„Die EZB agiert zu vorsichtig“

Statement vom 12. Dezember 2024

Die heutige Zinssenkung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

BlockquoteDie Europäische Zentralbank (EZB) setzt ihren vorsichtigen Zinssenkungskurs fort. Die Zinssenkung um 25 Basispunkte ist zu wenig, um die Wirtschaft ausreichend zu stützen. Das Zinsniveau ist zu hoch und zu restriktiv. Die Geldpolitik wird die ohnehin schon schwache Wirtschaft auch im Jahr 2025 weiter schwächen. Offensichtlich fehlt dem Gremium des Zentralbankrats der Mut, dem Beispiel der US-Notenbank zu folgen und die Zinsen stärker zu senken, obwohl sich die Wirtschaft des Euroraums in einer deutlich schlechteren Lage befindet als die US-Wirtschaft.

Die übervorsichtige Entscheidung der EZB ist auch der ungewöhnlich hohen Unsicherheit geschuldet. Längst erfüllt die EZB wieder ihr Mandat der Preisstabilität: Die Inflation hat sich um das gesetzte Ziel von zwei Prozent stabilisiert. Auch die Inflationserwartungen sind gut verankert und geben keinen Anlass zur Sorge. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die EZB in den kommenden beiden Jahren mit großen Veränderungen und Inflationsschocks zu kämpfen haben wird. Einerseits könnte die zu restriktive Geldpolitik dazu beitragen, die Wirtschaft weiter zu schwächen und die Preisentwicklung deutlich zu dämpfen. Andererseits könnten der Protektionismus von Donald Trump, ein zunehmender Konflikt mit China und die geopolitischen Konflikte die Inflation wieder stark steigen lassen.  

Daher ist die Vorsicht der EZB verständlich, auch wenn eine stärkere Zinssenkung der bessere Weg gewesen wäre. Zumal die EZB an externen Schocks von außerhalb des Euroraums nichts grundlegend ändern kann. Die politische Lähmung in großen Euro-Ländern, allen voran Deutschland und Frankreich, wird die Aufgabe der EZB auch im kommenden Jahr nicht einfacher machen. Die EZB muss ihre Glaubwürdigkeit schützen, um größere Turbulenzen an den Kapitalmärkten abzufedern, die Wirtschaft zu stabilisieren und dadurch ihr Mandat besser erfüllen zu können.

Themen: Geldpolitik

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