DIW Wochenbericht 23 / 2024, S. 342
Renke Schmacker, Erich Wittenberg
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Herr Schmacker, in Dänemark wurde 2012 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke stark erhöht, bevor die Steuer 2014 komplett abgeschafft wurde. Wie hat diese Steuer gewirkt? Tatsächlich war der Konsum von zuckerhaltigen Getränken im Jahr nach der Steuererhöhung im Durchschnitt um rund 13 Prozent niedriger. Unsere Analyse zeigt aber auch, dass es hier Unterschiede zwischen verschiedenen Konsumentengruppen gibt. Besonderes Augenmerk haben wir auf Konsument*innen gelegt, die es aufgrund niedriger Selbstkontrolle nicht schaffen, ihren Zuckerkonsum zu reduzieren. Hier haben wir herausgefunden, dass gerade diese Konsument*innen, die besonders davon profitieren könnten, ihren Konsum wegen der erhöhten Preise zu reduzieren, kaum auf die Steuer reagieren im Gegensatz zu Konsumenten mit hoher Selbstkontrolle, die ihren Konsum nach der Steuererhöhung reduziert haben.
Stieg der Zuckerkonsum nach Abschaffung der Zuckersteuer wieder an? Im Jahr 2014 sind die Preise für zuckerhaltige Getränke nach Abschaffung der Steuer um circa 23 Prozent gesunken. In der Folge wurde um 20 bis 30 Prozent mehr konsumiert. Nun allerdings haben die Konsument*innen mit hoher und niedriger Selbstkontrolle nicht unterschiedlich stark auf die Steuersenkung reagiert. Auch Menschen mit niedriger Selbstkontrolle, die vorher ihren Konsum kaum reduziert hatten, haben den Konsum erhöht, als die Preise gesunken sind und nun sogar mehr konsumiert als vor der Steuervariation.
Wie ist das zu erklären? Das liegt darin begründet, dass die Konsument*innen mit niedriger Selbstkontrolle auf die Steuererhöhung nicht reagiert haben, auf die Steuersenkung dann aber durchaus. Ich interpretiere es so, dass es Selbstkontrolle braucht, um mit einer Gewohnheit zu brechen. Zum Beispiel, wenn man damit aufhört, gewohnheitsmäßig zuckerhaltige Getränke zu konsumieren, weil die Preise gestiegen sind. Wenn es aber darum geht, einfach mehr zu konsumieren, weil man es sich nun leisten kann, spielt der Unterschied in der Selbstkontrolle keine Rolle.
Braucht es andere Anreize, um Menschen mit niedriger Selbstkontrolle dazu zu bewegen, weniger Zucker zu konsumieren? Aus meiner Sicht bräuchte es tatsächlich eine Vielzahl von Maßnahmen. Dazu gehört beispielsweise gesundheitliche Aufklärung, eine klare Lebensmittelkennzeichnung, aber auch eine Begrenzung des Marketings für ungesunde Lebensmittel. Besonders helfen würde es, wenn die Hersteller ihre Produkte gesünder machen würden. Hier sollte man allerdings nicht nur auf freiwillige Selbstverpflichtung bauen.
Warum zögert man in Deutschland, eine Zuckersteuer einzuführen? Hier setzt man auf Freiwilligkeit. Fakt ist, dass weltweit circa 50 Länder bereits eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt haben. Deutschland setzt stattdessen auf freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, die sich 2015 verpflichtet hat, den Zuckergehalt in zuckerhaltigen Getränken bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren. Eine Zwischenevaluation hat ergeben, dass bis 2021 der Zuckergehalt nur um circa zwei Prozent gesunken ist. Also bleibt diese freiwilligen Maßnahme bisher stark hinter den Erwartungen zurück. Steuern können aber zusätzliche Anreize setzen, wie das Beispiel der Steuer im Vereinigten Königreich zeigt. Hier hat man eine stufenweise Steuer eingeführt, bei der zuckerhaltige Getränke, die wenig Zucker enthalten haben, nur sehr wenig besteuert wurden, solche mit einem hohen Zuckergehalt aber sehr stark. Dies hat den Herstellern den Anreiz gegeben, den Zuckergehalt zu reduzieren, um einer geringeren Steuerlast ausgesetzt zu sein. In der Folge ist der Zuckergehalt in zuckerhaltigen Getränken in Großbritannien um 30 Prozent gesunken, also um deutlich mehr als die zwei Prozent, die in Deutschland im gleichen Zeitraum durch eine freiwillige Selbstverpflichtung erreicht wurden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Steuern, Gesundheit