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"Doppelwumms": Wo bleiben Anreize für Investitionen? Kommentar

DIW Wochenbericht 45 / 2022, S. 592

Alexander S. Kritikos, Alexander Kriwoluzky

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Winter is coming – ein mittlerweile geflügeltes Wortspiel aus der populären Serie „Game of Thrones“. Dieser Winter wird das Land auf eine harte Probe stellen. Die Politik ist gefordert, diejenigen Haushalte und Firmen schnell zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Allerdings ist der Staat derzeit wohl immer noch nicht in der Lage, seine Unterstützung auf Hilfsbedürftige zu konzentrieren. Stattdessen wird in der Hoffnung, dass es auch die Richtigen trifft, die ganz große Gießkanne ausgepackt und einmal mehr versucht, durch einen Comic-Slogan („Doppelwumms“) Bürgernähe und Coolness vorzugaukeln.

Dieser „Doppelwumms“ wurde vor kurzem im Bundestag verabschiedet. Danach werden 200 Milliarden Euro an Steuermitteln bereitgestellt, um Gas- und Strompreise zu deckeln. Innerhalb der Rahmenbedingungen hat die jüngst eingesetzte Gaspreiskommission ihre Aufgabe gut erfüllt. Der Versuchung des marktwidrigen Eingriffs durch den heiß diskutierten Gaspreisdeckel hat sie widerstanden. Die hohen Preise werden voll an die Gas-Verbraucher*innen weitergegeben, allerdings bekommen alle Ermäßigungen für bis zu 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs, um soziale Härten abzufedern. Damit bleibt der Anreiz zum Energiesparen bestehen, denn die Verbraucher*innen können sich die Gutschriften später sogar auszahlen lassen, sollten sie nicht aufgebraucht sein.

Dennoch finden sich markante Schwächen im neuen Paket. Vor allem werden erneut alle Haushalte, also von Arbeitslosengeld-II-Empfänger*innen bis hin zu Millionär*innen, von den staatlichen Steuergeldern profitieren. Wirtschaftlich sinnvoller wäre es, nur Haushalte und Unternehmen zu unterstützen, die ohne solche Hilfen nicht durch den Winter kommen würden. Eine begründbare Faustregel wäre, den Haushalten dann mit staatlichen Hilfen unter die Arme zu greifen, wenn deren Einkünfte in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung liegen. Während also 200 Milliarden Euro in nicht investiver Form für diesen Abwehrschirm bereitgestellt werden, das sind immerhin mehr als fünf Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts, spricht derzeit niemand von Investitionen in erneuerbare Energien. Gerne wird dann zwar auf den Energie- und Klimafonds hingewiesen, der 106 Milliarden Euro erhalten habe. Aber ein Blick in dessen Verwendungsstruktur macht deutlich: Ein Ausbau der erneuerbaren Energien ist über diesen Fonds wohl nicht vorgesehen. Daher wird es Zeit, die Diskussion über einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zu intensivieren, zumal der Strombedarf angesichts der anstehenden Verkehrswende hin zu mehr E-Mobilität noch zunehmen wird.

Derzeit werden in Deutschland knapp 50 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien abgedeckt. Kleine wie große Investoren in diese Energieform haben ebenso wie die Energiekonzerne auf Basis fossiler Energieträger in der Krise unerwartete Gewinne gemacht, manche sprechen von Übergewinnen. Bisher beschränkt sich die Diskussion um den Umgang mit solchen Übergewinnen ausschließlich auf eine Frage: Wie und in welchem Umfang können diese Gewinne über die normale Besteuerung hinaus zur Finanzierung des dritten Entlastungspakets abgeschöpft werden? Derzeit erhofft sich die Regierung Einnahmen von rund zehn Milliarden Euro, wenn sie ab März nächsten Jahres versuchen wird, rückwirkend eine Abgabe auf die Übergewinne zu erheben. Viel wichtiger wäre es, sich Gedanken über Anreize zur Reinvestition der Gewinne zu machen. Das könnte durch eine niedrigere Besteuerung dieser Gewinne erreicht werden, wenn sie nicht ausgeschüttet, sondern zusätzlich in erneuerbare Energien investiert werden.

Während es die Regierung schafft, das Land durch den derzeitigen Winter zu bringen, verpasst sie es, Maßnahmen zu treffen, die das Land mittelfristig unabhängiger von fossiler Energie und damit winterfest machen. „Winter is coming“ bedeutet: durch kluges und durchdachtes Handeln für zukünftige Herausforderungen jeglicher Art gewappnet zu sein.

Alexander Kriwoluzky

Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie

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