagieren, wenn Cosco darauf drängt, dass der Hamburger Hafen keine Lieferungen aus Taiwan akzeptieren soll?

Die Entscheidung der Bundesregierung ist daher fatal, weil sie letztlich akzeptiert, dass chinesische Unternehmen nach anderen Spielregeln spielen dürfen als deutsche oder europäische Unternehmen. Was chinesischen Unternehmen also in Europa und Deutschland erlaubt ist, ist europäischen Unternehmen in China verboten. Eine symmetrische Beteiligung eines deutschen Unternehmens an einem chinesischen Hafen wäre unmöglich.

Daher sollte die Bundesregierung wieder mehr Gewicht auf die strategische Souveränität der EU in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen legen. Deutschland und Europa dürfen den Fehler, wie sie ihn bei der zunehmenden Abhängigkeit von russischem Gas in den vergangenen 20 Jahren stetig begangen haben, nicht wiederholen. Die EU sollte noch einen Schritt weitergehen und darauf drängen, dass wichtige Infrastrukturen wieder in europäische Hand gebracht werden, um die Asymmetrie und die Erpressbarkeit nicht nur von China, sondern von allen nicht-europäischen Unternehmen und Regierungen, zu reduzieren.

Ich vermute, die Bundesregierung will vor dem Besuch des Bundeskanzlers in China geplante wirtschaftliche Abkommen nicht gefährden und ist vor dem chinesischen Druck eingeknickt. Statt eine werteorientierte Außenpolitik zu verfolgen, wie im Koalitionsvertrag versprochen, verfolgt die Bundesregierung weiterhin eine merkantilistische Außenwirtschaftspolitik, die auf kurzfristige Gewinne und nicht auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit, symmetrische Beziehungen und hohe ethische und wirtschaftliche Standards abzielt. Die EU und die Bundesregierung sollten die Symmetrie der wirtschaftlichen Beziehungen in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftspolitik mit China stellen. Die Bundesregierung muss als größtes und von China am stärksten abhängige Land Europas mit gutem Beispiel vorangehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundeskanzler dies auf seinem Besuch in China mit Nachdruck unterstreicht. Die Erlaubnis der Beteiligung von Cosco am Hamburger Hafen war jedoch kein gutes Omen.

Themen: Konjunktur

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