Die Photovoltaik (PV) boomt – weltweit und in Deutschland. Im Rahmen des DIW Wochenberichts 33/2024 wird diese Entwicklung genauer untersucht.
07.08.2024
Alle Abbildungen des Berichts werden auf dieser Seite in interaktiver Form und regelmäßig aktualisiert zur Verfügung gestellt. Die Daten basieren, sofern nicht anders vermerkt, auf dem Ampel-Monitor Energiewende bzw. dem dahinter liegenden Open Energy Tracker.
Keine andere Technologie zur Stromerzeugung wächst im Moment weltweit so stark und erhält so viele Investitionen wie die Photovoltaik. Die Marke von einem Terawatt (das sind eine Milliarde Kilowatt) an weltweit installierter Leistung wurde bereits im Jahr 2022 überschritten, Ende 2023 waren es Daten der IRENA zufolge bereits gut 1,4 Terawatt. Während Europa, und vor allem Deutschland, bis in die Mitte der 2010er Jahre führend bei der installierten PV-Leistung war, wird das Wachstum derzeit von Asien dominiert, insbesondere von China.
Ein Vergleich der installierten PV-Leistung pro Person, basierend auf Daten von IRENA und Weltbank zeigt deutlich die Vorreiterrolle Deutschlands zu Beginn der 2010er Jahre, aber auch eine darauffolgende Ausbauflaute. In den vergangenen Jahren ist die PV in Deutschland wieder stark gewachsen, zuletzt so schnell wie nie zuvor. In anderen Ländern war das Wachstum zuletzt jedoch noch deutlich stärker. Zum Beispiel haben die Niederlande Deutschland bei der installierten Leistung pro Person mittlerweile deutlich überholt und zuletzt sogar mit dem sehr sonnenreichen Australien gleichgezogen, obwohl der Ausbau in den Niederlanden sehr viel später begonnen hat. Auch Belgien hat seine installierte PV-Leistung in den vergangenen Jahren sehr stark steigern können. Damit haben sowohl die Niederlande als auch Deutschland und Belgien pro Person mehr PV-Leistung installiert als das sonnenreichere Spanien. Selbst im gemeinhin für die Kohleverstromung bekannten Polen hat der PV-Zubau zuletzt so stark angezogen, dass es dort pro Kopf inzwischen fast so viel PV-Leistung gibt wie in Italien.
Auch in Deutschland hat sich der Zubau von PV-Anlagen seit dem vergangenen Jahr deutlich beschleunigt. Um das Ausbauziel von 215 GW im Jahr 2030 zu erreichen, muss die Geschwindigkeit allerdings noch weiter steigen, wie die Trendlinie zeigt. Bis 2040 soll sich die Gesamtleistung den Plänen der Bundesregierung zufolge dann noch einmal auf 400 GW fast verdoppeln.
Das Wachstum der PV wird überwiegend von baulichen Anlagen getrieben; dies sind vorwiegend Anlagen auf Dächern und zu einem kleinen Teil solche, die an Wänden oder Fassaden installiert sind. Sie haben an der installierten Gesamtleistung einen über die Jahre weitgehend stabilen Anteil von rund 70 Prozent. Dies umfasst sowohl Anlagen auf Wohngebäuden als auch solche auf gewerblichen oder landwirtschaftlichen Gebäuden. Rund die Hälfte der Leistung der Gebäudeanlagen ist kleiner als 25 Kilowatt (kW). Der Anteil der PV-Anlagen auf Freiflächen liegt seit Jahren bei rund 30 Prozent der installierten Gesamtleistung. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den weiteren Zubau der PV hälftig auf Freiflächen- und Dachanlagen erfolgen zu lassen. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass Freiflächenanlagen aufgrund von Skaleneffekten deutlich günstiger zu errichten sind als Aufdachanlagen. Ein hälftiger Anteil wurde bisher jedoch noch in keinem Jahr erreicht.
Die medial zuletzt stark aufgegriffenen Balkonkraftwerke fallen dagegen noch kaum ins Gewicht. Zwar nahm ihre Zahl stark zu; allerdings ist ihr Beitrag zur installierten Leistung aufgrund der jeweils geringen Modulgrößen von im Mittel 0,8 kW noch sehr gering. Zur insgesamt in Deutschland installierten PV-Leistung tragen Balkonanlagen weniger als ein Prozent bei.
In den vergangenen zwölf Monaten wurde der Großteil der neu installierten PV-Leistung auf baulichen Anlagen über Eigenverbrauchsvorteile in Kombination mit einem Einspeisetarif gefördert. Freiflächenanlagen werden zum größten Teil über Marktprämien gefördert, die in EEG-Ausschreibungen bestimmt werden. Daneben gibt es einen wachsenden Anteil von ungeförderten Anlagen. Das sogenannte Mieterstrommodell, mit dem Mieter*innen in die Lage versetzt werden sollten, von günstigem, lokal erzeugten Solarstrom zu profitieren, spielt bisher praktisch keine Rolle.
Die installierte PV-Leistung ist sehr ungleich auf die Bundesländer verteilt. In Bayern befindet sich mit Abstand die meiste installierte PV-Leistung, sowohl bei Gebäude- als auch Freiflächenanlagen. Ungefähr halb so viel PV-Leistung befinden sich in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, wobei in beiden Ländern die Gebäudeanlagen dominieren. Danach folgen Niedersachsen und Brandenburg, das die zweitgrößte Freiflächen-Leistung hat. Sehr gering ist die installierte PV-Leistung in den drei Stadtstaaten.
Beim Vergleich von absoluter Leistung pro Bundesland sollte berücksichtigt werden, dass die Flächen- und Strukturunterschiede zwischen den Bundesländern sich auf ihre Potenziale für den Ausbau der Photovoltaik auswirken. Daher wird die installierte Leistung jeweils auch mit den Potenzialen verglichen, wie sie in einer aktuellen Studie des Ariadne-Projekts ausgewiesen wurden. Demnach hat Bayern sein Potenzial für die Freifläche erst zu einem sehr geringen Teil erschlossen, im Aufdachsegment ist es mit über einem Viertel etwas mehr. Ähnlich erfolgreich bei der Erschließung des Freiflächenpotenzials ist Brandenburg. An erster Stelle liegt jedoch hier das Saarland. Neben den Stadtstaaten haben auch einige Flächenländer ihre Freiflächenpotenziale noch kaum erschlossen, unter anderem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Relativ zu ihren Potenzialen liegen bei den Aufdachanlagen Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg noch knapp vor Bayern.
Die Ausbaugeschwindigkeit bei der Freiflächen-PV, die überwiegend über Ausschreibungen gefördert wird, hat sich zuletzt ähnlich stark erhöht wie die der Aufdachanlagen. Dies liegt vor allem an den durch die Ampelkoalition deutlich erhöhten Ausschreibungsmengen. Im Jahr 2024 werden gut 6,5 GW ausgeschrieben, so viel wie noch nie. Seit der ersten Ausschreibungsrunde für Freiflächen-PV im Jahr 2015 sind die erfolgreichen Gebotswerte im Durchschnitt in realen Preisen fast stetig gefallen. Dies spiegelt den oben beschriebenen Preisverfall sowie teils auch einen erhöhten Bieterwettbewerb wider. Die Auktionen im Jahre 2022 waren insgesamt noch unterzeichnet, da nur 76 Prozent der Ausschreibungsmenge bezuschlagt wurden. Wenn sich eine Unterzeichnung im Vorfeld andeutet, haben die Auktionsteilnehmer*innen einen Anreiz, so hoch wie möglich zu bieten, also zum festgesetzten Höchstwert. Dies zeigt sich in den Ausschreibungsergebnissen von 2022. Die jüngsten Ausschreibungen waren dagegen deutlich überzeichnet, und die Gebote lagen deutlich unter dem Höchstwert.
Die am Strommarkt erzielbaren Erlöse für PV-Strom (Marktwert) sinken tendenziell mit wachsenden Marktanteilen der Solarenergie. Dies wurde in der Literatur als „Kannibalisierungseffekt“ beschrieben. Darstellen lässt sich der Kannibalisierungseffekt durch eine Gegenüberstellung der monatlichen Marktwertfaktoren der Photovoltaik und deren monatlicher Anteile an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland.
Der monatliche Marktwertfaktor ist der Durchschnittserlös aller PV-Anlagen in Deutschland in Relation zum ungewichteten durchschnittlichen Strompreis des gleichen Monats. Der Marktwertfaktor zeigt an, wie viel der durch PV erzeugte Strom relativ zum durchschnittlichen Strompreis eines Monats wert war. Seit Januar 2015 sind die Marktwertfaktoren der PV in Deutschland je zusätzlichem Prozentpunkt Erzeugungsanteil im Mittel um rund 1,4 Prozentpunkte gefallen. Im Vergleich dazu war der Kannibalisierungseffekt bei der Windkraft an Land und auf See aufgrund ihrer gleichmäßigeren Erzeugungsprofile weniger ausgeprägt.
Der dämpfende Effekt der PV auf die Strompreise zeigt sich auch beim Blick auf die durchschnittlichen stündlichen Strompreise im Tagesverlauf. Diese Darstellung, aufgrund ihrer Form auch „duck curve“ genannt, verdeutlicht, dass die Strompreise im Laufe der vergangenen Jahre zur Tagesmitte stark gesunken sind, hauptsächlich im sonnenreichen Sommerhalbjahr.
All dies deutet darauf hin, dass die Flexibilität im Stromsystem zuletzt nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der PV, Schritt gehalten hat.