Wohnungsmarkt: Politische Debatte im Laufe der Zeit stark verändert – Einfluss durch Medien gering

DIW Wochenbericht 18 / 2025, S. 253-260

Caroline Stiel, Konstantin A. Kholodilin, Pio Baake, Felix Aubele, Linus Pfeiffer

get_appDownload (PDF  451 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.3 MB - barrierefrei / universal access)

  • Studie analysiert Plenarprotokolle, Bundestagsdrucksachen und Medienberichte rund um die Wohnungsmarktpolitik in Deutschland seit 1950
  • Politische Debatte greift ökonomische Entwicklungen auf Wohnungsmarkt auf, Fokus und Lösungsansätze haben sich im Laufe der Zeit verschoben
  • Standen bis etwa 1980 bundesweite Maßnahmen wie große Wohnungsbauprogramme im Vordergrund, war die Betrachtung zuletzt stärker regional orientiert
  • Beispiel Mietpreisbremse zeigt, dass sich politische Debatte im Bundestag und Medienberichterstattung kurzfristig gegenseitig beeinflussen
  • Allerdings kein klares Muster, welche Seite Impulse setzt und welche Seite folgt

„Der Wohnungsmarkt hat im aktuellen Koalitionsvertrag mit etwa drei Prozent einen ähnlichen Anteil wie im vorherigen. Was die Parteien am Ende wirklich aufgreifen und umsetzen, wird sich zeigen müssen.“ Caroline Stiel

Der Wohnungsmarkt hat in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in der politischen Debatte als auch in der medialen Berichterstattung immer wieder eine zentrale Rolle gespielt. Dieser Wochenbericht analysiert die Plenarprotokolle und Drucksachen des Deutschen Bundestags von 1950 bis 2024 und untersucht, wie sich die politische Debatte zum Wohnungsmarkt über die Jahre verändert hat. Am konkreten Beispiel der Mietpreisbremse wird zudem der Frage nachgegangen, wie sich die öffentliche Debatte, gemessen an der Berichterstattung in den Medien, und die politische Debatte gegenseitig beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass die politische Debatte die ökonomischen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt aufgreift, Fokus und Lösungsansätze sich im Laufe der Legislaturperioden jedoch verschoben haben: von bundesweiten Maßnahmen wie großen Wohnungsbauprogrammen hin zu einer zuletzt stärker regional orientierten Betrachtung. Der Vergleich zeigt auch, dass sich die politische Debatte im Bundestag und die mediale Berichterstattung zum Thema Mietpreisbremse kurzfristig gegenseitig beeinflussen. Ein klares Schema, welche der beiden Seiten führt und welche folgt, ist aber nicht erkennbar.

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird insbesondere in Ballungszentren als drängendes Problem wahrgenommen, das politisches Handeln erfordert. In ihrem Koalitionsvertrag hat die wahrscheinlich künftige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD vereinbart, die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten um vier Jahre zu verlängern, Indexmieten einer strengeren Regulierung zu unterwerfen und weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation auf den regionalen Wohnungsmärkten zu entspannen.infoVgl. CDU, CSU und SPD (2025): Verantwortung für Deutschland: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 21. Legislaturperiode (online verfügbar; abgerufen am 22. April 2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Insgesamt widmet der neue Koalitionsvertrag dem Thema Wohnen vier Seiten, was in etwa dem durchschnittlichen Anteil in den Koalitionsverträgen seit 1990 entspricht (Abbildung 1).

Der vorliegende Bericht analysiert die politische und mediale Aufmerksamkeit für den Wohnungsmarkt in den Jahren 1950 bis 2024.infoDa die Mediendaten erst ab dem 1. Januar 1950 verfügbar sind, wurde dieses Datum als einheitlicher Startpunkt für beide Analysen gewählt, obwohl der erste Deutsche Bundestag bereits im September 1949 erstmals zusammentrat. Hierfür wurden die Plenarprotokolle und Drucksachen des Deutschen Bundestags der ersten bis einschließlich 20. Legislaturperiode sowie die Berichterstattung verschiedener Tages- und Wochenzeitungen, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und der Tagesspiegel, ausgewertet und eine computergestützte Themenanalyse durchgeführt (Kasten 1).infoZur Medienanalyse und Methodik vgl. Felix Aubele et al. (2023): Wohnkosten, Lebenszufriedenheit, Sicherheitsempfinden und Narrative: eine Betrachtung der langfristigen Verteilungswirkungen von Wohnungsmarktzyklen (WLSN). DIW Politikberatung kompakt Nr. 199 (online verfügbar). Der Abschlussbericht des gleichnamigen Projekts wurde vom Bundesministerium der Justiz und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert. Im Fokus stand die Frage, ob und inwiefern sich die politische Debatte an der ökonomischen Situation auf dem Wohnungsmarkt, also beispielsweise an der Mietpreisentwicklung oder den Wohnungsbauzahlen, orientiert und wie sich der Inhalt des Diskurses über die Jahrzehnte verschoben hat. Am konkreten Beispiel der MietpreisbremseinfoWeitere Beispiele für lebhafte Debatten in Politik und Medien mit Bezug zum Thema Wohnen sind der Mietendeckel im Jahr 2020 oder das Gebäudeenergiegesetz im Jahr 2024. Die Auswahl des Fallbeispiels Mietpreisbremse erfolgte mit Fokus auf eine wohnungspolitische Maßnahme auf Bundesebene im Zeitraum von 1950 bis 2021. wurde darüber hinaus untersucht, wie sich die politische und mediale Debatte gegenseitig beeinflussen und ob sich bezüglich des Agenda Settings ein Leader-Follower-Schema identifizieren lässt – also eine Struktur, bei der entweder die Medien oder die Politik thematische Impulse setzen, die von der jeweils anderen Seite aufgegriffen werden (Wer führt? Wer folgt?).

Alle Beiträge im Deutschen Bundestag (Reden und Drucksachen) sowie Zeitungsartikel wurden zunächst klassifiziert. Anhand einer Liste eindeutiger Schlüsselwörter wurden alle Beiträge herausgefiltert, die grundsätzlich den Wohnungsmarkt zum Gegenstand hatten.infoFür eine ausführliche Erläuterung der Methode und der Keyword-Liste vgl. Aubele et al. (2023), a.a.O.

Anschließend wurden die Themen der Bundestagsdebatten mithilfe einer computergestützten Textanalyse näher analysiert. Hierfür ordnete ein Computeralgorithmus die Redebeiträge basierend auf der Ähnlichkeit der in den Reden verwendeten Wörter einem Cluster zu (Latent Dirichlet Allocation Model). Ein Cluster entspricht somit einem Thema. Vorgegeben wurde lediglich die Anzahl der Themen, jedoch nicht die Inhalte. Im Anschluss konnten die Inhalte der Themen – zum Beispiel über die Liste der Top-100-Wörter, die in diesen Redebeiträgen verwendet wurden – bestimmt werden. Insgesamt wurden mit diesem Verfahren knapp 16000 Reden analysiert, die von 1950 bis 2024 im Deutschen Bundestag zum Wohnungsmarkt gehalten wurden.

Bundestagsdebatten folgen den Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt

Insgesamt erwähnten Mitglieder des Deutschen Bundestags seit 1950 in rund 75 Prozent aller Plenarsitzungen den Wohnungsmarkt beziehungsweise einen Aspekt, der mit diesem in Verbindung steht. Seitdem wurden knapp 16000 Reden zum Wohnungsmarkt gehalten und etwa genauso viele Bundestagsdrucksachen zu wohnungsmarktpolitischen Themen veröffentlicht. Gemessen am gesamten Aufkommen entspricht dies etwa drei Prozent aller Reden, die je im Bundestag gehalten wurden, und neun Prozent der veröffentlichten Bundestagsdrucksachen.

Die politische Aufmerksamkeit für den Wohnungsmarkt in den Jahren 1950 bis 2024 verlief zyklisch (Abbildung 2, oberer Teil). Auch die Medien griffen die Situation auf dem Wohnungsmarkt in ihrer Berichterstattung auf, wobei die mediale Aufmerksamkeit in etwa parallel zur politischen Aufmerksamkeit verlief.

Umfassende Wohnungsbauprogramme zur Bekämpfung der Wohnungsnot in den 1950er bis 1970er Jahren

In der Nachkriegszeit herrschte aufgrund zerstörter Wohngebäude in ganz Deutschland ein eklatanter Wohnraummangel. Etwa ein Fünftel des Wohnungsbestands wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört oder beschädigt. Gleichzeitig zogen rund 12,3 Millionen Menschen aus ehemals deutschen Gebieten zu, was etwa 20 Prozent der damaligen Bevölkerung entsprach.infoVolker Bode (2002): Kriegszerstörung und Wiederaufbau deutscher Städte nach 1945. In: Klaus Friedrich et al. (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte, 88–91 (online verfügbar). Zum Thema Zuzug vgl. Gerd Schneider und Christiane Toyka-Seid (2025): Das junge Politik-Lexikon. Bundeszentrale für politische Bildung (online verfügbar). Die Leerstandsquote in Westdeutschland lag 1950 historisch niedrig bei 0,2 Prozent.infoWestdeutschland bezeichnet das frühere Bundesgebiet inklusive West-Berlin (vor 1956 ohne Saarland). Trotz wachsender Bautätigkeit stiegen die Mieten in den 1960er Jahren inflationsbereinigt stark an (Abbildung 3). Neben der Wohnungsnot könnte ein weiterer Grund für den Mietenanstieg eine verbesserte Wohnqualität (zum Beispiel mehr Wohnraum pro Kopf) gewesen sein. Allerdings lag die Leerstandsquote 1968 in Westdeutschland immer noch bei nur 1,9 Prozent, die Lage auf dem Wohnungsmarkt war nach wie vor angespannt. Die Wohnsituation der Bevölkerung wurde im Bundestag vielfach debattiert und erfuhr zwischen 1950 und 1965 eine hohe politische Aufmerksamkeit (Abbildung 2, oberer Teil). Inhaltlich dominierten zu Beginn zwar noch Fragen zum rechtlichen Rahmen, mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz von 1950 rückte dann aber der Wohnungsbau sehr schnell in den Vordergrund (Abbildung 2, unterer Teil).infoFür einen ausführlichen Überblick über die Wohnungsmarktpolitik seit 1913 siehe Konstantin A. Kholodilin (2017): Quantifying a century of state intervention in rental housing in Germany. Urban Research and Practice, 10(3), 267–328 (online verfügbar). Zum Ersten Wohnungsbaugesetz siehe Deutscher Bundestag (1950): Entwurf eines Ersten Wohnungsbaugesetzes. Bundestags-Drucksache Nr. 567 vom 22. Februar 1950 (online verfügbar). Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sollten die Förderung des sozialen Wohnungsbaus als vordringliche Aufgabe ansehen. Über die Verteilung der vom Bund bereitgestellten Mittel sollten Bund und Länder einvernehmlich entscheiden. Per Rechtsverordnung konnte die Bundesregierung festlegen, welche Größe, Art und Ausstattung die mit ihren Mitteln geförderten Wohnungen haben sollten.infoVgl. Deutscher Bundestag (1950), a.a.O., § 1, § 13.

Ende der 1960er Jahre waren immer noch starke Mietzuwächse bei gleichzeitig abnehmender Bautätigkeit zu verzeichnen (Abbildung 3), wodurch die Wohnsituation finanzschwacher Haushalte in den Fokus der politischen Debatte rückte. Als probates Mittel zur Lösung der Wohnungsfrage erschienen bis in die 1970er Jahre hinein große Wohnungsbauprogramme auf Bundesebene. So dominierten die Wörter „sozialen“, „Familien“, „Wohnungsbau“ und „Förderung“ die Bundestagsreden. 1971 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms,infoVgl. das Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 – WoBauÄndG 1971) (online verfügbar). das vorrangig den Bau von Sozialwohnungen förderte und einen kurzen Bauboom mit über 700000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 1973 in Westdeutschland auslöste.

Paradigmenwechsel im Mietrecht in den 1980er Jahren

Nachdem die größte Wohnungsnot gelindert war, verlagerte sich die Debatte in den 1980er und 1990er Jahren von der reinen Schaffung von Wohnraum zur Diskussion über die Bedingungen auf dem Mietmarkt. Konditionen wie die Miethöhe, Kündigungsfristen und allgemeine Fragen des Mietrechts rückten in den Vordergrund. Unter den Top-Begriffen der Bundestagsdebatten fanden sich beispielsweise „Wohngeld“, „Mieter/Vermieter“ und „Mietrecht“. Nach dem Regierungswechsel 1982 erfolgte in diesem Zusammenhang ein Kurswechsel in der Wohnungsmarktpolitik. Das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen aus dem Jahr 1982 führte zu einer Liberalisierung des Wohnungsmarkts,infoVgl. das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen (online verfügbar). insbesondere einer Aufweichung des Mietrechts, um Investitionsanreize zu setzen. Anschließend nahm die politische Aufmerksamkeit für den Wohnungsmarkt parallel zur Bautätigkeit bis zum Ende der 1980er Jahre ab.

Wohnraumüberschuss nach der Wende

Erst die Wiedervereinigung rückte den Wohnungsmarkt wieder in den Fokus. In den ostdeutschen Ländern überlagerten sich in den 1990er Jahren mehrere – teils gegenläufige – ökonomische Entwicklungen. Zum einen zog das Mietniveau an, das in der DDR historisch niedrig gewesen war.infoKonstantin A. Kholodilin (2020): Der ostdeutsche Wohnungsmarkt nach der Wiedervereinigung: Auswahl hat ihren Preis. DIW Wochenbericht Nr. 39, 755–760 (online verfügbar). Zum anderen stieg die ostdeutsche Leerstandsquote im Jahr 1998 auf 13 Prozent, weil nach der Wiedervereinigung viele Menschen nach Westdeutschland zogen.infoZwischen 1991 und 2000 zogen im Saldo rund 611000 Menschen von Ost- nach Westdeutschland, vgl. Statistisches Bundesamt (2025): Bevölkerungsentwicklung in Ost- und Westdeutschland zwischen 1990 und 2023: Angleichung oder Verfestigung der Unterschiede? (online verfügbar). Gleichzeitig gab es in ganz Deutschland einen Bauboom, der regional zu einem starken Überangebot führte. So betrug die Leerstandsquote auch in Westdeutschland im Jahr 1998 sechs Prozent. Im Fokus der politischen Debatte standen das Überangebot, der Rückbau und Abriss von Wohngebäuden in ostdeutschen Städten sowie eine grundlegende Reform des Mietrechts im Jahr 2001.

Steigende Angebotsmieten in den Großstädten

Seit den 2010er Jahren ist der Wohnungsmarkt durch eine zunehmende Divergenz zwischen Ballungszentren und ländlichem Raum gekennzeichnet: So stiegen die Angebotsmieten in den Großstädten seit 2010 sehr viel stärker als in ländlichen Gebieten (Abbildung 4). Die Leerstandsquoten entwickelten sich zunehmend auseinander – während sie in den Großstädten sanken, nahmen sie im ländlichen Raum eher zu.infoVgl. Konstantin A. Kholodilin und Claus Michelsen (2020): Wohnungsmarkt in Deutschland: Trotz Krise steigende Immobilienpreise, Gefahr einer flächendeckenden Preisblase aber gering. DIW Wochenbericht Nr. 37, 642–652 (online verfügbar); Aubele et al. (2023), a.a.O.; Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2021): Wohnungsleerstände. Fachbeitrag vom 10. Mai 2021 (online verfügbar); sowie Empirica AG (2024): CBRE-empirica-Leerstandsindex 2023. Zeitreihe 2009–2022 (online verfügbar).

Ein Grund für die unterschiedlichen Entwicklungen waren steigende Zuzüge in die Städte, denen jedoch nur eine geringe Bautätigkeit, insbesondere im niedrigen und mittleren Preissegment, gegenüberstand. Zusätzlich fielen jährlich mehr Wohnungen aus der Sozialpreisbindung heraus, als neue gebaut wurden.infoVgl. Konstantin A. Kholodilin und Pio Baake (2024): Mietbelastung in Deutschland: In den letzten Jahren nicht gestiegen, aber ungleich verteilt. DIW Wochenbericht Nr. 41, 627–633 (online verfügbar). Im Bundesdurchschnitt sind die Bestandsmieten im Vergleich dazu inflationsbereinigt gesunken und auch die bundesweiten Leerstandsquoten verharrten zuletzt auf ihrem durchschnittlichen Niveau der Jahre 1950 bis 2022 (Abbildung 3).

Auf institutioneller Seite wurden 2001 mit dem WohnungsbauförderungsgesetzinfoVgl. das Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG) (online verfügbar). Rahmenbedingungen geschaffen, die es den Ländern unter anderem erlaubten, ihre Förderung an die regionale Wohnungsmarktsituation anzupassen.infoDies betrifft zum Beispiel Einkommensgrenzen, vgl. § 9, Abs. 3 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung, a.a.O. Mit der Föderalismusreform I aus dem Jahr 2006 erhielten die Länder die alleinige Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz für die soziale Wohnraumförderung.infoVgl. Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2025): Seit wann gibt es den sozialen Wohnungsbau und wie hat er sich entwickelt? (online verfügbar); zur Föderalismusreform vgl. Annemarie Lachmuth, Harald Georgii und Sarab Borhanian (2006): Föderalismusreform 2006. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Dokumentation WD 3 – 313/06 (online verfügbar). Damit verbunden war der Wegfall von Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau seitens des Bundes. Bis 2019 wurden Kompensationszahlungen geleistet, erst der 2019 eingeführte Artikel 104d des Grundgesetzes gestattet es dem Bund wieder, den Ländern Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau zu gewähren.infoVgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, Art. 104b, 104c, 104d, 125c, 143e (online verfügbar).

Insgesamt wurde die Situation auf dem Wohnungsmarkt auf politischer Ebene fortan stärker als regionales Problem wahrgenommen. Zwar stieg die Aufmerksamkeit für den Wohnungsmarkt im Bundestag seit 2010 wieder und die Redebeiträge erreichten in den vergangenen beiden Legislaturperioden die Anteile der Nachkriegszeit. Konkrete politische Maßnahmen, gemessen an der Zahl entsprechender Bundestagsdrucksachen, erreichten jedoch nicht das Niveau der vorhergehenden Legislaturperioden (Abbildung 2).

Kam die Gemeindeebene im Vergleich zu den Ländern und vor allem der Bundesebene in den vorangegangenen Jahrzehnten kaum in den Bundestagsreden vor, wurde fortan die Rolle der Gemeinden betont. So befand sich das Wort „Kommunen“ ab dem Jahr 2000 unter den Top-3-Begriffen. Parallel debattierte die Politik die individuelle Lebenssituation der Bürger*innen und beriet, ob Unterstützungsbedarf besteht.

Mietpreisbremse als Reaktion auf steigende Angebotsmieten in Ballungszentren

Anhand des konkreten Beispiels der Mietpreisbremse (Kasten 2) ist zu erkennen, wie sich die öffentliche und die politische Debatte zu einer wohnungspolitischen Maßnahme gegenseitig beeinflussen (Wer führt? Wer folgt?) und inwiefern der Debattenverlauf die ökonomischen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt widerspiegelt. Die öffentliche Debatte wird anhand der Berichterstattung in den hier betrachteten Tages- und Wochenzeitungen gemessen, während die politische Debatte auf Basis von Redebeiträgen im Bundestag bestimmt wird.

Als Reaktion auf die steigende Mietbelastung in Großstädten war es den Bundesländern 2013 im Mietrechtsänderungsgesetz (MietRÄndG) zunächst ermöglicht worden, die Kappungsgrenze – also die maximal zulässige Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren – in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt von 20 auf 15 Prozent zu senken. Dies betraf jedoch nur bestehende Mietverhältnisse und regulierte nicht die Angebotsmieten bei Neuvermietungen. Daraufhin wurde im Bundestag über weitergehende Schritte diskutiert, die im Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) vom 5. März 2015 mündeten. Das Gesetz sieht vor, dass Bundesländer per Verordnung einzelne Gebiete für eine Dauer von fünf JahreninfoDie maximale Geltungsdauer wurde per Gesetz bis zum 31. Dezember 2025 verlängert, aktuell wurde im Koalitionsvertrag eine weitere Verlängerung vereinbart, vgl. CDU, CSU und SPD (2025), a.a.O. als Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen dürfen. In der Folge darf in diesen Gebieten die Miethöhe bei Neuvermietung einen bestimmten Wert nicht überschreiten (sogenannte MietpreisbremseinfoVgl. auch den Eintrag „Mietpreisbremse“ im Online-Glossar des DIW Berlin (online verfügbar).). Neubauten sowie umfassend modernisierte Wohnungen sind bei der Erstvermietung von dieser Regelung ausgenommen.

Die Einführung der Mietpreisbremse wurde nicht nur im Bundestag, sondern auch in den Medien kontrovers diskutiert. Erstmals tauchte der Begriff im Februar 2013 in einer Bundestagsdebatte auf, nachdem die SPD-Fraktion einen Antrag für „Bezahlbare Mieten in Deutschland“ eingebracht hatte.infoDeutscher Bundestag (2013): Antrag der Fraktion der SPD. Bezahlbare Mieten in Deutschland. Bundestagsdrucksache Nr. 17/12486 vom 26. Februar 2013 (online verfügbar) und Deutscher Bundestag (2013): Plenarprotokoll der Sitzung Nr. 17/225 vom 28. Februar 2013 (online verfügbar). Die Redebeiträge zur Mietpreisbremse erreichten ihren ersten Höhepunkt im März 2015, als das Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) verabschiedet wurde.infoVgl. das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG) (online verfügbar). Aber auch danach ebbten die politische und mediale Debatte nicht ab (Abbildung 5).

Insbesondere in den Medien wurde die Wirksamkeit der Mietpreisbremse stark angezweifelt.infoVgl. Zeit Online (2015): Mietpreisbremse fast ohne Effekt. 3. November 2015; Gianna Niewel (2016): Missglückte Mietpreisbremse. Süddeutsche Zeitung vom 13. September 2016; sowie Paul F. Duwe (2017): Im Teilgewerbe gibt es keine Mietpreisbremse. Tagesspiegel vom 10. Juni 2017. Kritisiert wurde, dass Vermieter*innen die Regelung durch zahlreiche Ausnahmen umgehen könnten, Mieter*innen bei Vertragsabschluss keine Kenntnis über die Höhe der vorherigen Miete hätten, um die Rechtmäßigkeit der Miethöhe zu bestimmen, und der Ausgang eines Klageverfahrens aufgrund von Unsicherheiten in der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ungewiss sei. In der folgenden Zeit blieb das Instrument weitgehend ungenutzt.infoZeit Online (2016): Mieter nutzen Mietpreisbremse nicht. 6. Oktober 2016 (online verfügbar). Die Wirksamkeit der Mietpreisbremse war im Laufe des Jahres 2016 auch im Bundestag Gegenstand hitziger Diskussionen – unter anderem die Partei Die Linke forderte Nachbesserungen am Gesetz.infoVgl. Deutscher Bundestag (2016): Antrag der Partei Die Linke. Mietpreisbremse wirkungsvoll ausgestalten. Bundestagsdrucksache Nr. 18/9123 vom 7. Juli 2016 (online verfügbar); sowie Deutscher Bundestag (2016): Plenarprotokoll der Sitzung Nr. 18/193 vom 29. September 2013 (online verfügbar). Nachdem die Regierungsparteien der damaligen Großen Koalition es ablehnten, die Mietpreisbremse zu verschärfen, verschwand das Thema zunächst aus der politischen Debatte. In den Medien hingegen blieb es präsent, nicht zuletzt aufgrund der unverändert angespannten Wohnungsmarktsituation in den Großstädten (Abbildung 4). Erst in der folgenden Legislaturperiode verschärfte die Große Koalition in den Jahren 2018 und 2020 die Mietpreisbremse, indem sie unter anderem eine Auskunftspflicht der Vermieter*innen beschloss und Mieter*innen die Möglichkeit einräumte, den überhöhten Teil der Miete nachträglich zurückzufordern.infoVgl. das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache (Mietrechtsanpassungsgesetz – MietAnpG) (online verfügbar); sowie das Gesetz zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (online verfügbar). Seit dem Jahr 2020 ist das mediale und politische Interesse am Thema Mietpreisbremse stark zurückgegangen, obwohl sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in den Großstädten nicht nachhaltig entspannt hat. Dies könnte aber auch daran liegen, dass in den vergangenen Jahren mit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine akute internationale Krisen in den Vordergrund gerückt sind.

Politische Debatten und Medienberichte zur Mietpreisbremse beeinflussen sich nur kurzfristig gegenseitig

Ob ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit politischer Debatten und medialer Berichterstattung zum Thema Mietpreisbremse bestand, kann mithilfe statistischer Methoden bestimmt werden (Kasten 3). Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Debatten kurzfristig, also innerhalb einer Woche, gegenseitig beeinflussten, aber keine langfristigen Effekte über mehrere Monate messbar waren (Tabelle).

Tabelle: Gegenseitige Beeinflussung von Politik und Medien am Beispiel Mietpreisbremse

Kurz- und langfristig

Einfluss von … Innerhalb von einer Woche Nach einem Monat Nach zwei Monaten
Medien auf Politik signifikanter Effekt signifikanter Effekt kein messbarer Effekt
Politik auf Medien signifikanter Effekt schwach signifikanter Effekt kein messbarer Effekt

Anmerkungen: Die Felder zeigen Ergebnisse der sogenannten Granger-Kausalitäts-Tests mit der Nullhypothese an, dass die jeweilige Variable keinen Einfluss auf die andere Variable hat. Sie basieren auf dem p-Wert, der sogenannten Irrtumswahrscheinlichkeit. Je geringer der Wert, desto wahrscheinlicher liegt eine Beeinflussung vor. Hochsignifikanter Effekt: p-Wert unter 0,001. Signifikanter Effekt: p-Wert zwischen 0,001 und 0,01. Schwach signifikanter Effekt: p-Wert zwischen 0,01 und 0,05. Kein messbarer Effekt: p-Wert über 0,05.

Quelle: Eigene Auswertungen und Berechnungen.

Vektorautoregressionsmodelle (VAR-Modelle) sind geeignet, zeitliche Zusammenhänge zwischen mehreren Variablen zu untersuchen. Die Modelle erlauben, kurz- und langfristige Effekte zu identifizieren. Ein wichtiger Aspekt der Modelle ist, dass sie die wechselseitigen Einflüsse aller Variablen (Endogenität) explizit berücksichtigen. Formal wird diese Wechselbeziehung darüber ausgedrückt, dass jede Variable als abhängige und als erklärende Variable in einem VAR-Modell auftaucht. Darüber hinaus werden verzögerte Werte (Lags) der abhängigen Variable als erklärende Variablen genutzt.

Im Rahmen der VAR-Modelle wurden zwei statistische Tests durchgeführt (Granger-Kausalitäts-Tests). Der erste Test überprüft, ob eine Variable einen unmittelbaren Einfluss auf alle anderen Variablen ausübt. Der zweite Test überprüft, ob eine Variable langfristig, also zu einem beliebigen Zeitpunkt während des gesamten Prognosezeitraums, die anderen Variablen beeinflusst hat. Die Nullhypothese beider Tests lautet: Die Variable beeinflusst die anderen Variablen nicht. Der Granger-Kausalitäts-Test berechnet ein Signifikanzlevel zwischen 0 und 1, den sogenannte p-Wert. Ist dieser p-Wert sehr gering, zum Beispiel unter 0,05, kann die Nullhypothese abgelehnt werden. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Variable einen Einfluss auf die anderen Variablen hat.

Eine tagesgenaue Aufschlüsselung der Reaktionen ergibt, dass die Medien die politische Debatte zur Mietpreisbremse im Bundestag innerhalb von drei Tagen aufgriffen und umgekehrt eine erhöhte Berichterstattung in den Medien unmittelbar zu einem Anstieg der Redebeiträge im Bundestag führte (Abbildung 6).

Die Mietpreisbremse wurde im Bundestag noch einmal drei Wochen nach dem Impuls durch die Medien verstärkt thematisiert, während die Medien nur kurzfristig reagierten. Es gab jedoch kein festes Muster, wonach eine der beiden Seiten die andere vor sich hertrieb. Zudem war das Ausmaß der gegenseitigen Beeinflussung gering. Nur knapp zwei Prozent der wöchentlichen Schwankungen in den Redebeiträgen im Bundestag ließen sich durch eine erhöhte Berichterstattung in den Medien erklären, während die politische Debatte im Bundestag einen etwa dreimal so großen Effekt auf die Medienbeiträge hatte (5,7 Prozent der Schwankungen im Artikelaufkommen waren durch die politische Debatte zu erklären). Insgesamt hat die politische Debatte einen stärkeren Einfluss auf die mediale Berichterstattung ausgeübt als umgekehrt.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Medienberichterstattung nur einen Teil der öffentlichen Debatte abbildet und sowohl Privatpersonen als auch spezifische Interessengruppen über viele weitere Kanäle die politische Debatte beeinflussen können, etwa über Beiträge in sozialen Medien, direkte Gespräche mit Abgeordneten oder Stellungnahmen von Verbänden.

Fazit: Fokus der politischen Debatte verschiebt sich zu Problemlösung auf kommunaler Ebene

Die Analyse der Reden im Bundestag zeigt, dass zwischen 1950 und 2024 eine Verschiebung der politischen Debatte rund um den Wohnungsmarkt stattgefunden hat: Weg von bundesweiten Maßnahmen hin zu einem regionalen Problem, das auf kommunaler Ebene gelöst werden muss. Das Beispiel Mietpreisbremse macht zudem deutlich, dass sich die politische Debatte und die mediale Berichterstattung zum Wohnungsmarkt gegenseitig beleben. Es gibt jedoch kein klares Muster dafür, welche Seite führt und welche folgt. Die gegenseitige Beeinflussung ist grundsätzlich positiv zu bewerten, wenn man die Berichterstattung in den Medien stellvertretend für einen Teil der öffentlichen Debatte interpretiert. Grundsätzlich spiegeln beide Debatten die ökonomischen Zyklen auf dem Wohnungsmarkt wider, wobei die Anzahl der Beiträge steigt, je mehr sich der Wohnungsmarkt im Ungleichgewicht befindet, die Leerstandsquote von Wohnraum also beispielsweise besonders niedrig oder hoch ist.

Caroline Stiel

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Pio Baake

Forschungsdirektor Regulierung in der Abteilung Unternehmen und Märkte



JEL-Classification: R38;O18;R31
Keywords: housing market, plenary debate, media coverage
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-18-1

keyboard_arrow_up