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Erbschaftsteuer: Freibeträge erhöhen, Steuerprivilegien streichen: Kommentar

DIW Wochenbericht 50 / 2022, S. 680

Stefan Bach

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Die stark gestiegenen Immobilienpreise haben viele Eigenheimbesitzer*innen und Kleinvermieter*innen reicher gemacht, vor allem in den Ballungsräumen. Das kommt inzwischen bei der Erbschaftsteuer an: Weil die Freibeträge seit über zehn Jahren gleich geblieben sind, werden mehr Menschen erbschaftsteuerpflichtig. Die Anpassungen der steuerlichen Immobilienbewertung durch das Jahressteuergesetz, die derzeit diskutiert werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. In Kommunen mit amtlichen Immobilienpreissammlungen der Gutachterausschüsse werden die hohen Werte zumeist schon bisher veranlagt – vor allem bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen, die den Großteil der Vermögen von Normalsterblichen ausmachen. Das ist auch richtig so. Denn das Bundesverfassungsgericht verlangt zu Recht, dass Immobilien oder auch Unternehmen mit ihren aktuellen Marktwerten veranlagt werden. Sonst würden Immobilien wie früher gegenüber Finanzvermögen bevorzugt.

Viele Menschen fürchten, dass ihr Familienvermögen nicht mehr erbschaftsteuerfrei an die Kinder übertragen werden kann. Das ist meistens übertrieben, denn hier gilt ein Freibetrag von 400000 Euro je Elternteil und Kind. Ein Paar kann also 1,6 Millionen Euro steuerfrei an zwei Kinder übertragen. Mit Schenkungen kann man das alle zehn Jahre wiederholen. Hochvermögende nutzen das häufig. Normalsterbliche Familien mit Eigenheim und moderatem Finanzvermögen halten aber gerne ihre Vermögen bis ins hohe Alter zusammen. Je nach Testament erbt zunächst der überlebende Partner, meist die Frauen. Und wenn dann alles an ein Kind geht, kann es in Ballungsräumen eng werden mit dem Freibetrag.

Dennoch sind bei Erbschaften und Schenkungen von Eltern an ihre Kinder letztlich nur fünf bis zehn Prozent der Fälle mit den höchsten Übertragungen steuerpflichtig. Dann muss auch nur das Vermögen versteuert werden, das den Freibetrag übersteigt. Die Steuersätze sind mit sieben und elf Prozent gering. Wenn Geschwister, Nichten und Neffen oder Freund*innen bedacht werden, liegt der Freibetrag aber nur bei 20000 Euro und die Steuersätze sind höher. Trotz geringerer Übertragungen entsteht hier knapp die Hälfte des Erbschaftsteueraufkommens.

Die Erbschaftsteuer-Freibeträge wurden seit 2009 nicht mehr erhöht. Zugleich sind die Immobilienpreise seitdem um 50 bis 70 Prozent gestiegen, in Ballungsräumen wesentlich stärker. Tatsächlich kommen in den letzten Jahren deutlich mehr Fälle in die Steuerpflicht. Derzeit werden jedes Jahr 40000 Personen mehr zur Erbschaftsteuer veranlagt als vor zehn Jahren, das entspricht einem Zuwachs von einem Drittel. Davon sind knapp die Hälfte Ehepartner*innen und Kinder, hier liegt der Zuwachs sogar bei knapp 90 Prozent. Auch das Steueraufkommen hat sich seitdem mehr als verdoppelt. Hier wirkt der gleiche Effekt wie bei der „kalten Progression“ der Einkommensteuer.

Diese Entwicklungen verstärken einen Trend, der schon länger bei der Erbschaftsteuer angelegt ist: Belastet werden vor allem die „armen Reichen“, die Immobilien oder Finanzvermögen bis zu höheren einstelligen Millionenbeträgen erben oder geschenkt bekommen. Bei diesen Vermögen gibt es nur wenige Gestaltungsmöglichkeiten, abgesehen von Schenkungen alle zehn Jahre. Bei sehr großen Vermögen entstehen dagegen häufig geringere oder gar keine Belastungen. Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen bleiben steuerfrei, wenn die Nachfolger das Unternehmen weiterführen. Selbst höhere dreistellige Millionenvermögen können im Rahmen einer Verschonungsbedarfsprüfung steuerfrei weitergegeben werden, wenn die Nachfolger kein Privatvermögen haben. Und es gibt weitere Steuersparmöglichkeiten, etwa mit Stiftungen.

Insoweit ist eine deutliche Erhöhung der Erbschaftsteuer-Freibeträge sinnvoll, wie sie derzeit die Union fordert. Zugleich sollte man die überzogenen Vergünstigungen für große Unternehmen und andere Steuerprivilegien deutlich reduzieren. Damit ließe sich immer noch ein Steuermehraufkommen erzielen. Damit kann man die Steuersätze senken, wenn das Steueraufkommen nicht steigen soll. Eine stärkere Belastung von großen Vermögen durch die Erbschaftsteuer könnte aber auch dazu verwendet werden, die Kosten der gegenwärtigen Krisen zu finanzieren oder die hohe Steuer- und Abgabenbelastung der Mittelschichten zu senken.

Dieser Kommentar ist zuerst am 12. Dezember 2022 bei Spiegel Online erschienen.

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

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