DIW Wochenbericht 44 / 2024, S. 684
Pia Hüttl, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 91 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.72 MB - barrierefrei / universal access)
Frau Hüttl, seit seiner Gründung verfolgt der Euroraum eine gemeinsame Geldpolitik, doch der Bankensektor bleibt fragmentiert. Was bedeutet das für das Bankgeschäft und die Kreditvergabe an europäische Unternehmen? Seit der Einführung des Euro betrifft die Finanzmarktintegration eher den Interbankenmarkt, in dem sich europäische Banken untereinander Geld leihen und nationale Grenzen keine Rolle mehr spielen. Allerdings kommt es seltener vor, dass eine Bank Kredite an ausländische Firmen vergibt, also dass zum Beispiel eine deutsche Bank einem spanischen Unternehmen einen Kredit gewährt. Das wäre eine direkte, grenzüberschreitende Integration der Finanzmärkte, und da hängt der Euroraum weit hinterher.
2007 hat die Europäische Zentralbank (EZB) die nationalen Sicherheitenlisten durch eine einheitliche Liste für den gesamten Euroraum ersetzt und grenzüberschreitende Kredite als Sicherheiten anerkannt. Was hat sich die EZB von diesem Schritt versprochen? Hier geht es um die Sicherheitenpolitik der Zentralbank. Vereinfacht gesagt, leiht die Zentralbank anderen Banken Mittel und verlangt dafür gewisse Sicherheiten. 2007 wurde die Liste an Vermögenswerten, die als Sicherheiten akzeptiert werden, vereinheitlicht und erweitert. Dadurch können alle europäischen Banken, ganz egal wo ihr Unternehmenssitz ist, die gleichen Vermögenswerte als Sicherheiten verwenden, wenn sie mit der EZB Geschäfte abwickeln. Mit der Erweiterung hat die EZB gewisse Vermögenswerte wie zum Beispiel auch grenzüberschreitende Unternehmenskredite in diese Sicherheitenliste mit aufgenommen. Das ist für uns ein wichtiger Aspekt, weil er die Finanzmarktintegration betrifft.
Welche Auswirkungen hat der neue Sicherheitenrahmen auf die grenzüberschreitende Kreditvergabe im Euroraum? In unserer Analyse haben wir Banken klassifiziert, die davon betroffen waren. Das sind Banken, die schon vorher grenzüberschreitend tätig waren. Im Vergleich mit anderen Banken, die nicht international tätig waren, stellen wir fest, dass die betroffenen Banken mit der Einführung dieses Sicherheitenrahmens etwa 14 Prozent mehr Kredite vergeben. Die Maßnahme hat sich also positiv auf die Kreditvergabe im Euroraum ausgewirkt.
Führt das dazu, dass mehr grenzüberschreitende Kredite an Unternehmen im europäischen Ausland vergeben werden? Das haben wir uns auch angeschaut und die Kreditvergabe je nach Hauptsitz der Unternehmen unterteilt. Was wir sehen, ist aber, dass der Großteil dieser Kredite an inländische Unternehmen und nur ein Bruchteil davon ans Ausland vergeben wird. Das heißt, es gibt nur einen sehr limitierten Effekt auf eine grenzüberschreitende Finanzmarktintegration.
Ist es also noch immer kompliziert, wenn zum Beispiel ein italienisches Unternehmen einen Kredit von einer französischen Bank bekommen will? Man hätte erwarten können, dass es einfacher wird, aber wir beobachten immer noch eine indirekte Kreditvergabe. Und zwar würde das italienische Unternehmen das Geld über einen Konsortialkredit bekommen und eine ausländische Bank würde in diesem Konsortium mitmachen. Das hat nichts mit einer direkten Verbindung zu tun, in der man eine Beziehung aufbaut und vielleicht auch weitere Kredite tätigen könnte.
Wie könnte man die Situation verbessern und die Finanzmarktintegration in Europa effektiv fördern? Wir stellen fest, dass die EZB die Finanzmarktintegration nur sehr limitiert fördern kann. Da ist die Politik gefragt. Man sollte zum Beispiel die Bankenunion endlich finalisieren. Das gilt auch für die europäische Einlagensicherung. Das würde die Finanzmarktintegration vorantreiben und grenzüberschreitende Kredite einfacher machen.
Themen: Finanzmärkte, Europa