DIW Wochenbericht 26 / 2024, S. 407-412
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„"In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Länder mit rigideren Wechselkurssystemen gestiegen. Gleichzeitig erhöhen viele Staaten ihre Währungsreserven, um auf den Devisenmärkten eingreifen zu können."“ Lukas Menkhoff
Die Phase zunehmender Globalisierung scheint mit der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 zu Ende gegangen sein, was sich nicht nur im sinkenden Welthandel relativ zur Wertschöpfung ausdrückt. Auch in der internationalen Finanzarchitektur ist dieser Trend zu beobachten. Hier zeigt er sich in der zunehmenden Bereitschaft, mit Devisenmarktinterventionen auf Wechselkurse einzuwirken. Immer mehr Länder entscheiden sich für rigidere Wechselkursregime und höhere Währungsreserven (relativ zur Wertschöpfung) bei unveränderter Fähigkeit zu Interventionen, wie dieser Wochenbericht zeigt. Daran lässt sich ablesen, dass das Vertrauen in die Preisbildung auf den freien Märkten abnimmt und die Bereitschaft zur politischen Kontrolle steigt. Dies ist ein weiterer Schritt weg von einer westlich dominierten, multilateral geordneten Weltwirtschaft, hin zu einer Welt, in der Länder stärker ad hoc agieren.
Die internationale Finanzarchitektur, die den Rahmen für internationale Finanzströme bildet, ist seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 nicht mehr verbindlich festgelegt. Bis dahin waren Länder diesem Abkommen beigetreten und hatten sich damit zur Einhaltung entsprechender Regeln verpflichtet, insbesondere zur Stabilisierung der weitgehend festen Wechselkurse. Als Instrument zur Stabilisierung kamen Devisenmarktinterventionen, also der Kauf oder Verkauf fremder Währung, regelmäßig zum Einsatz.Barry Eichengreen (2019): Globalizing Capital: A History of the International Monetary System. Princeton: Princeton University Press, 3. Auflage.
In den ersten Jahrzehnten nach Bretton Woods ging der Trend hin zu weniger Regulierung und mehr Vertrauen in freie Finanzmärkte, und dies impliziert weniger Devisenmarktinterventionen. Dies war zugleich die Hochzeit der jüngeren Globalisierung. Mit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ist diese Phase zu Ende gegangen und das Vertrauen in freie Märkte ist beschädigt.Harold James (2018): Deglobalization: The Rise of Disembedded Unilateralism. Annual Review of Financial Economics, 10, 2019–237; Maurice Obstfeld (2024): Economic Multilateralism 80 Years after Bretton Woods. Oxford Review of Economic Policy. CEPR Discussion Paper 18751 (im Erscheinen). Wie drückt sich dies in der internationalen Finanzarchitektur aus, und welche Rolle spielen dabei Devisenmarktinterventionen?
Das wichtigste Merkmal der internationalen Finanzarchitektur ist die Ausgestaltung des Wechselkursregimes. Zur Zeit von Bretton Woods waren es feste, aber anpassungsfähige Wechselkurse, danach tendenziell stärker flexible Wechselkurse. Was in der abstrakten Beschreibung klare Typen von Wechselkursregimen sind, erweist sich in der Realität als weitaus komplexer. Insbesondere werden die offiziell verkündeten Regime (De-jure-Regime) nicht wirklich praktiziert. Deshalb hat die Wissenschaft analysiert, wie das jeweilige Wechselkursregime praktiziert wird (De-facto-Regime) und diese Praktiken in Gruppen von Regimen eingeordnet.Zum Beispiel Eduardo Levy-Yeyati und Federico Sturzenegger (2005): Classifying Exchange Rate Regimes: Deeds vs. Words. European Economic Review, 49, 1603–1635. Die wissenschaftliche Literatur unterscheidet eine grobe Klassifikation mit sechs und eine feine Klassifikation mit elf unterschiedlichen Regimen.Ethan Ilzetzki, Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff (2019): Exchange Arrangements Entering the 21st Century: Which Anchor Will Hold? Quarterly Journal of Economics, 134(2), 599–646; Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff (2004): The Modern History of Exchange Rate Arrangements: A Reinterpretation. Quarterly Journal of Economics, 119, 1–48.
Im Rahmen der groben Klassifikation dominiert das Regime fester Wechselkurse mit 104 Ländern unter insgesamt 187 erfassten Ländern (55,6 Prozent der Länder), während flexible Wechselkurse von der Anzahl der Länder her kaum eine Rolle in der Weltwirtschaft spielen (3,7 Prozent) (Tabelle 1).Ilzetzki, Reinhart und Rogoff (2019), a.a.O. Allerdings haben große Volkswirtschaften wie die USA, der Euroraum oder Japan flexible Wechselkurse.
Regime Nr. | Regimebezeichnung | Merkmale | Anzahl Länder 2019 | Länderbeispiele |
---|---|---|---|---|
1 | fester Wechselkurs | gekoppelter Wechselkurs (peg) currency board | 104 | Deutschland, Bangladesch, China |
2 | enges Wechselkursband | gleitendes Band i.d.h. Band +/− 2 Prozent | 43 | Ägypten, Ungarn |
3 | weites Wechselkursband | gleitendes Band i.d.h. Band +/− 2 bis5 Prozent | 21 | Norwegen, Indien |
4 | flexibler Wechselkurs | kaum Eingriffe in die Wechselkursbildung | 7 | USA, Mexiko |
5+6 | sonstige | frei fallende Wechselkurse, parallele Devisenmärkte | 12 | Argentinien, Sudan |
Quelle: Eigene Darstellung.
Unter den Ländern mit festen Wechselkursen dominieren Länder mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen, wie Bangladesch. In der verwendeten Klassifikation sind allerdings auch alle Mitglieder der Europäischen Währungsunion, wie Deutschland, als Länder mit Festkurssystem erfasst, weil ihre Währung zu einem festen Wechselkurs gegenüber dem Euro umgestellt wurde. Dagegen wird man in vielen ökonomischen Analysen, wie auch in diesem Wochenbericht, den Euroraum als ein Währungsgebiet mit flexiblem Wechselkurs gegenüber der Welt behandeln. Recht häufig gibt es auch noch enge Wechselkursbänder, wie sie Ägypten oder Ungarn praktizieren, während die weiten Wechselkursbänder mit Schwankungsbreiten von bis zu plus/minus fünf Prozent gegenüber einer Referenzwährung schon seltener sind (Beispiele sind Norwegen oder auch Indien). Schließlich ist die Kategorie „sonstiges“ zu erwähnen, worunter frei fallende Wechselkurse oder Systeme mit parallelen Wechselkursen klassifiziert sind.
Da die verwendete Datenbank bis ins Jahr 1946 zurückreicht, kann man die Veränderung in den Anteilen der Wechselkursregime über mehr als sieben Jahrzehnte ermitteln. Hier interessiert vor allem der Anteil derjenigen Regime, die den Wechselkurs sehr rigide festlegen und deren Implementierung Devisenmarktinterventionen begünstigt.Siehe auch Tobias Heidland, Lukas Menkhoff und Sekou Metiki (mimeo): Policy Preparing for FX Interventions. Um den Wechselkurs eng zu stabilisieren, müssen die Zentralbanken intervenieren oder mindestens dazu bereit sein, das heißt, die Rigidität des Wechselkursregimes und Interventionen auf Devisenmärkten gehen Hand in Hand. Das betrifft vor allem das Regime eins in der groben Klassifikation, das heißt feste Wechselkurse.
Die Rigidität hat seit dem Ende von Bretton Woods langfristig zunächst abgenommen (Abbildung 1): Der Anteil fester Wechselkurse fällt von 80 Prozent bis auf unter 40 Prozent Anfang der 90er Jahre. Seitdem steigt der Anteil der Festkursregime kontinuierlich bis auf derzeit rund 55 Prozent.Ilzetzki, Reinhart und Rogoff (2019), a.a.O. Da Rigidität positiv mit Interventionen zusammenhängt und man für Interventionen tendenziell Währungsreserven benötigt, wird untersucht, ob bei der Haltung von Währungsreserven ebenfalls Änderungen eingetreten sind.
Mit der zunehmenden Globalisierung war ein großer Aufbau von Währungsreserven einhergegangen, die für Interventionen zur Wechselkurssteuerung notwendig sind.Zu den Funktionen von Währungsreserven siehe Joshua Aizenman und Jaewoo Lee (2007): International Reserves: Precautionary versus Mercantilist Views, Theory and Evidence. Open Economies Review, 18, 191–214. Insofern könnte man erwarten, dass diese Reserven, deren Haltung mit Kosten verbunden ist, mit dem Rückgang der Globalisierung seit der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ebenfalls zurückgefahren werden.Vgl. Gustavo Adler und Rui Mano (2019): The Cost of Foreign Exchange Intervention: Concepts and Measurement. Journal of Macroeconomics, 67, 103045. Kosten von Devisenreserven, relativ zu einer normalen Anlage in heimischer Währung (zum Beispiel Anlagen der Zentralbank in heimischer Währung), haben im Allgemeinen zwei Ursachen. Erstens werden Devisenreserven in den großen handelbaren Währungen gehalten, insbesondere dem US-Dollar. Diese Währungen sind recht sichere Anlagen und haben deshalb meist niedrigere Zinsen als die jeweils heimischen Währungen (sozusagen ein umgekehrter Carry Trade). Zweitens erfolgt die Anlage von Devisenreserven liquider als eine typisch langfristig orientierte Anlage und verzichtet damit auf das Einnehmen einer Illiquiditätsprämie. Dem ist allerdings nicht so, im Gegenteil.
Gleichgültig, ob die absoluten Werte für weltweite Reserven und das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) herangezogen, oder eine Gleichgewichtung der Länder vorgenommen wird, in jedem Fall steigt das Verhältnis zwischen Währungsreserven und BIP – unter Schwankungen – bis in die Gegenwart (Abbildung 2).In Krisenzeiten kommt es immer wieder einmal zu Ausschlägen, wie zuletzt bei der großen Finanzkrise 2008 oder der Covid-Krise. Dagegen stagniert das übliche Maß der Globalisierung, das Verhältnis von Außenhandel zu BIP seit etwa 2008, oder fällt leicht. Die Anzahl der Länder steigt über die Zeit auf bis zu 148.
Diese divergente Entwicklung zwischen Außenhandel und Reserven passt nicht zu der Erwartung, dass eine stagnierende Außenhandelsquote zu einer stagnierenden Reservequote führt. Vielmehr scheint es, dass die Politikverantwortlichen Gründe sehen, warum sie entweder mehr interveniert haben (und damit hohe Reserven aufbauen) oder in Zukunft höhere Interventionen erwarten, für die Vorbereitungen getroffen werden. In beiden Fällen spielen Interventionen eine größere Rolle als vor 2008 und die Entscheidungsträger nehmen Marktentwicklungen, bei denen sie eingreifen oder eingriffsbereit sein sollten, offensichtlich in stärkerem Maße an als früher.
Es könnte aber auch sein, dass Währungsreserven stärker eine Funktion als Staatsfonds einnehmen. Dann würden die Anlagen vermutlich illiquider als zuvor getätigt. Ob dies so ist, wird durch die Fähigkeit zu Devisenmarktinterventionen gemessen.Ausführlicher hierzu Heidland et al. (2024), a.a.O. Die Fähigkeit ist dann gegeben, wenn Reserven für Interventionen gut einsetzbar sind. In diesem Fall weisen sie zwei Merkmale auf. Erstens wird der Anteil der Devisenreserven an allen offiziellen Reserven hoch sein, denn nur damit kann unmittelbar interveniert werden.Neben Devisenreserven sind Gold, Sonderziehungsrechte und weitere kleine Positionen Teil der gesamten Reserven. Zweitens werden diese Reserven stärker in Bankeinlagen als in Wertpapieren gehalten, wenn sie für Interventionen verfügbar sein sollen, weil sie nicht erst (mit möglichen Kursänderungen) verkauft werden müssen.
Die Aufgliederung der Reserven in einzelne Positionen ist für viele Länder ab dem Jahr 2001 verfügbar.Die Angaben sind entnommen aus der Datenbank: Internationaler Währungsfonds, International Reserves and Foreign Currency Liquidity (IRFCL), Washington, D.C. (online verfügbar, abgerufen am 6.6.2024). Angaben zu tatsächlichen Interventionen (im weitaus dominierenden Spotmarkt) sind für zahlreiche Länder auch erst seitdem öffentlich.Spotmärkte, an denen unmittelbar gehandelt wird, dominieren die Devisenmärkte im Vergleich zu Terminmärkten, und dies gilt ebenso für Devisenmarktinterventionen. Die Schnittmenge beider Datensätze beträgt 28 Länder mit zunehmender Anzahl. Für diese Stichprobe kann man auf monatlicher Basis zeigen, dass tatsächliche Interventionen mit den beiden oben genannten Bestandteilen, die die Fähigkeit zu Interventionen messen, zusammenhängen. Tatsächliche Interventionen und die Fähigkeit zu Interventionen gehen also Hand in Hand, müssen aber nicht identisch sein.
Um Veränderungen über die Zeit für eine größere Ländergruppe zu ermitteln, werden Daten für 75 Länder genutzt (die 93 Prozent des Welt-BIP ausmachen).Hier werden die Mitglieder der Europäischen Währungsunion als ein Fall betrachtet und wie ein Land behandelt. Dazu werden die erfassten Länder gleich gewichtet, unabhängig von ihrer Bevölkerungszahl oder Wirtschaftskraft, weil die gewählte Fähigkeit zu Interventionen eine politische Entscheidung ist, die pro Land (oder Währungsraum) getroffen wird. Das Ergebnis zeigt sehr klar, dass der Anteil der Devisenreserven an den Gesamtreserven über die 20 Jahre etwa gleichgeblieben ist (Abbildung 3). Der Anteil der Einlagen an den Devisenreserven ist sogar leicht gestiegen. Insgesamt also deuten die gestiegenen Reserven nicht auf eine stärkere Nutzung als Anlage (Staatsfonds) hin, sondern die Politikverantwortlichen halten die Reserven eher noch stärker als zuvor bereit, um gegebenenfalls intervenieren zu können.
Die drei Politikentscheidungen, die oben untersucht wurden (Wechselkursregime, Reservehaltung, Interventionsfähigkeit), zeigen alle in eine Richtung: Die Bereitschaft zu Interventionen ist hoch und steigt über die Zeit an (Abbildungen 1 und 2). Die Erklärungskraft der gewählten Politikparameter als Anhaltspunkt für Interventionen kann ex post getestet werden, indem der Zusammenhang zu tatsächlichem Interventionsverhalten gemessen wird.
Da solche tatsächlichen Interventionsdaten nicht verfügbar sind, wird hier als Maß für Interventionsaktivität ein Proxy genommen, der im Wesentlichen auf Veränderungen von Währungsreserven abstellt und zusätzlich modifiziert wurde. Sein großer Vorteil ist, dass dadurch 75 Länder erfasst werden können. Auch wenn dieser Proxy den Nachteil hat, dass er praktisch für jeden Monat für jedes Land Interventionen anzeigt (obwohl bei weitem nicht so oft interveniert wird), so sind die gemessenen Interventionen bezogen auf das BIP der jeweiligen Länder der vermutlich beste Indikator, der breit verfügbar ist. Im ersten Schritt wird gemessen, ob und inwieweit die drei institutionellen Politikentscheidungen das Interventionsverhalten erklären können. Im zweiten Schritt wird dann der gemeinsame Erklärungsbeitrag aller drei Maße untersucht.
Die Schätzungen erfolgen mit der Standardmethode der kleinsten Quadrate, wobei hier Dummies für Jahre und Länder verwendet werden. Die Jahresdummies berücksichtigen, dass es Jahre mit generell mehr oder weniger Interventionen gibt, also insbesondere mehr Interventionen in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. Die Länderdummies berücksichtigen mögliche (ansonsten nicht erfasste) Effekte, die zu mehr oder weniger Interventionen einzelner Länder führen. Somit erfasst die Schätzung nur die Effekte, die Wechselkursregime, Reserven und Interventionsfähigkeit, kontrolliert für die anderen erwähnten Einflüsse, haben.
Wie erwartet zeigen die negativen Koeffizienten der anderen Regime, dass dort weniger intensiv interveniert wird als im Regime fester Wechselkurse.Es geht hier um Interventionsintensität, weil das verwendete Maß, der Proxy für Interventionen, das Interventionsvolumen relativ zum BIP setzt. Bei den engen Bändern wird rund 25 Prozent weniger interveniert, bei den flexibleren Regimen, das heißt, bei breiten Bändern und flexiblen Wechselkursen, wird etwa 40 Prozent weniger interveniert (Tabelle 2, Spalte 1). Die sonstigen Regime sind der Vollständigkeit halber aufgeführt, lassen sich aber summarisch nicht gut interpretieren.
Abweichung zum Regime fester Wechselkurse in Prozent
Wechselkursregime | Reservehöhe | Interventionsfähigkeit | Alle drei Größen | |
---|---|---|---|---|
Enges Wechselkursband | −25,2*** | −20,2*** | ||
Weites Wechselkursband | −41,2*** | −33,1*** | ||
Flexibler Wechselkurs | −37,3*** | −29,9*** | ||
Sonstige | −20,6*** | −9,0 | ||
Offizielle Reserven/BIP | 19,8*** | 17,3*** | ||
Fähigkeitsindex (kontinuierlich) | 7,7*** | 2,2 | ||
Beobachtungen | 12516 | 12751 | 12408 | 12353 |
Anmerkung: Lineare Regression von BIP-normalisiertem Proxy für Interventionen auf verschiedene Variablen. Für Länder und Jahre wurden Dummy-Variablen verwendet. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Lesehilfe: Die Interventionsintensität ist im Regime eines engen Wechselkursbandes etwa 25 Prozent geringer als bei festen Wechselkursen.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Bei Berücksichtigung der Reservehöhe ist der Koeffizient positiv und statistisch hoch signifikant (Tabelle 2, Spalte 2). Da die Werte von Reserven zu BIP standardisiert worden sind (Mittelwert null und Standardabweichung eins), bedarf es weiterer Information, um die Stärke der ökonomischen Beziehung zu beschreiben: Eine Verdopplung der Reserven (bei unverändertem BIP) geht mit 20 Prozent mehr Interventionen einher. Der (standardisierte) Koeffizient des Index für Fähigkeit zu Interventionen ist ebenfalls positiv und hoch signifikant, aber der Einfluss ist nur gut ein Drittel so hoch wie bei den Reserven (Tabelle 2, Spalte 3).Dieser Index der Fähigkeit zu Devisenmarktinterventionen berücksichtigt die beiden oben diskutierten Dimensionen (Abbildung 3). Der Index wird in einer Hauptkomponentenschätzung aus den beiden Dimensionen als erste Komponente ermittelt (genauer dazu in Heidland, a.a.O.). Das heißt, alle drei Politikentscheidungen (über Regime, Reserven und Fähigkeit) waren in den letzten 20 Jahren signifikant mit mehr Interventionen verbunden.
Werden alle drei Größen gleichzeitig berücksichtigt, sinken die Koeffizienten wegen der Verbindungen untereinander tendenziell, und der letzte Koeffizient in der Spalte – für die Fähigkeit zu Interventionen – wird insignifikant (Tabelle 2, Spalte 4).
Die internationale Finanzarchitektur befindet sich in stetem Wandel. Dieser resultiert nicht aus ständig neuen Vereinbarungen über Institutionen, im Gegenteil stammen viele dieser Institutionen, wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank, aus einer ferneren Vergangenheit (den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts). Wandel ergibt sich aus dem faktischen Verhalten der Länder, das eben nicht strikten Regeln unterworfen ist.Vgl. Michael Frenkel und Lukas Menkhoff (2000): Stabile Weltfinanzen, Berlin.
Dieser Beitrag untersucht den Umgang mit Devisenmarktinterventionen und was sich daraus für die internationale Finanzarchitektur schließen lässt. Interventionen sind ein spezifisches Instrument, um den heimischen Wechselkurs zu beeinflussen. Die letzten 20 Jahre hat dieser Wunsch der Beeinflussung, den verwendeten Indikatoren zufolge, klar zugenommen.
Damit zeigt sich im Bereich der internationalen Finanzarchitektur etwas ähnliches wie beim Außenhandel. Der wächst zwar weltweit, aber schwächer als die Wertschöpfung, so dass die relative Bedeutung – anders als bis 2008 – tendenziell leicht sinkt. Dies wird als stockende Globalisierung oder ansatzweise Deglobalisierung gesehen. Im Bereich der internationalen Finanzarchitektur drückt sich diese leichte Tendenz zur weltwirtschaftlichen Desintegration so aus, dass der Anteil rigider Wechselkursregime, die Quote aus Reserven zu Wertschöpfung und die Fähigkeit zu Interventionen steigen. Die Länder treffen Entscheidungen, die sie befähigen, ihren Wechselkurs besser zu kontrollieren.Dies setzt voraus, dass Devisenmarktinterventionen tatsächlich den Wechselkurs beeinflussen, wie eine Metastudie zeigt: Lucia Arango-Lozano et al. (2024): The Effectiveness of FX Interventions: A Meta-Analysis. Journal of Financial Stability, 100794 (im Erscheinen). Da ein Wechselkurs immer auch wenigstens ein anderes Land betrifft, kann solch ein Kontrollbemühen auf Widerstand des anderen betroffenen Landes stoßen, was zu Auseinandersetzungen bis hin zu einem Währungskrieg führen kann.
Auch wenn es nicht zu künftigen Währungskriegen kommen muss, so zeigen die hier beschriebenen Politikentscheidungen deutlich, dass die Politikentscheider *innen weniger als früher auf Marktlösungen setzen, also Wechselkursverläufe, die sich an freien Devisenmärkten bilden. Das passt zu dem generell eher steigenden Regulierungsniveau, insbesondere was den Außenhandel betrifft. Die Politikentscheider *innen lassen sich auch nicht, wie beim Bretton-Woods-Währungssystem, in eine internationale Ordnung einbinden. Vielmehr agiert die Politik der Länder im Bereich der internationalen Finanzarchitektur zunehmend auf sich selbst bezogen. Dies passt zur steigenden Bedeutung von Spannungen in der Weltwirtschaft und zur Unterordnung von ökonomischen unter politische Gesichtspunkte im Verhalten vieler Länder.Zum Beispiel Holger Görg und Katrin Kamin (2021): Globalisierung trifft Geoökonomie. Wirtschaftsdienst, 101(11), 854–857. Aus europäischer Sicht ist dies unerfreulich, sieht man doch auch beim hiesigen Thema, dass die westlich dominierte Vorstellung einer multilateral geordneten Weltwirtschaft an Bedeutung verliert.
Themen: Geldpolitik, Finanzmärkte
JEL-Classification: F31;F33
Keywords: foreign exchange interventions, official reserve assets, exchange rate regimes
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-26-1