DIW Wochenbericht 14 / 2025, S. 216
Jascha Dräger, Erich Wittenberg
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Herr Dräger, dass es einen Zusammenhang zwischen der schulischen Leistung und der sozialen Herkunft gibt, ist aus anderen Studien bekannt. Sie haben die Situation in Deutschland mit der in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, den USA und Japan verglichen. Worauf liegt der Fokus Ihrer aktuellen Studie? In unserer aktuellen Studie schauen wir auf Ungleichheiten in den Sprach- und Mathematikkompetenzen von Kindern, die gerade erst in die Schule gekommen sind. Die Untersuchung von Schulanfänger*innen ermöglicht es uns, den Effekt vom Schulsystem im Vergleich zu anderen Unterschieden zwischen den Ländern, die auch zu den schulischen Kompetenzen beitragen könnten, zu isolieren.
Wie groß ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Sprach- und Mathematikkompetenzen in den von Ihnen untersuchten Ländern? Der stärkste Zusammenhang zwischen den Sprachkompetenzen und der sozialen Herkunft zeigt sich in Deutschland, gefolgt von den USA, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Die geringsten Zusammenhänge sehen wir in Frankreich und in Japan. Bezüglich der Mathematikkompetenzen zeigen sich die größten Zusammenhänge in den USA und Deutschland auf nahezu gleichem Niveau. Einen mittleren Platz nimmt hier das Vereinigte Königreich ein, die geringsten Unterschiede bei den Mathematikkompetenzen ergeben sich wieder in Frankreich und in Japan.
Wie haben Sie die soziale Herkunft gemessen? In unserer Studie haben wir die soziale Herkunft einerseits über die Bildung der Eltern und andererseits über das Haushaltseinkommen der Eltern gemessen. Elterliche Bildung und elterliches Einkommen korrelieren natürlich, aber nicht perfekt. Das heißt, es gibt auch Familien, die eine hohe Bildung haben, aber nur ein mittleres Einkommen oder andersherum.
Von welchen Herkunftsfaktoren hängen die Kompetenzen der Schüler*innen am stärksten ab? In unserer Studie zeigt sich, dass insbesondere die elterliche Bildung die Kompetenzen der Kinder beeinflusst, aber es zeigt sich auch, dass das Einkommen einen eigenständigen Effekt auf die schulischen Kompetenzen der Kinder hat.
Inwieweit könnten auch andere Faktoren, wie zum Beispiel ein Migrationshintergrund oder eine nicht-deutsche Muttersprache eine Rolle spielen? Natürlich haben ein Migrationshintergrund und auch die Sprache, die zu Hause gesprochen wird, einen starken Einfluss auf die Kompetenzen der Kinder. Deshalb haben wir in einem weiteren Schritt untersucht, wie sich der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Kompetenzen der Kinder ändert, wenn wir diese demografischen Merkmale einbeziehen. Wenn wir das tun, zeigt sich, dass dieser Zusammenhang etwas schwächer wird. An der Reihenfolge der Länder ändert sich jedoch nichts. Auch wenn für die demografischen Merkmale wie Migrationshintergrund kontrolliert wird, zeigt sich, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzen von Kindern in Deutschland am stärksten ist.
Was könnte man von den Ländern lernen, in denen der Zusammenhang zwischen schulischer Kompetenz und sozialer Herkunft geringer ist? Wir denken, dass sich diese Ungleichheiten am ehesten dadurch verringern lassen, indem man die frühkindliche Bildung und Betreuung weiter ausbaut und sie insbesondere für Familien mit geringem Einkommen leichter verfügbar macht. Zudem sollten frühkindliche Bildungseinrichtungen gut ausstattet und die Erzieher*innen gut ausbildet werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Ungleichheit, Bildung