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Soli abschaffen und bei Spitzenverdienenden in den Einkommensteuertarif integrieren: Kommentar

DIW Wochenbericht 47 / 2024, S. 756

Stefan Bach

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Das Bundesverfassungsgericht entscheidet demnächst über das weitere Schicksal des Solidaritätszuschlags – liebevoll Soli genannt. Sechs FDP-Abgeordnete klagen dagegen – durchaus privilegiert, denn normalerweise muss man sich als Normalsterblicher ewig und drei Tage durch die Instanzen hochklagen, bevor man Verfassungsbeschwerde einlegen darf.

Dieser Tage haben wir in Berlin den 35. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. Der Soli wird seit dem Jahr 1995 dauerhaft erhoben als Zuschlag auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, seit 1998 mit 5,5 Prozent. Immerhin muss er seit 2021 nur noch auf hohe Einkommen gezahlt werden. Unternehmen und Kapitalanleger*innen zahlen ihn aber noch generell.

Nach mehr als einer Generation ist der Zuschlag kaum noch mit den Kosten der Wiedervereinigung zu begründen. Seit dem Jahr 2019 gibt es im Bund-Länder-Finanzausgleich keine Sonderregelungen mehr für die ostdeutschen Länder. Natürlich sind diese immer noch wirtschaftsschwach; der Rückstand bei Wertschöpfung, Einkommen und Vermögen hat sich leider seit den Nullerjahren kaum noch reduziert. Aber das sind regionale Ungleichgewichte, die mit dem bestehenden Steuer- und Finanzausgleichsystem, den Sozialversicherungen und der Regionalförderung bewältigt werden können.

Auch im Westen gibt es strukturschwache Gebiete. Und die Bundeshauptstadt Berlin ist der Kostgänger des Finanzausgleichs schlechthin – sie wird mit Subsidien in Höhe von jährlich vier bis fünf Milliarden Euro gepampert. Da kommt ja auch keiner auf die Idee, einen Südpfalz- oder Ostfriesen-Soli zu erheben oder das legendäre Notopfer Berlin wieder zu beleben.

Ob der Soli tatsächlich auslaufen muss, wenn sich der Finanzierungszweck der Deutschen Einheit erledigt hat, ist juristisch umstritten. Vor Gericht und auf hoher See … Politisch wäre das aber vernünftig, das hat man dem Steuerzahlervolk immer so verkauft.

Andererseits haben wir in unserem Steuer- und Abgabensystem andere Sorgen, als Hochverdienende mit milliardenschweren Steuerentlastungen zu beglücken. Würde der Soli abgeschafft, gingen die Mindereinnahmen von 12,5 Milliarden Euro im Jahr zu 91 Prozent an die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung. Allein das oberste Hundertstel würde mit 7,2 Milliarden Euro entlastet – das sind 10 400 Euro je Steuerpflichtigen.

Gerechter und wachstumsfreundlicher wäre es, Geringverdienende und Mittelschichten zu entlasten, die mit hohen Sozialabgaben gebeutelt werden und auch schon von der Steuerprogression betroffen sind. Oder auch noch die Besserverdienenden, die auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Daher sollte die Abschaffung des Solis durch eine Erhöhung des Spitzen- und Reichensteuersatzes des Einkommensteuertarifs kompensiert werden, zum Beispiel von 42 auf 44 Prozent und von 45 auf 47,5 Prozent. Durch den Wegfall der unsinnigen Freigrenzen-Milderungszone des Solis, die als „Besserverdiener-Prellbock“ wirkt, würden die Steuerpflichtigen mit Soli immerhin noch um 2,5 Milliarden Euro entlastet – das reicht.

Bei der Körperschaftsteuer sollte man den Soli nicht auf den Steuersatz draufschlagen. Das würde den im internationalen Vergleich recht hohen deutschen Unternehmensteuersatz ein wenig senken. Die Kapitalertragsteuersätze könnte man ebenfalls unverändert lassen, im Gegenzug die Abgeltungsteuer aufheben und die Kapitalerträge wieder bei der persönlichen Einkommensteuer erfassen.

Das restliche Aufkommen des Solidaritätszuschlags sollte man dazu einsetzen, vor allem untere und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags und einen weniger schnellen Anstieg der Steuerprogression oder bei den Sozialbeiträgen zu entlasten. Oder auch, um die Unternehmen stärker zu entlasten. Das bringt mehr für Steuergerechtigkeit und Wachstum als Einkommensteuerentlastungen für Hochverdienende.

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

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