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Politik unter Zugzwang

Medienbeitrag vom 29. November 2022

Der Beitrag erschien in der Fuldaer Zeitung.

Konstantin A. Kholodilin analysiert die Entwicklungen auf dem deutschen Wohungsmarkt und rechnet damit, dass Wohnraum angesichts einer weiter wachsenden Bevölkerung knapp bleibt.

Nach mehr als einem Jahrzehnt steigender Immobilienpreise zeichnet sich aktuell eine Trendwende ab. Verschiedene Kaufpreisindikatoren stagnieren schon seit dem zweiten Quartal 2022. Geht der Immobi-lienboom also zu Ende? Und gibt es infolgedessen auch Entwarnung auf dem Mietmarkt?

Ganz so klar ist das nicht. Die Immobilienpreise werden vor allem durch drei Faktoren bestimmt:Zinssatz, Einkommen und Bevölkerungsentwicklung. Während steigende Zinsen zu sinkenden Hauspreisen führen, weil Immobilienkäufe dann teurer werden und weniger gefragt sind, bedeuten steigende Einkommen und eine wachsende Bevölkerung eine höhere Nachfrage nach Wohnraum und deshalb auch steigende Preise.

Aktuell wirken diese Faktoren in gegenläufige Richtungen: Während die Zinsen steigen und Einkommenseinbußen zu erwarten sind, nimmt die Bevölkerung, besonders in Großstädten, durch eine außerordentlich große Fluchtmigration zu. Gleichzeitig bleibt das Angebot an Wohnraum zu gering- die Neubautätigkeit hat vielerorts sogar an Schwung verloren.Im Jahr 2021 ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen gegenüber dem Vorjahr deutschlandweit zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt gesunken. In manchen Großstädten wie Berlin, Düsseldorf und Köln zeichnet sich diese Tendenz schon seit 2020 ab. Ein starker Rückgang der neu vergebenen Wohnbaukredite, deren Volumen sich seit Anfang dieses Jahres mehr als halbiert hat, gibt kaum Anlass zur Hoffnung, dass sich dieser Trend schnell umkehrt. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt dürfte also weiter angespannt bleiben.

Das Zusammenspiel der Fakto ren erschwert die konkrete Prognose der Immobilienpreisentwick-lung in naher Zukunft zwar. Zu erwarten ist aber, dass die Kaufpreis-korrektur eher moderat ausfällt und es keine so verheerenden ge-samtwirtschaftlichen Auswirkungen geben wird wie beispielsweise 2007 und 2008 in den USA. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist die konservative Kreditvergabe in Deutschland. Im Gegensatz zu Spanien und den USA vor zwei

Jahrzehnten werden die Hypothe-karkredite hierzulande nicht übermäßig an zahlungsschwache Haushalte vergeben. Außerdem ist der Anteil der Darlehen mit Zinsbindung von mehr als fünf Jahren in Deutschland noch immer relativ hoch - das sorgt für Stabilität.

Zudem gibt es keinen Anlass zu erwarten, dass die Mieten sinken werden. Neben der nach wie vor steigenden Nachfrage nach Wohnraum in den Großstädten kann dazu auch beitragen, dass Personen, die ihren Traum von der eigenen Immobilie wegen der steigenden Zinsen (vorerst) begraben müssen, sich fortan ebenfalls nach Mietwohnungen umsehen.

Der Wohnungsbau braucht also in iedem Fall neuen Schwung. Der Staat könnte unter anderem verbilligte Baumaterialien und Grund-stücke, auch in Form einer Erb-pacht, bereitstellen. Als Gegenleistung könnte er den Investoren abverlangen, die Mietpreise entsprechend der reduzierten Kosten niedriger anzusetzen. Der Wohnraumbedarf könnte auch durch die Aktivierung schon existierender Reserven außerhalb der großen Städte gedeckt werden. Dafür wären allerdings Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur und die Anbindung an große Städte und Zentren erforderlich. Dies könnte nicht nur den Wohnungsmangel lindern, sondern auch ein starker Impuls für die konjunkturelle Entwicklung sein.

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