„Empfehlung der Mindestlohnkommission ist eine bittere Enttäuschung“

Statement vom 26. Juni 2023

Die Mindestlohnkommission hat heute beschlossen, dass der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro erhöht werden soll. Dazu ein Statement von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):

BlockquoteDie Erhöhung des Mindestlohns von 12 Euro auf 12,41 ab dem 1. Januar ist eine bittere Enttäuschung für die mehr als elf Millionen Beschäftigten in Deutschland, die im Niedriglohnbereich arbeiten. 41 Cent, also 3,4 Prozent mehr, ist so wenig, dass die Erhöhung nicht einmal die durchschnittliche Inflation von sieben Prozent im Jahr 2022, voraussichtlich sechs Prozent 2023 und wahrscheinliche drei Prozent 2024 ausgleicht. Menschen mit geringen Einkommen haben eine individuell deutlich höhere Inflation als der Durchschnitt, da sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Dinge ausgeben müssen, die sehr viel teurer geworden sind, allen voran Lebensmittel, die sich in den vergangenen 15 Monaten um weit mehr als 20 Prozent verteuert haben. 

Für die Beschäftigten im Niedriglohnbereich bedeutet die geringe Erhöhung, dass sie weiterhin einen deutlichen Verlust der Kaufkraft erleiden und somit den Gürtel enger schnallen müssen. Die Konsequenz für viele Menschen ist, dass sie auf zusätzliche Leistungen, beispielsweise der Lebensmittel-Tafeln, angewiesen sein werden, oder sich überschulden müssen. Diese Krise ist unsozial, Menschen mit geringen Einkommen und Ersparnissen sind in der Inflation die größten Verlierer, während der Staat von der hohen Inflation durch einen Anstieg der Steuereinnahmen profitiert. Der Staat gibt allein in diesem Jahr 15 Milliarden Euro der zusätzlichen Steuereinnahmen durch ein Absenken der kalten Progression bei der Einkommensteuer an die Spitzenverdiener zurück.

Die Entscheidung der Mindestlohnkommission widerspricht der ökonomischen und auch der sozialen Logik. Sie widerspricht EU-Richtlinien, die einen Mindestlohn von mindestens 13,50 Euro, oder 60 Prozent des mittleren Lohns, vorgeben. Und die Entscheidung stellt die vom Mindestlohn betroffenen Menschen deutlich schlechter als viele andere Beschäftigte mit geringen Löhnen. So erhalten Beschäftigte mit geringen Löhnen im öffentlichen Dienst eine Lohnerhöhung von 16 Prozent im kommenden Jahr. Demzufolge hätte der Mindestlohn von zwölf Euro auf 14 Euro erhöht werden müssen. 

Die Entscheidung der Mindestlohnkommission unterstreicht einmal mehr, dass die Festlegung des Mindestlohns grundlegender Reformen bedarf. Eine unabhängige Mindestlohnkommission wie in Großbritannien sollte auf den ökonomischen und sozialen Nutzen für die Gesellschaft und nicht auf das Aushandeln von Kompromissen ausgerichtet sein. Die Festlegung des Mindestlohns sollte zudem zukunftsgerichtet sein und sich nicht an der Lohnentwicklung in der Vergangenheit orientieren.

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