Statement vom 26. Oktober 2023
Zu den heute vorgestellten Ergebnissen der jüngsten Steuerschätzung äußert sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:
Der Staat ist der große Gewinner der Inflation: Sie lässt die Steuereinnahmen sprudeln, auch wenn sich das Wachstum der Steuereinnahmen mit sinkender Inflation und stagnierender Wirtschaft abschwächen dürfte. Das geschätzte Wachstum der Steuereinnahmen des Bundes dürfte in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr rund sechs Prozent betragen und im Jahr 2024 gegenüber 2023 sogar sieben Prozent. Damit wird es deutlich über dem Wachstum der Wirtschaftsleistung liegen, die dieses Jahr schrumpfen und im nächsten Jahr nur moderat wachsen dürfte.
Die neue Steuerschätzung gibt der Bundesregierung überhaupt keinen Anlass, weiterhin auf die finanzpolitische Bremse zu treten, denn die Finanzpolitik wirkt sich schon jetzt negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Der nun noch stärker erwartete Anstieg der Steuereinnahmen für 2024, gekoppelt mit der etwas schlechteren Wirtschaftsleistung, hat den finanziellen Spielraum selbst unter Einhaltung der Schuldenbremse nochmals deutlich erhöht.
Der Staat muss jetzt dringend eine Investitionsoffensive starten, um öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Innovation stärker zu fördern. Die Finanzpolitik ist in der Pflicht, die ökologische, wirtschaftliche und digitale Transformation durch bessere Rahmenbedingungen möglich zu machen. Ansonsten wird sich die Deindustrialisierung beschleunigen und viele gute Arbeitsplätze werden verloren gehen.
Zudem sollte die Bundesregierung nicht, wie bisher, die höheren Steuereinnahmen primär an Unternehmen und an Spitzenverdiener*innen zurückgeben, wie sie dies in Bezug auf die Kalte Progression des Inflationsausgleichsgesetzes tut — sondern primär an die am meisten betroffenen Gruppen, etwa in Form des versprochenen Klimageldes.
Themen: Steuern