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Strafzölle auf Elektroautos aus China: Gefährlicher Kompromiss: Kommentar

DIW Wochenbericht 25 / 2024, S. 404

Marcel Fratzscher

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Die Europäische Kommission hat Strafzölle auf Elektroautos bestimmter Hersteller aus China beschlossen. Diese strittige Entscheidung ist ein Kompromiss vor allem zwischen deutschen und französischen Interessen. Die Strafzölle sind notwendig, um die Prinzipien eines fairen Wettbewerbs in der Marktwirtschaft zu verteidigen und den europäischen Wirtschaftsstandort zu schützen. Allerdings könnte sich der Kompromiss als unzureichend und kontraproduktiv erweisen.

Kaum eine Frage der europäischen Handelspolitik der vergangenen Jahre war so umstritten wie die der Strafzölle auf aus China importierte E-Autos. Vor allem die Bundesregierung und deutsche Automobilhersteller haben sich vehement gegen solche Strafzölle ausgesprochen. Die Sorge ist groß, dass China Gegenmaßnahmen ergreifen könnte und deutsche Automobilhersteller sowie andere deutsche und europäische Unternehmen, die in China tätig sind, sanktioniert werden. Zudem gibt es Bedenken, dass auch E-Autos deutscher Hersteller, die in China produziert und von dort nach Europa exportiert werden, von den Strafzöllen betroffen sein könnten.

Auf der anderen Seite der Debatte stehen jene, die in den Sanktionen den Schutz marktwirtschaftlicher Prinzipien sehen. Die Belege massiver staatlicher Subventionen für chinesische Hersteller von E-Autos sind stichhaltig. Solche Subventionen nehmen verschiedene Formen an, von finanziellen Subventionen für die Produktionsprozesse bis hin zu extrem geringen Kosten für Energie, Rohstoffe und Infrastruktur.

Die Außenwirtschaftspolitik Deutschlands wurde viel zu lange vom Gedanken des Merkantilismus bestimmt, also der kurzfristigen Maximierung von Marktanteilen und wirtschaftlichen Erträgen, im Gegensatz zu langfristig und global fairem Wettbewerb. Das Abwandern der Solarindustrie nach China ist nur ein Beispiel. Europa und Deutschland müssen aufpassen, dass sie die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Diese haben dazu geführt, dass eine massive Asymmetrie entstanden ist, also eine einseitige Abhängigkeit von China. Und diese Abhängigkeit macht wirtschaftlich und politisch erpressbar.

Gerade jetzt, da deutsche Automobilkonzerne einen großen Aufholbedarf bei der E-Mobilität haben, wäre es schädlich für den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland, auf Strafzölle zu verzichten. Ja, kurzfristig würde ein Verzicht auf Strafzölle manche Vorteile haben: Deutsche Konsument*innen könnten günstigere E-Autos kaufen, was die Verkehrswende und den Umstieg auf klimaschonende Technologien beschleunigen würde. Und es würde die Sorge um Sanktionen gegen deutsche Unternehmen reduzieren. Aber langfristig könnte die Produktion und Entwicklung von E-Autos zunehmend nach China und anderswo in der Welt verlagert werden. Innovationsfähigkeit und gute Arbeitsplätze in Deutschland und Europa würden dann wohl verloren gehen. Deutsche Unternehmen müssen die Asymmetrie in ihrer Abhängigkeit zu China also dringend reduzieren.

Nun stellt sich die Frage, wieso die EU abgestufte Strafzölle zwischen 17 und 38 Prozent für bestimmte Hersteller aus China erhebt, wo sich die USA doch kürzlich erst für Zölle von 100 Prozent entschieden haben. Die Höhe scheint ein Kompromiss zwischen den widerstreitenden deutschen und französischen Interessen zu sein. Allerdings könnte sich dieser Kompromiss als unzureichend und gar kontraproduktiv erweisen. Denn die sehr viel höheren Strafzölle in den USA könnten dazu führen, dass chinesische Unternehmen sehr viel stärker auf den europäischen Markt drängen und der chinesische Staat die Subventionen für die eigenen Unternehmen weiter deutlich erhöht, damit diese in Europa Fuß fassen können.

Das Resultat könnte die schlechteste aller Welten sein: Chinesische E-Autos gewinnen trotz Strafzöllen Marktanteile in Europa und gleichzeitig erhebt die chinesische Regierung Sanktionen gegen europäische und allen voran deutsche Unternehmen. Viel klüger wäre eine enge Koordination der EU-Kommission mit den US-Behörden, sodass sich nicht beide Volkswirtschaften in einen Überbietungswettbewerb von Sanktionen und Subventionen begeben.

Dieser Kommentar ist in einer längeren Version am 13. Juni 2024 bei WirtschaftsWoche Online erschienen.

Themen: Steuern

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