Die Bundesregierung hat sich eine Reihe konkreter Ziele gesetzt, um die Energiewende voranzutreiben. Viele davon beziehen sich auf das Jahr 2030, in manchen Bereichen sind sie auch längerfristig bis zum Jahr 2045 formuliert. Einige quantitative Ziele wurden bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition genannt. Seitdem folgten im Rahmen verschiedener Ministeriumspublikationen und Gesetzgebungsverfahren neue Vorgaben, teils wurden die im Koalitionsvertrag genannten Ziele dabei auch konkretisiert oder verschärft. Die Ziele zu erreichen ist wichtig, um die deutschen Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten. Zudem hat eine stärkere Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine noch einmal an Bedeutung gewonnen.
Auf dieser Seite wird eine Auswahl von Indikatoren des Ampel-Monitors Energiewende präsentiert. Der komplette Indikatorensatz mitsamt den zugrunde liegenden Daten steht auf der Datenplattform Open Energy Tracker, die regelmäßig aktualisiert und erweitert wird, quelloffen und unter einer freien CC-BY-4.0-Lizenz zur Verfügung. Dort sind auch englische und französische Übersetzungen verfügbar. Außerdem werden einzelne Indikatoren in Blog-Beiträgen teils vertieft betrachtet.
Der Ampel-Monitor Energiewende stützt sich auf mittlerweile 24 Indikatoren (zu Beginn waren es 15) aus den Bereichen erneuerbare Stromerzeugung, erneuerbare Wärme, Elektromobilität, Wasserstoff, Energieverbrauch und Versorgungssicherheit, Aktueller Erdgasverbrauch von Haushalten und Gewerbe, Treibhausgasemissionen und Energiepreise. Dabei werden die jeweiligen Regierungsziele mithilfe interaktiver Grafiken visualisiert und regelmäßig mit dem derzeit tatsächlich erreichten Stand verglichen. Eine Auswahl von Abbildungen wird auf dieser Seite gezeigt. Zur Illustration wird meist ein linearer Verlauf zwischen dem Stand zum Beginn der aktuellen Legislaturperiode und dem jeweiligen Zieljahr dargestellt, da die genauen Pfade der Zielerreichung von der Regierung oft nicht konkret spezifiziert wurden.
Für die meisten Indikatoren werden zudem Projektionen aktueller Trends auf Basis der Methode der kleinsten Quadrate dargestellt. Diese stützen sich in der Regel auf den Zeitraum der vergangenen zwölf Monate sowie auf den Zeitraum der Jahre 2017 bis 2021. Für die Indikatoren sind teils monatlich, teils auch nur jährlich aktualisierte öffentliche Daten verfügbar.
Zudem werden Ergebnisse der Szenarienanalyse des vom Bundesforschungsministeriums geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne verglichen. Dabei handelt es sich um Szenarien, die unterschiedliche Wege zur Klimaneutralität Deutschlands im Jahr 2045 aufzeigen. Der Ampel-Monitor Energiewende selbst ist ebenfalls ein Produkt des Ariadne-Projekts.
Relevante Quellen für die Ziele der Ampel-Koalition sind unter anderem der Koalitionsvertrag vom 24. November 2021, die "Eröffnungsbilanz Klimaschutz" des BMWK, sowie die sogenannten Oster- und Sommerpakete.
Die Datenquellen für den bisherigen Verlauf und den Stand der Dinge unterscheiden sich je nach Indikator. Alle Quellen sind im Open Energy Tracker verlinkt. Die folgende Tabelle gibt zusätzlich einen Überblick:
Bereich | Indikator | Datenquelle |
Erneuerbare Stromerzeugung | Installierte Leistung Photovoltaik | Monats- und Quartalsdaten der AGEE-Stat |
Installierte Leistung Windkraft an Land | Monats- und Quartalsdaten der AGEE-Stat | |
Anteil der für Windkraftanlagen ausgewiesenen Landesfläche | Bericht des Bund-Länder-Kooperationsausschusses | |
Installierte Leistung Windkraft auf See | Monats- und Quartalsdaten der AGEE-Stat | |
Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor | Energiedaten des BMWK, energy-charts | |
Erneuerbare Wärme | Bestand an Wärmepumpen | EurObserv'ER und BWP |
Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme | Zeitreihen der AGEE-Stat | |
Elektromobilität | Bestand batterieelektrischer Pkw | Kraftfahrt-Bundesamt |
Anteil batterieelektrischer Pkw an den monatlichen Neuzulassungen | Kraftfahrt-Bundesamt | |
Öffentliche Ladepunkte | Bundesnetzagentur | |
Batterieelektrische Fahrzeuge pro öffentlichem Ladepunkt | Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesnetzagentur | |
Elektrifizierter Anteil des Schienenverkehrs | Deutsche Bahn AG | |
Wasserstoff | Installierte Leistung Elektrolyse | Internationale Energieagentur, Hydrogen Projects Database |
Installierte Leistung Elektrolyse, nach Projektstatus | Internationale Energieagentur, Hydrogen Projects Database | |
Energieverbrauch und Versorgungssicherheit | Fossiler Primärenergieverbrauch, Jahresdaten | Energiedaten des BMWK |
Fossiler Primärenergieverbrauch, Quartalsdaten | AGEB | |
Netto-Erdgasimporte nach Deutschland, Monatsdaten | Internationale Energieagentur, Gas Trade Flows | |
Netto-Erdgasimporte nach Deutschland, letzte drei Monate ggü. Vorjahreszeitraum | Internationale Energieagentur, Gas Trade Flows | |
Aktueller Erdgasverbrauch von Haushalten und Gewerbe |
Wöchentlicher Erdgasverbrauch und verhaltensbedingte Einsparungen |
Bundesnetzagentur, Trading Hub Europe, Deutscher Wetterdienst |
Wöchentliche Einsparungen ab KW 35 ggü. erwartetem Verbrauch |
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Kumulative Einsparungen ab KW 35 bis Jahresende |
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Treibhausgasemissionen | Sektorale Treibhausgasemissionen | Umweltbundesamt |
CO2-Emissionen der Stromerzeugung | Umweltbundesamt | |
Energiepreise | Haushalts-Strompreise |
Der Ampel-Monitor zeigt, dass bei den meisten betrachteten Indikatoren eine große Lücke zwischen dem aktuellen Stand und den Regierungszielen für das Jahr 2030 klafft. Hier ist eine Auswahl von sieben wichtigen Indikatoren dargestellt. Die Lücken sind bei grünem Wasserstoff und der Elektromobilität am größten, gefolgt vom Ausbau der Windkraft auf See, der Photovoltaik und der Wärmepumpen.
Das derzeitige Ausbautempo ist zudem bei fast allen Indikatoren deutlich zu niedrig, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Vergleicht man den Ausbautrend der vergangenen zwölf Monate mit dem Tempo, das für das Erreichen der 2030-Ziele nötig ist, bleibt die Windkraft an Land und erst recht die Windkraft auf See derzeit noch hinter der Photovoltaik zurück. Dies weist auf einen besonders akuten Handlungsbedarf bei der Windkraft hin. Auch bei der Elektromobilität ist das Tempo noch deutlich zu langsam, hier muss in den nächsten Jahren das Wachstum sehr stark anziehen.
Auf größeren Displays sind alle Abbildungen interaktiv: im oberen rechten Bereich jeder Abbildung finden sich Buttons zum zoomen. Einzelne Zeitreihen können durch Klicken in der Legende ein- und ausgeblendet werden. Auf kleineren Display, z.B. auf Mobiltelefonen, werden dagegen statische Abbildungen angezeigt.
Für die Photovoltaik (PV) hat die Koalition im Rahmen des EEG 2023 ein Ausbauziel von 215 Gigawatt (GW) im Jahr 2030 vorgelegt. Zum Start der Ampelkoalition Anfang Dezember 2021 betrug die in Deutschland installierte Leistung mit gut 58 GW nur ein gutes Viertel davon. Um das Ziel zu erreichen, müssen bis Ende 2030 somit im Durchschnitt 1,44 GW pro Monat zugebaut werden, wobei von 2022 bis 2026 ein ansteigender Ausbaupfad vorgesehen ist. Dieser Zubau muss netto erfolgen, also unter Berücksichtigung der Anlagen, die in Zukunft vom Netz gehen werden. Der Trend des PV-Ausbaus in den vergangenen zwölf Monaten war deutlich geringer. Für das Ziel von 215 GW muss in der bis 2030 verbleibenden Zeit mehr als doppelt so schnell ausgebaut werden wie im Trend der vergangenen zwölf Monate – und sogar beinahe fünfmal so schnell wie im Trend der Jahre 2017 bis 2021. Allerdings sieht Ausbaupfad des neuen EEG für das Jahr 2022 nur knapp 0,6 GW pro Monat vor, was auch erreicht wurde. Nach 2030 soll die PV-Leistung weiter erheblich auf 400 GW im Jahr 2040 wachsen. Diese Regierungsziele liegen am oberen Ende des Korridors, den die Szenarien des Ariadne-Projekts aufspannen, und im Jahr 2040 sogar darüber – sie sind also tendenziell ambitionierter.
Für die Windkraft an Land ist im EEG 2023 ein Ziel von 115 GW installierter Leistung im Jahr 2030 genannt. Ende November 2021 lag sie mit knapp 56 GW nur knapp halb so hoch. Zum Erreichen des Ziels müssen bis Ende des Jahres 2030 im Durchschnitt 0,54 GW pro Monat netto zugebaut werden. Im Trend der vergangenen zwölf Monate waren es deutlich weniger, das Ausbautempo muss mehr als verdreifacht werden. Der im EEG vorgesehene Ausbaupfad für das Jahr 2022 sieht allerdings nur einen Zubau von rund 0,2 GW pro Monat vor; jedoch wurde nicht einmal dieses Ziel erreicht. Nach dem Jahr 2030 strebt die Regierung eine weitere deutliche Steigerung der Kapazität auf 157 GW im Jahr 2035 an. Die Ziele der Koalition für den Ausbau der Windkraft an Land liegen ungefähr in der Mitte des Ariadne-Szenarienkorridors, sind also ähnlich ambitioniert. Dieser Korridor ist breiter als derjenige bei der Photovoltaik, die Modelle weichen hier also deutlicher voneinander ab.
Eine wesentliche Voraussetzung für den Ausbau der Windenergie an Land ist die Verfügbarkeit entsprechender Flächen. Bundesweit waren Ende des Jahres 2020 nur 0,7 Prozent der Fläche rechtswirksam für Windenergie an Land ausgewiesen, Ende 2021 waren es 0,81 Prozent. Ziel der Ampelkoalition ist es, bis zum Jahr 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für die Windkraft auszuweisen, bis Ende 2027 sollen es bereits 1,4 Prozent der Bundesfläche sein. Weitere Informationen und eine Abbildung hierzu gibt es im Open Energy Tracker.
Für die Windkraft auf See strebt die Koalition eine Leistung von mindestens 30 GW im Jahr 2030 an. Zum Ampel-Start Anfang Dezember 2021 lag die in deutschen Gewässern installierte Leistung mit 7,8 GW nur bei einem guten Viertel davon. Um das Ausbauziel zu erreichen, müssen bis 2030 im Durchschnitt 0,20 GW pro Monat netto zugebaut werden. In den vergangenen zwölf Monaten gingen fast keine neuen Windkraftanlagen auf See ans Netz. Im Trend der Jahre 2017 bis 2021 waren es circa 0,07 GW pro Monat – diese Geschwindigkeit muss für das 2030-Ziel fast verdreifacht werden. Auch danach soll die installierte Leistung weiter stark wachsen, auf mindestens 40 GW im Jahr 2035 und mindestens 70 GW im Jahr 2045. Diese Ziele liegen im oberen Bereich des Ariadne-Szenarienkorridors, der sogar noch breiter als der bei der Windkraft an Land ist. Bis zum Jahr 2030 liegen die Ziele der Bundesregierung über den Ariadne-Szenarien.
Die Regierungskoalition strebt an, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 80 Prozent zu steigern. Fünf Jahre später soll die Stromversorgung laut „Osterpaket“ dann „nahezu vollständig“ auf erneuerbaren Energien beruhen; dieses Ziel wurde jedoch nicht in das EEG 2023 übernommen. Im Jahr 2020 betrug der Anteil 45,1 Prozent, im Jahr 2021 waren es nur noch 41,9 Prozent, wobei diese Angaben noch nicht endgültig sind. Dieser Rückgang dürfte weitgehend durch zwei Faktoren erklärbar sein: Erstens ging im Jahr 2020 pandemiebedingt der Stromverbrauch insgesamt zurück, so dass der Anteil erneuerbarer Energien trotz nur geringen Ausbaus stieg. Im Jahr 2021 stieg der Stromverbrauch dann wieder an. Zweitens war das Windjahr 2021 relativ schlecht. Im Jahr 2022 stieg der Anteil wieder auf 46,2 Prozent. Dies lag neben einem etwas beschleunigten Ausbaus vor allem der Photovoltaik (siehe oben) vor allem daran, dass es 2022 im Durchschnitt mehr Wind und Sonnenschein gab.
Zur Erreichung des 2030-Ziels muss der Anteil ab 2021 im Durchschnitt um über vier Prozentpunkte pro Jahr wachsen – im Zeitraum 2017 bis 2021 betrug das Trend-Wachstum nur rund zwei Prozentpunkt pro Jahr. Die Ziele der Koalition für den Anteil der erneuerbaren Energien liegen im von den Ariadne-Szenarien aufgespannten Korridor.
Ergänzend können in der Abbildung auch die Anteile erneuerbarer Energien an der Nettostromerzeugung (NSE) dargestellt werden. Sie liegen statistisch mit viel geringerer Verzögerung vor als die Anteile am Bruttostromverbrauch (BSV) und sind somit eine Art Trend-Frühindikator. Die Anteile an der NSE sind in der Regel höher als die am BSV, u.a. da der BSV aufgrund des Kraftwerkseigenverbrauchs höher ist als die NSE.
Wärmepumpen spielen in vielen Zukunftsszenarien insbesondere für den Raumwärmebereich eine große Rolle, weil sie mit Hilfe von elektrischem Strom Umweltwärme nutzbar machen und somit sehr energieeffizient sind (vgl. DIW Wochenbericht 22/2022). Die Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag kein konkretes Ziel für den Ausbau von Wärmepumpen gesetzt. In der Eröffnungsbilanz Klimaschutz des BMWK wurde ein Korridor von "4,1 bis 6 Millionen Wärmepumpen" im Jahr 2030 genannt. Im Kontext des 2. Wärmepumpengipfels im November 2022 wurde dann ein Ziel von rund sechs Millionen Wärmepumpen im Jahr 2030 sowie ein Zubau von je mindestens 500.000 Wärmepumpen pro Jahr ab 2024 genannt. Ende 2021 waren rund 1,4 Millionen Wärmepumpen in Deutschland installiert, Ende 2022 waren es knapp 1,7 Millionen (wobei die Zahl reiner Heizungs-Wärmepumpen etwas kleiner sein dürfte, da hier z.B. auch Wärmepumpen für die Warmwasserbereitstellung erfasst wurden). Im Trend der Jahre 2017 bis 2021 wurden nur gut 0,1 Millionen neue Wärmepumpen pro Jahr installiert; zuletzt zog das Tempo jedoch deutlich an. Das Regierungsziel liegt über dem Korridor, den die Ariadne-Szenarien im Jahr 2030 aufspannen. Danach wächst der Wärmepumpenbestand in den Ariadne-Szenarien weiter stark, auf knapp 13 bis gut 16 Millionen Stück im Jahr 2030.
Der Koalitionsvertrag sieht "einen sehr hohen Anteil" erneuerbarer Energien bei der Wärme vor. Er enthält jedoch kein explizites Ziel für den Anteil, sondern lediglich die Formulierung, dass bis zum Jahr 2030 die Hälfte der Wärme "klimaneutral" erzeugt werden muss. Da andere Optionen wie importierter klimaneutraler Wasserstoff oder CO2-Abscheidung im Wärmebereich bis 2030 jedoch unrealistisch erscheinen, kann dieses Ziel de facto als Ziel für erneuerbare Energien aufgefasst werden. Im Jahr 2021 betrug ihr Anteil am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte in Deutschland 15,8 Prozent, im Jahr 2022 waren es 17,4 Prozent. Bis 2030 muss dieser Anteil demnach jährlich um fast vier Prozentpunkte zulegen. Seit dem Jahr 2012 ist er insgesamt um nicht einmal drei Prozentpunkte gestiegen, beziehungsweise im Trend der Jahre 2017 bis 2021 um rund 0,5 Prozentpunkte pro Jahr. Insofern erscheint das Ambitionsniveau der Ampelkoalition im Wärmebereich ganz besonders hoch. Eine konkrete Maßnahme zum Erreichen des 2030-Ziels ist die geplante Einführung einer Vorgabe, nach der neue Heizungen bereits ab dem Jahr 2024 mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.
Die Regierung hat sich im Koalitionsvertrag ein Ziel von "mindestens 15 Millionen vollelektrische(n) Pkw bis 2030" gesetzt. Da nennenswerte Anteile von Pkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen mittlerweile unplausibel erscheinen, kann dieses Ziel weitgehend als Ziel für rein batterieelektrische Fahrzeuge angesehen werden (ohne Plug-In-Hybride). Zum Start der Ampelkoalition Anfang Dezember 2021 gab es rund 587 000 rein batterieelektrische Pkw in Deutschland. Um das Ziel zu erreichen, müssen bis zum Jahr 2030 im Durchschnitt rund 132 000 Fahrzeuge pro Monat hinzukommen (netto, nach Berücksichtigung von Abgängen). Im Trend der vergangenen zwölf Monate waren es, auch aufgrund von Problemen in den Lieferketten und langen Lieferfristen für Elektrofahrzeuge, deutlich weniger. Das Wachstum muss bis 2030 im Durchschnitt mehr als vier mal so stark sein. Unterstellt man einen logistischen Hochlauf mit stärkerem Wachstum in späteren Jahren, hier auf Basis einer Studie des Fraunhofer ISI, liegt die aktuelle Entwicklung nur leicht unter dem Zielpfad. Einen weiteren Beitrag zur Steigerung der batterieelektrischen Pkw-Flotte dürfte neben den derzeit gewährten Kaufprämien ein Verbot der Neuzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotoren auf EU-Ebene für 2035 leisten.
Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag ein Ziel von "einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur" gesetzt. Ende November 2021 waren knapp 54 000 Ladepunkte in Betrieb, davon circa 46 000 Normalladepunkte und 8 000 Schnellladepunkte. Bis 2030 müssen im Durchschnitt somit monatlich rund 8 700 neue Ladepunkte in Betrieb gehen. Im Trend der vergangenen zwölf Monate waren es viel weniger. Gegenüber diesem Trend muss der Ausbau der Ladeinfrastruktur bei Annahme eines linearen Verlaufs rund um den Faktor sechs beschleunigt werden. Unterstellt man, analog zur E-Pkw-Flotte, hingegen einen logistischen Verlauf mit deutlich höherem Wachstum in der Zukunft, so liegt die derzeitige Entwicklung ungefähr auf diesem Pfad.
Im Koalitionsvertrag wird "eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030" als Ziel genannt. Anfang Oktober 2021 waren in Deutschland Elektrolyseure mit einer elektrischen Leistung von gerade einmal 61 Megawatt (MW) in Betrieb. Konsistente neuere Daten sind im Moment noch nicht verfügbar. Demnach müssen bis Ende 2030 im Durchschnitt etwa 90 MW pro Monat zugebaut werden. Bis Oktober 2022 stieg die installierte Leistung allerdings kaum, sie lag bei immer noch nur 65 Megawatt. Allerdings sind derzeit Projekte mit einem mehrfachen dieser Leistung in Planung und teilweise schon im Bau (vgl. dazu die ergänzende Abbildung im Open Energy Tracker). Wie bereits im Fall der batterieelektrischen Fahrzeuge ist der dargestellte lineare Verlauf rein illustrativ. In Wirklichkeit ist eher von einem Ausbaupfad in Form einer S-Kurve auszugehen. Das Ziel für 2030 liegt im oberen Bereich des Korridors, den die Ariadne-Szenarien aufspannen. Konkrete Ziele für die Zeit nach 2030 hat sich die Bundesregierung noch nicht gesetzt. Der Ariadne-Szenarienkorridor wird bis zum Jahr 2045 wegen der bestehenden Unsicherheit zur langfristigen Rolle der inländischen Wasserstoff-Elektrolyse sehr breit.
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass der Erdgasverbrauch in Deutschland um mindestens 20 Prozent gegenüber den Vorjahren sinken muss, um eine Gasmangellage im Winter 2022/2023 zu vermeiden. Hierfür sind letztlich die absolut erzielten Einsparungen relevant, unabhängig davon, worauf diese Einsparungen zurückzuführen sind. Jedoch erlaubt der Blick auf die reinen Verbrauchsdaten noch keinen Rückschluss darauf, wie diese Einsparungen zustande gekommen sind. Dies gilt insbesondere für den Verbrauch im Haushalts- und Gewerbebereich, wo der Heizbedarf im Gegensatz zur Industrie stark von der Außentemperatur abhängt. Mit Hilfe einer Witterungsbereinigung kann man einschätzen, inwiefern Einsparungen von Haushalten und Gewerben auf Verhaltensänderungen oder auf Witterungseinflüsse zurückgehen. Für eine zeitnahe Beurteilung der Einsparerfolge ist es daher von Interesse, den einen witterungsbereinigten Erdgasverbrauch zu ermitteln.
Basierend auf Verbrauchs- und Temperaturdaten der Jahre 2018-2021 ermitteln wir mit Hilfe einer Linear-Forest-Methode (weitere Infos dazu auf der Seite des Open Energy Trackers, Kasten Methodik) einen Zusammenhang zwischen der Außentemperatur und dem Erdgasverbrauch von Haushalts- und Gewerbekund*innen. Auf dieser Basis schätzen wir den Verbrauch im Jahr 2022 ab, der auf Basis der aktuellen Temperaturen zu erwarten wäre, wenn das sich Verhalten der Erdgaskund*innen gegenüber den letzten Jahren nicht geändert hätte. Die Differenz zwischen diesem "erwarteten" und dem tatsächlichen Verbrauch erlaubt Schlussfolgerungen zur Frage, wie stark die Einsparbemühungen in Haushalten und Gewerbe bisher greifen. Dabei liegt der Fokus auf dem Zeitraum ab ungefähr Anfang September 2022, ab Kalenderwoche (KW) 36.
Mit Hilfe dieses "erwarteten" Verbrauchs können wir die Erdgaseinsparungen von Haushalten und Gewerbe im Jahr 2022 konkret in eine "Witterungskomponente" und eine "Verhaltenskomponente" zerlegen. Wie in der Abbildung oben gut zu erkennen ist, schwanken die Einsparungen 2022 gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018-2021 zwischen den Wochen beträchtlich. Der September 2022 (KW 36-39) war ausgesprochen kühl, was sich in einer positiven Witterungskomponente widerspiegelt, d.h. der erwartete Erdgasverbrauch lag in diesen Wochen über dem des Mittels der Vorjahre. Trotz teils starker verhaltensbedingter Einsparungen stieg dadurch der Verbrauch in den KW 38 und 39 gegenüber dem Durchschnitt der jeweiligen KW der Vorjahre an. Im Oktober (ab KW 40) und Anfang November half die ungewöhnlich milde Witterung dagegen, den Gasverbrauch zu senken. In vielen Wochen übertrafen die witterungsbedingten Einsparungen die verhaltensbedingten Einsparungen.
Um die bisherigen kumulativen Einsparungen durch Verhaltensänderungen in einen Kontext zu alternativen Maßnahmen zur Sicherung der deutschen Erdgasversorgung zu setzen, berechnen eine den Einsparungen äquivalente Anzahl von Flüssiggastankern. Details zur Umrechnung finden sich im Methodik-Kasten unten. Zum Vergleich: Der mit Katar im November 2022 abgeschlossene Vertrag sieht Lieferungen von bis zu 2 Millionen Tonnen Flüssigerdgas pro Jahr vor; dies entspricht etwas mehr als 26 durchschnittlichen Flüssiggas-Tankerlieferungen.
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Wo stehen wir in Sachen Energiewende? : Nachgeforscht bei Wolf-Peter Schill