„Deutschland läuft Gefahr, wichtige Weichenstellungen zu verschlafen“

Statement vom 11. Oktober 2023

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am Mittwoch in Berlin die Herbstprojektion der Bundesregierung präsentiert. DIW-Präsident Marcel Fratzscher kommentiert die Konjunkturprognose für Deutschland wie folgt:

BlockquoteDie Stimmung in Deutschland ist deutlich schlechter als die wirtschaftliche Lage. Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas, könnte dies jedoch wieder werden, wenn jetzt wichtige Weichenstellungen verschlafen werden.

Die Prognose der Bundesregierung bestätigt, dass wir uns in einer Phase der Stagflation befinden, nicht aber in einer tiefen Rezession. Die Beschäftigung in Deutschland bleibt auf Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit ist sehr gering, viele Unternehmen fahren ordentliche Gewinne ein und können sich im globalen Wettbewerb behaupten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs sind zwar deutlich weniger dramatisch als noch vor einem Jahr befürchtet. Deutschland ist aber durch seine Marktoffenheit und bisherige Abhängigkeit von russischem Gas stärker als andere europäische Länder betroffen.

Der schwache private Konsum und die zu geringen Investitionen sind die zwei wichtigsten wirtschaftlichen Hemmnisse. Die hohe Inflation trifft vor allem Menschen mit geringen Einkommen hart, der Verlust an Wohlstand und Kaufkraft dürfte noch lange zu spüren sein. Die starken Anstiege der Zinsen und der Energiekosten lasten auf vielen Unternehmen, nicht nur in den energieintensiven Branchen. Beide Anstiege lassen sich jedoch nicht politisch lösen. Stattdessen müssen sich die Unternehmen anpassen. Kurzfristig belastet am meisten die hohe Unsicherheit und der Pessimismus viele Teile der Wirtschaft in Deutschland. Wirtschaft ist zu einem großen Teil Psychologie, fehlendes Vertrauen lässt Investitionen und Konsum zurückgehen, so dass übertriebener Pessimismus letztlich die wirtschaftliche Dynamik bremst. Die Bundesregierung sollte dem Druck der mächtigen Industrielobby widerstehen und sich gegen weitere Subventionen stemmen. Sie sollte dringend einen Kurswechsel in der Finanzpolitik vollziehen, um mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung anzustoßen. Zudem sollte sie Regulierung und Bürokratie abbauen.

Es gibt keine leichten oder schnellen Lösungen für die völlig berechtigten Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Die Bundesregierung muss jetzt handeln, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Und Unternehmen müssen mehr Verantwortung übernehmen und Mut zum Handeln zeigen. Die Hauptverantwortung für eine erfolgreiche Transformation liegt in erster Linie bei der Wirtschaft, zu viele Unternehmen haben diese bisher verschlafen.

Themen: Konjunktur

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