Rentenpaket II: Großes Versprechen ohne Deckung: Kommentar

DIW Wochenbericht 23 / 2024, S. 344

Johannes Geyer, Peter Haan

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Das Rentenpaket II soll also die „Jahrhundertreform“ sein? Das Rentenniveau, für das bis 2025 bereits eine Garantie gilt, wird bis 2039 auf 48 Prozent festgeschrieben und zudem eine schuldenfinanzierte Säule aufgebaut, das „Generationenkapital“, die ab Mitte der 2030er Jahre den Beitragssatz zur Rente stabilisieren soll. Der Umfang der neuen Säule ist allerdings so gering, dass die steigenden Beiträge und Steuerzuschüsse dadurch kaum gedämpft werden. Es kommt also zu erheblichen Mehrbelastungen im Rentensystem. Bemerkenswert ist dabei, dass es die SPD war, die durch die Einführung des demografischen Faktors den Kurs auf das sinkende Rentenniveau gestellt hat, der jetzt korrigiert wird. Damals argumentierte die SPD übrigens ähnlich wie die aktuellen Kritiker*innen des Rentenpakets und forderte eine stärkere Beteiligung der Rentner*innen an der Finanzierung des demografischen Wandels.

Diese Beteiligung ist nun vorerst vom Tisch. Ob es dabei bleibt, ist ziemlich unsicher. Kurzfristig sieht die Reform nicht schlecht aus. Das Rentenpaket verbessert die Aussichten künftiger Rentner*innen, gleichzeitig kostet das Rentenpaket II den Staat jetzt praktisch noch nichts. Der echte Test der Rentengarantie steht noch aus: Erst Ende der 2020er und zu Beginn der 2030er Jahre – dann unter einer neuen Bundesregierung – wird sich zeigen, wie verlässlich die Rentengarantie ist. Erst dann wird viel Geld nötig sein, um das Niveau auf 48 Prozent zu halten. Die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur dieser Rentengarantie ist damit hoch. Die gute Arbeitsmarktentwicklung der letzten 15 Jahre lässt sich wohl nicht wiederholen, viele Reserven gibt es nicht mehr. Die Hoffnung, man würde aus der demografischen Entwicklung allein durch eine gute Arbeitsmarktentwicklung herauswachsen, wird ziemlich sicher enttäuscht werden.

Um die Niveaugarantie abzusichern, hätten mehr Bausteine für ihre Finanzierung Teil des Pakets sein müssen. Die Bunderegierung hat es versäumt, Schritte zur Entlastung des Beitragssatzes zu entwickeln. Möglich wäre beispielsweise eine deutliche Ausweitung des Kreises der Versicherten auf Selbständige und weniger Verbeamtungen. Das würde zumindest kurz- und mittelfristig eine Entlastung bringen. Denkbar wären auch Reformen der „Rente mit 63“ oder höhere Steuerzuschüsse zur Rentenversicherung. Oder man reduziert die Kosten der Haltelinie durch mehr Umverteilung im Rentensystem, sodass das Rentenniveau von Personen mit geringen Renten durch eine Absenkung bei Personen mit höheren Renten zumindest teilweise finanziert würde. Ein ähnlicher Vorschlag wurde auch vom Sachverständigenrat diskutiert.

Das Generationenkapital jedenfalls kommt sehr spät und ist zu klein dimensioniert, um einen relevanten Unterschied zu machen. Andere Staaten wie Finnland, Kanada, Japan oder auch Schweden haben bereits vor längerer Zeit begonnen, ihre Umlagerente durch eine kapitalgedeckte Säule zu ergänzen. Dort erreichen diese Fonds aber gemessen an der Wirtschaftsleistung ein Vielfaches des für Deutschland geplanten Volumens und bieten entsprechend mehr Entlastung. Das Generationenkapital weckt Hoffnungen, die es so nicht einlösen kann. Gleichzeitig wird es in dieser Legislatur keinen echten Neustart bei der ergänzenden Vorsorge, sei es privat oder betrieblich, geben. Die Widerstände gegen ein staatlich organisiertes Standardprodukt wie in Schweden oder Großbritannien sind noch immer groß.

Bemerkenswert am Generationenkapital ist zudem ein anderer Aspekt: Trickreich wird die Schuldenbremse umgangen, sodass die zusätzliche Verschuldung keine Auswirkung auf die Schuldenbremse hat. Hier wirkt sich der unmittelbare Investitionscharakter in Kapitalanlagen mildernd aus. Warum das bei Investitionen in Infrastruktur und Bildung nicht der Fall sein sollte, erschließt sich der Sache nach nicht. Dass diese hedgefondsartige Finanzierung ausgerechnet das Herzensanliegen der FDP ist, macht die Sache noch bizarrer. Wenn man schon im Namen der Generationengerechtigkeit auftritt, dann sollte man nochmal über diesen Punkt nachdenken. Es gäbe jedenfalls mehr Raum für Schulden und vor allem bessere Investitionsgelegenheiten als das Generationenkapital.

Johannes Geyer

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

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